Islamischer Staat "Der IS will seine Gegner einschüchtern – auch im Westen"

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Deso Doggs Aufstieg in den Reihen des IS

Warum braucht der IS zwei Gesichter?

Der IS schafft es, durch die äußerst brutalen Videos seine Gegner einzuschüchtern – im Westen und im Nahen Osten. Auf der anderen Seite sammelt er mit den Videos für das syrisch-irakische Publikum und die Unterstützer Sympathien und gibt vor, ein tatsächlicher Staat zu sein, der sich um die Interessen seiner Bürger kümmert.

Dieses Bild wird immer wieder entlarvt durch Videos, die Aktivisten aus dem Inneren der IS-Städte hochladen. Sie zeigen, wie schlecht die Zustände dort sind. Sind solche Videos eine Gefahr für den IS?

Der IS versucht mit aller Macht, die Veröffentlichung solcher Videos zu verhindern. Das wird deutlich anhand der wenigen Aktivisten aus Raqqa, die unter Lebensgefahr versuchen, von dort zu berichten. Einzelne werden immer wieder gefasst und hingerichtet. Der IS will Herr über die Bilder sein, die aus seinem Herrschaftsgebiet heraus entstehen.

Das bekannteste Gesicht der IS-Medienarbeit in Deutschland ist Denis Cuspert, früher bekannt als Deso Dogg. Er hat es geschafft, in die Führungsriege des IS aufzusteigen. Wie das?

Er stand schon in Deutschland mit Mohamed Mahmoud in Kontakt – einem radikalen Prediger aus Wien. Gemeinsam bauten sie in Deutschland die jihadistische Organisation Millatu-Ibrahim (Die Gemeinschaft Abrahams) auf. Mahmoud war jemand, der gut in der militanten Szene der arabischen Welt vernetzt war – wahrscheinlich hatte er auch Kontakt zu al-Qaida im Irak – der Vororganisation des IS.

Millatu-Ibrahim

Also hat Cuspert seinem Aufstieg Mahmoud zu verdanken?

Mahmoud genießt in der internationalen jihadistischen Szene Wertschätzung. Als sein Protegé wurde Cuspert natürlich schneller aufgenommen und stieg schneller auf als ein unbekanntes Gesicht, das an der türkisch-syrischen Grenze aufkreuzt. In solchen Fällen wird erst einmal geprüft, wie stark und zuverlässig diese Person wirklich ist.

Glauben Sie, dass der IS zu schlagen ist?

Ja, aber damit wäre nur eine jihadistische Organisation besiegt. Daneben gibt es in der ganzen arabischen Welt Organisationen und Netzwerke, die aktuell an Kraft gewinnen. Die Bewegung erlebt im Moment einen enormen Vormarsch und glaubt tatsächlich, dass sie bald einen Islamischen Staat auf dem Gebiet der alten Kalifate errichten kann.

Die alten Kalifate umfassten nahezu die gesamte arabische Welt, aber auch Spanien und Sizilien. Wie wahrscheinlich ist es, dass der IS sich ernsthaft bis dorthin ausbreiten will?

Der alte Kalifats-Gedanke spielt eine große Rolle. Der IS will das Kalifat in der historisch größtmöglichen Ausdehnung wieder auferstehen lassen. Das würde auch Spanien mit einschließen. Da muss man allerdings realistisch bleiben: Im Moment ist der IS in Syrien und im Irak in großen Schwierigkeiten, weswegen er sich erst einmal damit beschäftigt, sich dort zu stabilisieren und vielleicht in andere arabische Staaten wie Libyen oder Ägypten zu expandieren.

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