Jahresabschluss Warum der Staat wie ein Unternehmen bilanzieren sollte

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Länder verfügen über spezielle Immobilien, die in Unternehmensbilanzen nicht auftauchen. „Für die erstmalige Bewertung von Gefängnissen, Gerichten oder Verwaltungsgebäuden fehlen Marktpreise“, sagt Kleine. Darüber hinaus liefern Regierungen ihren Bürgern immaterielle Güter wie Bildung oder Sicherheit. Diese können anders als etwa Warenlager oder Vorräte eines Industriebetriebs nicht Aktivposten der Bilanz werden.

„Das Handelsrecht verbietet die Aktivierung selbst erstellter immaterieller Vermögensgegenstände“, sagt PwC-Prüfer Fischer. Darüber hinaus muss Bilanzvermögen wirtschaftlich verwertbar sein. Das ist bei Bildung und Sicherheit nicht möglich, denn die Bürger erhalten diese kostenlos. Ein weiteres Problem bei öffentlichen Jahresabschlüssen ist die große Zahl der Vermögensgegenstände und Gläubiger. Alle Posten müssen vollständig erfasst und einheitlich bewertet werden.

Beamte scheinen nach herkömmlicher Haushaltsrechnung zunächst billiger

Doch der Aufwand lohnt sich, denn die Staatsbilanz gibt Auskunft, aus welchen Finanzquellen das öffentliche Vermögen stammt und ob es genügend Mittel zur Deckung der Schulden gibt. Das Eigenkapital als Saldo von Vermögen und Schulden zeigt, wie stark sich der Staat aus eigener Kraft finanziert. Ein weiterer Vorteil der kaufmännischen Buchführung: Sie erfasst Gewinn oder Verlust, wenn er verursacht wird. Kameralistik dagegen schaut nur darauf, wann Geld zu- oder abfließt und verzerrt daher staatliche Finanzentscheidungen.

So scheinen Beamte nach herkömmlicher Haushaltsrechnung zunächst billiger als Angestellte. Letzteren zahlt der Staat bereits in aktiven Dienstjahren Beiträge zur Altersvorsorge – Beamtenpensionen belasten dagegen erst im Ruhestand die Kasse.

Bilanzierung verhindert diese Verzerrung. Die künftigen Altersbezüge beamteter Staatsdiener fließen schon während des Berufslebens als Aufwand in die Bücher. Auf der Passivseite der Bilanz stehen sie zusätzlich in Form einer Pensionsrückstellung. In Hessen ist diese mit 38 Milliarden Euro übrigens der größte Posten von insgesamt 88 Milliarden Euro Passiva. Da das Landesvermögen nur 30 Milliarden Euro wert ist, hat Hessen ein negatives Eigenkapital von 58 Milliarden Euro.

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