Jamaika Angriff auf die Rente mit 63

Kaum ist die große Koalition Geschichte, werden ihre Rentenprojekte zerpflückt. Politiker und Ökonomen wollen die Rente mit 63 abschaffen. Sie werde ganz anders genutzt als sie eigentlich konzipiert wurde.

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Differenzen gibt es bei den Sondierungsgesprächen der „Jamaika“-Parteien zu Genüge: Nun sorgt Jens Spahn mit seinem Vorschlag zur Abschaffung der Rente mit 63 für weitere Spannungen. Quelle: dpa

Berlin In der CDU und in der Wirtschaft wird die von der großen Koalition eingeführte Rente mit 63 in Frage gestellt. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn verlangte am Montag in der „Rheinischen Post“ ihre Abschaffung. Diese „Form der Frühverrentung“ sollte auslaufen und das Geld lieber in die Renten von Witwen und Erwerbsgeminderten investiert werden, argumentierte er. „Die Rente mit 63 für langjährig Versicherte wird vor allem von männlichen Facharbeitern genutzt, die wir eigentlich noch brauchen.“

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, Michael Hüther, sagte der „Welt“, die Rente mit 63 müsse „rückabgewickelt“ werden. Mehr als 200.000 Arbeitskräfte hätten deswegen schon zu arbeiten aufgehört – alles gut verdienende Menschen mit mittlerer und höherer Bildung. „Wenn ich Grüne und FDP wäre, würde ich die Union da vor mir hertreiben“, sagte Hüther mit Blick auf die Jamaika-Sondierungen. Zudem müsse man darüber nachdenken, ab 2029 das Renteneintrittsalter auch über 67 Jahre hinaus zu erhöhen.

Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund haben bis Ende August 160.000 Versicherte einen Antrag auf abschlagsfreie Rente mit 63 gestellt. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 165.000. Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann seit Juli 2014 ab 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen. Allerdings wird diese Altersgrenze seitdem pro Jahr um zwei Monate angehoben, so dass die Jahrgänge ab 1964 erst mit 65 nach 45 Jahren abschlagsfrei in Renten gehen können. Die „Rente mit 63“ ist insofern etwas missverständlich.

Die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) wies den Vorstoß Spahns zurück. „Das zeigt, wie die CDU heute tickt. Da ist mehr soziale Kälte als soziale Verantwortung zu spüren“, sagte sie dem SWR. Das Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Annelie Buntenbach, hielt Spahn entgegen: „Wer die Rente mit 63 zurückdrehen will, ignoriert schlicht die Lebenswirklichkeit vieler Menschen. Wir brauchen nicht weniger Möglichkeiten für Beschäftigte, vor dem 67. Lebensjahr in Rente gehen zu können, sondern mehr.“ Viele erreichten heute schon den regulären Rentenbeginn nicht.

Der Wirtschaftsrat der CDU sieht in einem Jamaika-Bündnis die große Chance, das SPD-Projekt der Rente mit 63 zu beerdigen, und unterstützt den Vorstoß Spahns. Die CSU wollte in den Jamaika-Sondierungen auch eine weitere Erhöhung der Mütterrente fordern. Dabei geht es um Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Sie sollen einen Rentenpunkt mehr bekommen und damit genauso viel wie Mütter, deren Kinder nach diesem Datum geboren wurden. Ein Rentenpunkt für diese Frauen kostet zwischen sechs und sieben Milliarden Euro.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte im ARD-„Morgenmagazin“: „Für mich ist das Entscheidende, dass wir keine Altersarmut mehr haben.“ Die Mütterrente sei dafür nicht das richtige Instrument. Besser wäre eine „Garantierente“. Wer lange gearbeitet habe, solle mehr haben als die Grundsicherung.

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, forderte die vollständige Angleichung der Mütterrente sowie eine Stabilisierung des Rentenniveaus und dessen Anhebung auf 50 Prozent.

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