"Müssen nun mit den Tatsachen umgehen"
Nach wochenlangen Verhandlungen hat die FDP kurz vor Mitternacht die Jamaika-Sondierungen abgebrochen und damit eine politische Krise in Deutschland ausgelöst. "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren", sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin. "Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht mitverantworten."
Lindner begründete den Abbruch der Sondierungen damit, dass es in den gut vier Verhandlungswochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen. Das wäre aber Voraussetzung für eine stabile Regierung gewesen. Lindner machte deutlich, dass die Gräben zwischen FDP und Grünen aus seiner Sicht zu groß waren. Die Liberalen seien für Trendwenden in der Politik gewählt worden, etwa in der Bildung oder bei der Entlastung der Bürger. Diese seien nicht erreichbar gewesen: „Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor.“ Wo es Übereinkünfte gebe, seien diese mit viel Geld der Bürger oder Formelkompromissen erkauft worden.
CDU-Chefin Angela Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer wie auch die Grünen-Spitze bedauerten die Entscheidung. Merkel sagte, sie werde Deutschland auch als geschäftsführende Kanzlerin durch schwierige Wochen führen. Die Grünen erhoben schwere Vorwürfe gegen die FDP, die ein Scheitern offenbar schon länger geplant hätten. „Ein Bündnis hätte zustande kommen können“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Bei Klimaschutz, Landwirtschaft und Migration sei man am Ende näher beieinander gewesen, als man es gedacht hätte. Parteichef Cem Özdemir sagte, die FDP habe die einzig mögliche Konstellation zur Regierungsbildung „leider abgelehnt und zunichte gemacht“. Die Grünen seien bei vielen Themen an ihre Schmerzgrenzen und darüber hinaus gegangen. Grünen-Chefin Simone Peter sagte, die FDP habe vier Wochen lang „die Öffentlichkeit getäuscht: unverantwortlich, unseriös, berechnend“.
Jamaika-Gespräche gescheitert - Statements der Beteiligten
„Meine Damen und Herren,
es ist ja schon der frühe Morgen, und ich möchte mich als erstes Mal bei unseren Gastgebern hier in der baden-württembergischen Landesvertretung bedanken, die an einem wirklich, ich würde fast sagen historischen Tag uns Gastfreundschaft gewährt haben. Hinter uns liegen vier Wochen intensivster Verhandlungen, und ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden.
Wir haben dabei vieles erlebt, sehr unterschiedliche Kulturen von Verhandlungsstilen, und bei den Grünen durchaus bei allen Sympathien manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, bei der FDP sehr entschieden, aber wir glauben, dass wir auf einem Pfad waren, auf dem wir hätten eine Einigung erreichen können.
Natürlich mit Abstrichen, das beinhaltet eine Koalition, bei der Partner sich finden sollen, die sehr sehr große Wege zu gehen haben, und deshalb bedaure ich es auch, bei allem Respekt für die FDP, dass wir keine gemeinsame Lösung finden konnten.
Wir hatten aus unserer Perspektive der Union sehr vieles erreicht in diesen Verhandlungen, was die Stabilität des Landes gestärkt hätte, sowohl die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung, bei den schweren Fragen der Erwartungen der Grünen an die Leistungen im Blick auf den Klimaschutz, aber vor allen Dingen auch was soziale Fragen anbelangt, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen.
Wir haben interessanterweise die erste Einigung über die Landwirtschaftspolitik erzielt, das wäre und ist, weil es bleibt, ja auch ein interessanter Bestandteil, was vielleicht auch versöhnend auf unsere Gesellschaft hätte wirken können, und jetzt müssen wir trotzdem mit den Tatsachen umgehen. Tatsache heißt, dass wir keine Sondierungsgespräche erfolgreich abschließen konnten. Das bedeutet, dass ich morgen den Bundespräsidenten kontaktieren werde, ihn natürlich informieren werde über den Stand der Dinge, und dass wir dann schauen müssen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.
Wir, CDU und CSU gemeinsam, ich sage das ausdrücklich, werden Verantwortung für dieses Land auch in schwierigen Stunden übernehmen und auch weiter sehr verantwortungsvoll handeln. Denn die Menschen in Deutschland haben sich heute mehrheitlich gewünscht, dass wir zusammenfinden. Und denen fühlen wir uns verpflichtet. Und wir werden dazu beitragen, mit unseren Kräften, die wir haben, zum Zusammenhalt dieses Landes auch einen Beitrag zu leisten.
Natürlich war ein ganz zentrales Thema das Thema der Migration, der Zuwanderung, hier gab es nicht die großen Unterschiede mit der FDP, aber hier so unsere Einschätzung hätten wir auch eine Lösung mit den Grünen finden können. Und wir wissen, dass wir dieses Land zusammenführen müssen und so werden wir in den nächsten Wochen in einem Weg, den wir nicht genau beschreiben können, natürlich unser verantwortliches Handeln auch weiter fortsetzen.
Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland. Aber ich will Ihnen sagen, ich als Bundeskanzlerin, als geschäftsführende Bundeskanzlerin, werde alles tun, das dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“
„Meine Damen und Herren,
wir haben jetzt vier Wochen hart gearbeitet, um eine Regierung für die Bundesrepublik Deutschland zu bilden. Es waren intensive Gespräche, die auch für mich eine inhaltliche und auch persönliche Bereicherung waren - bei den Verhandlungspartnern, mit denen wir uns beinahe täglich getroffen haben.
Die FDP ist heute ausgestiegen, hat die Verhandlungen abgebrochen. Das ist schade. Das bedeutet gleichzeitig eine Belastung für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, weil wir trotz großer politischer Herausforderungen national und weltweit im Moment eben nicht zu einer neuen Regierungsbildung kommen konnten.
In allen Themenbereichen, in denen wir unterwegs waren, hatten wir entweder schon Verständigungen, zum Beispiel in der schon angesprochenen Landwirtschaft. Das war ja zwischen Union und Grüne ein besonders schwieriges Feld. Aber die Akzeptanz, dass wir eine Landwirtschaft, die auch verstärkt mit den Bauern der ökologischen Förderung zugeführt wird, war das schon ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Auch in vielen anderen Bereichen, wenn es um den Wohnungsbau, um soziale Fragen, um wirtschaftliche Fragen ging, waren die Ergebnisse zum Greifen nahe.
Ich bin über weite Stecken des heutigen Tages davon ausgegangen, dass es am Ende dieses Tages auch zur Regierungsbildung oder zur Koalitionsbildung kommen kann im Sinne von Sondierungsergebnissen, die wir unseren Parteigremien vorlegen können. Ich sage ausdrücklich, auch in der ganzen schwierigen Frage der Zuwanderung, eines Regelwerks für die Zuwanderung, das alle Aspekte umfasst, von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zur Begrenzung der Zuwanderung, wäre eine Einigung möglich gewesen.
Das hätte uns ermöglicht, eine Antwort auf das Wahlergebnis zu geben, nämlich die Polarisierung in der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden und politisch radikale Kräfte zurückzudrängen. Das wäre die erste Voraussetzung gewesen. Deshalb sage ich, es ist schade, dass es nicht gelungen ist, dies zum Ende zu führen, was zum Greifen nahe war.
Ich habe heute vor den beiden Delegationen der CDU und der CSU der Bundeskanzlerin gedankt. Gedankt für diese Verhandlungsführung, die sie ohne Unterbrechung in diesen vier Wochen persönlich durchgeführt hat. Das erfordert höchsten Einsatz, höchste Konzentration, höchste Kompetenz. Und die Delegationen von CDU und CSU haben dies mit einem lang anhaltenden Beifall zum Ausdruck gebracht. Danke, Angela Merkel, für diese vier Wochen.“
„Ja meine Damen und Herren,
wir haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen, und heute am Tag länger als wir uns ursprünglich vorgenommen haben. Wir haben als Freie Demokraten in den letzten Wochen zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet, unter anderem zu Beginn in der Steuerpolitik, in der Europapolitik, in Fragen der Einwanderung, in der Bildungspolitik. Denn wir wissen, das Politik vom Ausgleich lebt. Und mit knapp elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren.
Unsere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in Regierungsbeteiligungen in den Ländern mit Union, mit SPD und mit den Grünen.
Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Und dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind diese Übereinkünfte erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären. Da ist wieder auch eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen. Aber am heutigen Tag wurde keine Bewegung, keine neue Bewegung, keine weitere Bewegung, erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch erzielte Kompromisslinien noch einmal in Frage gestellt worden sind.
Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee, sie wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren.
Wir wissen nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt zukommt. Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, bei dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, nach so langer Zeit und so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dafür, dass auch auf das Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann. Wir werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien und unsere Haltung.
Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer dynamischen Gesselschaft, die auf sich vertraut, die war nicht hinreichend repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute an diesem entscheidenden Tag nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre.
Die Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden. Und wer dieses Dokument ansieht, sieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nichts unrealistisch, sondern maßvoll. Wir sind für die Trendwenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft und bis zur Stunde auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik.
Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten, viele der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das wofür wir Jahre gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt sind. Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“
„Ja, die einzig mögliche Konstellation, die demokratisch möglich gewesen wäre, wurde von der FDP heute Abend leider zunichte gemacht und abgelehnt. Unser Land zeichnet sich auch dadurch aus, dass wir die Kultur des Kompromisses kennen und schätzen. Es ist für eine funktionierende Demokratie geradezu konstruktiv, geradezu elementar, (den) Gegenüber ernst zu nehmen. Wir haben auch aus einer Haltung der Verantwortung dem eigenen Land gegenüber, Europa gegenüber und der Bedeutung unseres Landes der Welt gegenüber, man kann es auch gerne als eine Haltung des Patriotismus nennen, mit dieser Verantwortung sind wir in die Gespräche rein gegangen, um Verantwortung für unsere gemeinsame Republik zu übernehmen und wir sind dabei in vielen Themen an die Schmerzgrenze und manchmal auch über die Schmerzgrenze gegangen.
Weil wir wussten, es ist wichtig für unser Land, es ist wichtig für die Stabilität der Bundesrepublik Deutschland, dass jeder sich bewegen muss, wenn man gemeinsam an das große Ganze denken möchte. Jetzt haben wir die Situation, dass unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht, es ist die große Menschheitsfrage, die Abwendung der Klimakrise, des Klimawandels, es ist aber auch, wie wir Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig der Wohlstand einer ist, der allen in der Gesellschaft zugute kommt. Es ist die Frage, wie wir schaffen, dass die Flüchtlinge in der Gesellschaft ankommen, dass wir Humanität einerseits und Ordnung andererseits gewährleisten, damit wir auch die Menschen im Lande davon überzeugen und mitnehmen auf diesem Weg und es ist schließlich die Frage, wer wird die Antwort geben auf die Rede von Präsident Macron, wer wird die Antwort geben auf die Rede von Kommissionspräsident Junker und wer wird dieses Europa voranbringen, wenn Deutschland jetzt in der Situation, in der es besonders wichtig wäre, erstmal ausfällt.
Ich will, wie es Katrin Göring-Eckardt gerade schon gesagt hat, erstmal meiner Co-Chefin herzlich danken, die das wirklich großartig von Anfang bis Ende durchgeführt hat, mit einer Wahnsinnskompetenz und mit einer Wahnsinnsgeduld. Und ich will auch herzlich danken dem Grünen-Sondierungsteam, die die Stärke dieser Partei Bündnis 90/Die Grünen, all ihrer Vielfalt und Breite abbildet. Alle haben sich da eingebracht und ihren Beitrag geleistet, dass wir für die Sache, für die wir brennen, gut verhandelt haben und vieles erreicht haben.
Ich will das ausdrücklich sagen. Eine Verständigung wäre möglich gewesen, guten Willen vorausgesetzt. Wir waren zu dieser Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit, auch da noch mal weiter zu gehen, wo man eigentlich nicht mehr weitergehen kann. Aber das setzt eben voraus, dass alle diese Bereitschaft haben - und ein Partner hatte sie heute Abend offensichtlich nicht, und er hatte sie nicht erst heute Abend offensichtlich nicht, sondern auch schon am Start des Tages offensichtlich nicht.
Ich finde, meine Partei Bündnis 90/Die Grünen hat sich da wirklich toll präsentiert, mit einer hohen Sachkompetenz, brennen für die Sache, aber immer bereit dazu, dass man die Sachen vom Ende her denkt und deshalb bereit ist, auch auf den anderen zuzugehen.
Darum auch der Respekt vor unseren Verhandlungspartnerinnen und Verhandlungspartnern, auch ich will ganz besonders der Bundeskanzlerin danken, die sich von Anfang bis Ende bemüht hat, die widerstrebenden Ansichten zusammenzubringen, für ein gemeinsames Ganzes. Ich will mich ausdrücklich bedanken auch bei Horst Seehofer und seiner Partei, der ebenfalls aus einer schwierigen Perspektive kommend seinen Beitrag versucht hat zu leisten, dass wir am Ende zusammenkommen. Herzlichen Dank.“
„Ich will ausdrücklich sagen, dass wir sehr viel mehr Verständnis füreinander gewonnen haben in dieser Zeit. Und dass es für uns staatspolitische Verantwortung ist, auch bis zum Schluss gesprächsbereit zu bleiben. Das waren wir auch heute Abend, das waren wir auch heute den ganzen Tag, so wie wir es vier Wochen lang gewesen sind. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich davon ausgehe, dass dieses Bündnis hätte zustandekommen können.
Wir waren an wenigen Punkten am Schluss noch auseinander, ja, in der Tat, und ich bin sogar überzeugt davon, dass es nicht mehr lange Zeit gebraucht hätte, auch da zusammenzukommen.
Ich glaube, es wäre für dieses Land auch ein gutes Signal gewesen. So gespalten, wie es zu sein scheint, wenn sich so unterschiedliche Partner darauf verständigen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Gerade bei den so zentralen Themen, bei denen wir am Ende doch näher beieinander waren, als wir es gedacht hätten. Bei der Menschheitsfrage Klimaschutz, bei der Frage der Landwirtschaft, ja selbst bei dem großen Thema Migration - glaube ich - wäre es gelungen, nicht nur, dass sich diese Partner einigen, sondern dass sie auch dazu beitragen können, dass dieses Land wieder zusammenwächst, gemeinsam weiter vorankommt. Daran haben wir hart gearbeitet. Und ich will mich bei allen bedanken, die daran mitgearbeitet haben.
Ich bedanke mich herzlich, ganz besonders herzlich, bei den Menschen, die jetzt hier hinter uns stehen, und bei Cem Özdemir, der neben mir steht, weil wir in dieser Zeit tatsächlich gespürt haben, das machen wir gemeinsam, das machen wir als Partei gemeinsam - auch in dieser so schwierigen Konstellation, die sich niemand ausgesucht hatte, von der niemand gedacht hätte, dass wir sie jemals verhandeln würden.
Ich will mich aber auch ganz ausdrücklich bedanken bei der Bundeskanzlerin. Und das sage ich nicht nur für mich, das sage ich für uns alle, für die komplette grüne Delegation, dafür, dass sie in Verantwortung für dieses Land immer wieder weitergesprochen hat, immer wieder nach neuen Möglichkeiten, nach neuen Kompromissen, nach neuen Wegen gesucht hat. Ganz herzlichen Dank also von uns an Angela Merkel und an die vielen Verhandlungspartner, die wir während dieser Zeit hatten, an eine Union, die die Verantwortung mit übernehmen wollte.
Die FDP hat sich entschieden, sie haben sich anders entschieden, sie haben sich nicht für gemeinsame Verantwortung entschieden, das müssen wir respektieren. Aber ich sage ganz klar, wir werden in dieser Haltung, in der Verantwortung für unser Land auch die nächsten Wochen und Monate gestalten.“
Der Euro blieb unbeeindruckt. Am Morgen kostete die Gemeinschaftswährung 1,1735 US-Dollar und damit rund einen halben Cent oder ein halbes Prozent weniger als vor dem Bekanntwerden des Abbruchs durch die FDP. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Referenzkurs am Freitag auf 1,1795 Dollar festgesetzt. "Die Märkte dürften dies nach anfänglicher Enttäuschung in Kauf nehmen", sagte Hartmut Issel, OBS-Ökonom und Head of Equity und Credit für die Region Asien-Pazifik. "Selbst wenn es Wiederwahlen gibt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie populistisch sind. Deshalb wird die Abwärtsreaktion begrenzt sein."
Wie geht es nun weiter?
Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung ist völlig offen, wie eine Regierungsbildung weiter verlaufen könnte. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die Parteien an die Verantwortung erinnert, eine Regierung zustande zu bringen. Die SPD betonte in den vergangenen Tagen immer wieder, dass sie nicht für die Bildung einer neuen großen Koalition zur Verfügung stehe. Fraktionschefin Andrea Nahles sagte am Abend im ZDF: "Die große Koalition wurde ganz klar abgewählt." Dass die SPD in die Opposition gehe, sei "keine Schmollreaktion". Sie betonte zudem: "Unser Auftrag ist es, dass wir wieder Mehrheiten kriegen für Koalitionsbildungen, die wieder besser zusammenpassen."
Bleiben die Sozialdemokraten bei ihrer Aussage, gäbe es wohl als Alternativen nur Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung. Die Linken forderten noch in der Nacht einen neuen Urnengang. Dies wäre "die demokratisch angemessene Konsequenz", sagte Partei-Vorsitzende Katja Kipping der "Berliner Zeitung" einem Vorabbericht zufolge. "Mögen die Schwampel-Murkser Angst vor dem Urteil der Wählerinnen und Wähler haben - die Linke wird sich dem stellen." In der Union wurde Gerüchten widersprochen, Merkel selbst strebe Neuwahlen an und habe als Termin dafür den 22. April angepeilt. "Das ist totaler Quatsch", heißt es in CDU-Kreisen.
Theoretisch wäre auch ein zweiter Anlauf der Jamaika-Sondierer nach einer Abkühlphase denkbar. Derzeit ist Merkel bis zur Bildung einer neuen Regierung geschäftsführend im Amt. Grünen-Politiker Jürgen Trittin sprach von der Gefahr, dass Deutschland nun längere Zeit eine geschäftsführende Regierung haben könnte. Eine Minderheitsregierung von Union und Grünen schloss er aus: "Deutschland muss stabil regiert werden, und dafür bedarf es einer Mehrheit im Parlament", sagte Trittin im ZDF. "Wenn die komplette Politikverweigerung der SPD anhält, weiß ich nicht, wie eine Mehrheit zustande kommen könnte."