Jamaika-Gespräche Feuerwehrmann Altmaier

Beim Handwerker-Forum verspricht Altmaier, dass Jamaika den ökonomischen Erfolg nicht aufs Spiel setzt. Das ist nicht sein einziger Einsatz: Danach telefoniert er, „damit Feuerchen sich nicht zu Waldbränden entwickeln“.

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Jetzt sorgfältig sondieren, sonst gibt es vier Jahre lang Streit. Quelle: dpa

Berlin Der Kanzleramtschef lässt warten. Um neun Uhr soll Peter Altmaier am Freitag beim Forum des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) reden und die Kanzlerin vertreten, die beim EU-Gipfel in Brüssel weilt. Es wird Viertel nach neun und der promiente Gast ist immer noch nicht da. Unter den Spitzenvertretern des Handwerks beginnt das Tuscheln. Läuft es bei den Jamaika-Sondierungen vielleicht doch nicht so rund? Schließlich wollen sich Union, FDP und Grüne am Nachmittag ja erstmals im großen Kreis treffen.

Mit gut einer halben Stunde Verspätung kommt Angela Merkels wichtigster Mann schließlich in den Saal des Hotels Melià an der Berliner Friedrichstraße: Er habe noch einige Telefonate führen und SMS verschicken müssen, entschuldigt sich Altmaier. „Aber es war alles für einen guten Zweck.“

So wie andere Wirtschaftszweige ist auch das Handwerk mit seinen immerhin 5,4 Millionen Beschäftigten unsicher, was die Zukunft unter einem schwarz-gelb-grünen Regierungsbündnis wohl bringen wird. Von der aktuellen Diskussion über die Zukunft der Autoindustrie etwa sind gerade viele Handwerker ganz unmittelbar betroffen, weil sie selbst ein älteres Diesel-Modell fahren. Fahrverbote in den Innenstädten würden ihr Geschäft also ganz erheblich treffen. Eine lange Wunschliste hat das Handwerk den Jamaika-Unterhändlern mit auf den Weg gegeben. Sie reicht von der Wiedereinführung der Meisterpflicht in vielen Berufen über Investitionen in ein leistungsfähiges Breitbandnetz bis hin zur Forderung nach einer Berufsschuloffensive.

Altmaier zählt die Erfolge auf, die in den vergangenen Jahren erreicht worden seien: das solide Wirtschaftswachstum, der Beschäftigungsboom, die gesunkene Arbeitslosigkeit. Diese Erfolge seien aber vor allem eine Mahnung an die Sondierungsteams, sie nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Denn Deutschland habe wirtschaftlich schließlich auch schon ganz andere Zeiten erlebt, und dahin wolle man nicht zurück.

Gewiss, man stehe derzeit in einer Situation, wo es finanzielle Spielräume gebe. 30 Milliarden Euro aus Budgetüberschüssen kann die künftige Koalition in den kommenden vier Jahren verteilen. Doch die Ausgabenwünsche der vier möglichen Jamaika-Partner summieren sich auf 100 Milliarden Euro. „Das Geld gibt sich eben leichter aus, als es verdient ist“, sagt Altmaier.

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer hatte in seiner Begrüßungsrede gemahnt, die Leistungsträger der Gesellschaft steuerlich zu entlasten. „Leistung lohnt sich wieder: Das wäre doch eine schöne Botschaft und ein starkes Signal der neuen Bundesregierung gleich zu Beginn der Legislaturperiode“, sagte Wollseifer.  


Knackpunkt Klima und Auto

Altmaier verweist auf das Unions-Wahlprogramm: 15 Milliarden Euro sollen für die Abflachung des „Mittelstandsbauchs“ reserviert werden, Kinderfreibeträge auf den Wert für Erwachsene angehoben werden. Und den Soli wollen CDU und CSU ab 2020 schrittweise auch abschaffen. Doch das Ganze müsse eben auch mit anderen Wünschen in Einklang gebracht werden. Die Grünen wollen mehr Geld für den Klimaschutz, das Handwerk für den Breitbandausbau oder bessere Bildung. 

All das müsse nun in schwierigen Verhandlungen, die nicht in 48 Stunden zu meistern seien, in Einklang gebracht werden, sagt der Kanzleramtschef. Eines sei aber klar: Die „Erfolgsstory der soliden Staatsfinanzen“ dürfe nicht aufgegeben werden. Denn Deutschland sei immer dann am erfolgreichsten gewesen, wenn die Regierung eine solide Finanzpolitik betrieben habe.

Ein paar Zückerchen für die Handwerker hat Altmaier dann auch noch dabei – etwa Entlastungen beim Mindestlohn. „Was mich bedrückt, ist die überbordende Bürokratie, die wir vielen von Ihnen zumuten“, sagt er an die Adresse der Zuhörer. Deshalb werde es hier gleich im ersten Regierungsjahr eine Entlastung geben.

Auch bei der digitalen Verwaltung könnten Wirtschaft und Bürger zu Recht mehr Tempo erwarten; in anderen Ländern ließen sich viele Dinge längst per Knopfdruck erledigen. Der Kanzleramtsminister verweist etwa auf das kleine Estland, wo Bürger eigentlich nur noch bei Geburten, Eheschließungen oder Scheidungen persönlich auf dem Amt erscheinen müssten.  

Bei der vom Handwerk geforderten Weiterbildungsoffensive dämpft Altmaier dagegen die Erwartungen. Nicht jeder Gabelstaplerfahrer werde eine Umschulung zum Mechatroniker erfolgreich abschließen. Bei der Weiterbildung sei zu klären, wer einen Anspruch haben soll, wer die Zeit zur Verfügung stellt und wer am Ende zahlt. Die Digitalisierung tauge aber nicht als Schreckgespenst, weil die Erfahrung zeige, dass bei jedem technologischen Umbruch mehr neue Jobs geschaffen würden als alte wegfielen. Aber: „Wir müssen verhindern, dass die alten Arbeitsplätze in Europa wegfallen und die neuen in Indien, China oder Amerika entstehen.“

Dass eine Jamaika-Koalition sich am Ende auf ein Einwanderungsgesetz verständigen wird, hält der Kanzleramtschef für ziemlich wahrscheinlich. Dabei verweist er auf den Passus im Unions-Wahlprogramm, dass kein Arbeitsplatz unbesetzt bleiben dürfe, weil es an Fachkräften fehle. Wie man das Ganze dann am Ende nenne und ausgestalte, werde die Zukunft zeigen.

Für kritischer hält Altmaier die Themen Umwelt und Zukunft der Autoindustrie. Es gelte, die Themen Wachstum und Klimaschutz  unter einen Hut zu bringen. „Das wird eine der größten Herausforderungen der neuen Koalition sein.“ Handwerkspräsident Wollseifer hatte in seiner Eingangsrede betont, dass es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen CDU und Grünen gebe – etwa einen Karnevalsorden, den er vor knapp zwei Jahren Altmaier und Grünen-Chef Cem Özdemir überreicht habe. Auch Altmaier erinnert an die „Pizza-Connection“, jene schwarz-grüne Kontaktgruppe, die er vor vielen Jahren bei einem schicken Italiener selbst mit ins Leben gerufen hatte.

Das alles ist allerdings Jahre her. Und es macht einen Unterschied, ob man mit den Grünen Pizza gegessen hat oder ein Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre mit ihnen schreiben will. Er sehe Chancen, dass es am Ende zu einem Jamaika-Bündnis komme, sagt Altmaier. „Ich habe ein gewisses vorsichtiges Zutrauen.“ Wichtig sei aber, jetzt in Ruhe und sorgfältig zu sondieren. Wenn man in den Gesprächen nachlässig arbeite und Unklarheiten lasse, werde man das in den folgenden Jahren mit laufendem Streit büßen. Während Altmaier redet, meldet sich schon wieder mehrfach sein Handy. Er müsse jetzt mal wieder telefonieren gehen, sagt der Kanzleramtschef zum Ende seiner Rede: „Damit sich kleine Feuerchen nicht zu Waldbränden entwickeln.“

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