Jamaika-Verhandlungen Grüne und FDP drücken aufs Tempo

FDP und Grüne sind zu Zugeständnissen in der Steuer- und Energiepolitik bereit. Das bringt Bewegung in die Jamaika-Sondierungen. Lediglich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schoss quer.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geht vor Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag in Berlin zu einer weiteren Verhandlungsrunde der Sondierungsgespräche zur Bildung einer Regierung aus CDU, CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Quelle: dpa

Berlin Die Jamaika-Sondierer wollen bis Freitag Einigung über die meisten Elemente einer gemeinsamen Regierungspolitik erzielen. Die Spitzen von CDU, CSU, FDP und Grüne beauftragten am Dienstag Expertengruppen, bis dahin Konsenspapiere zu erarbeiten. Zuvor war Bewegung in die Koalitions-Sondierungen gekommen, nachdem Grüne und FDP bei den Themen Steuern und Kohleausstieg erhebliche Zugeständnisse gemacht hatten.

So rückte FDP-Chef Christian Lindner von der Forderung nach einer Steuerentlastung um 30 bis 40 Milliarden Euro ab. Sein Vize Wolfgang Kubicki fügte hinzu, auch in der Europapolitik seien die Liberalen kompromissbereit. Die Grünen signalisierten ihrerseits bei einem Enddatum für den Verbrennungsmotor, dass sie auf Bedenken ihrer möglichen Koalitionspartner Rücksicht nehmen würden. Lediglich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt schoss quer: „Das Abräumen von Schwachsinnsterminen ist noch kein Kompromiss.“

In der zweiten Runde der Sondierungsverhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung sollen Kompromisse ausgelotet werden. „Wir schalten vom Sammel- in den Arbeitsmodus“, sagte Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nach den gut vierstündigen Beratungen am Dienstag. Am Montag hatten sich die Spitzen der vier Parteien fünfeinhalb Stunden zusammengesetzt, um die großen Themen zu definieren, die geklärt werden müssen. CDU-Chefin Angela Merkel hatte betont, dass sie eine Jamaika-Regierung wolle, zu den nationalen Klimazielen 2020 stehe und mit dem Ende der Gespräche bis zum 16. November rechne.

Die Zugeständnisse von FDP und Grünen bedeuten einen Einschnitt in den Verhandlungen. In der ersten Sondierungsrunde hatten alle vier Parteien ihre Maximalforderungen erneuert. "Wir begrüßen auch die Bewegung, die es bei Grünen zu geben scheint", sagte Lindner nun. „Ich gehe nicht davon aus, dass wir mit 8,9 Prozent es schaffen werden, zu hundert Prozent unsere Handschrift auch in der Mobilitätspolitik durchzusetzen“, räumte Grünen-Parteichef Cem Özdemir ein.

„Es geht darum zu zeigen, ob wie einerseits gemeinsame Ziele haben, auf die wir uns verabreden können, und ob andererseits jeder Partner, jede Partnerin auch in der Lage ist, kompromissfähig zu sein“, sagte seine Co-Verhandlerin Katrin Göring-Eckardt: „Wir haben das signalisiert. Jetzt ist die Zeit des Brückenbauens.“

Allerdings beklagten FDP-Politiker am Dienstag erneut ein schleppendes Tempo bei den Beratungen. „Wir haben einen sehr ambitionierten Zeitplan. Ich bin nicht sicher, dass der einzuhalten ist“, sagte Kubicki. Als Problem gilt nun die CSU, die sich beim Thema Migration nicht bewege.

Eine große Steuerreform war neben dem Soli-Abbau eine wichtige Forderung der FDP. Das Finanzministerium hatte allerdings schon früh auf den begrenzten finanziellen Spielraum für Entlastungen und die gleichzeitig auch von den Liberalen geforderten teuren Investitionen verwiesen. Der Abbau des Soli ist unter den Jamaika-Parteien nicht umstritten, lediglich das Tempo des Ausstieges.


Streitpunkt blaue Plakette

Ein Argument für die Präferenz für den Soli-Abbau gegenüber einer Einkommensteuerreform ist auch bei der FDP, dass letztere von der SPD im Bundesrat verhindert werden könnte. Dafür müsste der Bund aber die Mindereinnahmen beim Soli-Abbau allein verkraften. Lindner sagte, dass auch über weitere Entlastungen etwa für Familien gesprochen werden solle.

Die Grünen wiederum hatten Bewegung bei dem für sie zentralen Thema Klima gezeigt. Wenn es schon kein Enddatum für den Verbrennungsmotor gebe, müsse ein Jamaika-Bündnis aber nötige Maßnahmen einleiten, um eine emissionsfreie Mobilität zu erreichen, forderte Özdemir. „Dazu gehört die blaue Plakette, dazu gehört die Nachrüstung beim Diesel, dazu gehört, Anreizsysteme so zu machen steuerlich, dass es sich lohnt, emissionsfrei zu fahren“, sagte er. Vor allem die CSU und der frühere Verkehrsminister Dobrindt lehnen die blauen Plaketten und die damit aus Sicht der Union verbundenen Fahrverbote ab.

Göring-Eckardt, bekräftigte, für die Grünen stünden die Klimaziele 2020 und 2030 nicht zur Debatte. Die Grünen seien aber bereit, darüber zu reden, ob es andere als von ihrer Partei vorgeschlagene Wege gebe, um diese Ziele zu erreichen. Bei den Klimazielen geht es im Wesentlichen um eine Verringerung des Ausstoßes des Treibhausgases Kohlendioxid.

FDP-Vize Kubicki hatte zudem angedeutet, dass die Liberalen auch beim Thema Europa kompromissbereit seien. Die FDP hat bisher auf die Abschaffung des Euro-Rettungsmechanismus ESM gepocht, den etwa die Union zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen möchte. FDP-Europapolitiker Alexander Graf Lambsdorff sagte, die FDP setze auf die finanzpolitische Eigenverantwortung der Euro-Mitglieder. Die FDP fordere weiter einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Dies ist ein Streitpunkt mit den Grünen.

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