Joachim Gauck Vom Pastor zum Bundespräsidenten

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"Dunkeldeutschland" und mehr "Demokratie wagen"

Bis zur Wende 1989 arbeitet Gauck als Pastor in Rostock, gehörte zu den Mitbegründern der Bürgerbewegung Neues Forum. 1990 wird er Abgeordneter der ersten frei gewählten Volkskammer und leitete den „Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit“.

Daraus wird dann das Amt, das Gauck berühmt machen sollte: „Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“. Neun Jahre bleibt er in dieser Funktion. Danach ist er als freischaffender Redner tätig, zeitweise auch als Fernsehmoderator.

Das sind die möglichen Gauck-Nachfolger

2010, Horst Köhler ist völlig überraschend zurückgetreten, wird Gauck zum Kandidaten von Rot-Grün für die Nachfolge. Die Kandidatur ist populär, findet breite Unterstützung auch im bürgerlichen Lager. Doch am Ende gewinnt der CDU-Mann Christian Wulff im dritten Wahlgang. Erst 20 Monate später, nach Wulffs Abgang, ist es dann so weit. Gauck wird mit den Stimmen aller Parteien mit Ausnahme der Linken gewählt.

Gauck widerstand von Anfang an der Versuchung, sich wie einige seiner Vorgänger als Sprachrohr der Politikverdrossenen zu profilieren. Immer wieder musste er aber zu dem Satz Zuflucht nehmen, er wolle und dürfe sich nicht in die exekutive Politik einmischen. Daran hielt er sich, auch im Ausland, auch wenn seine ersten vier Jahre durchaus von äußeren Konflikten geprägt waren. Die Finanz- und Schuldenkrise in Europa, die Annexion der Krim, der folgende Konflikt in der Ukraine, dann der Bürgerkrieg in Syrien und die Flüchtlingskrise.

Nicht immer hat Gauck in der Flüchtlingsfrage eine klare Haltung bezogen, jedenfalls keine leicht verständliche. Von „Dunkeldeutschland“ sprach er angesichts fremdenfeindlicher Gewalt, aber er warnte auch eher als andere vor naivem Optimismus. „Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich“, sagte er am 3. Oktober 2015, dem Tag der Deutschen Einheit.

Bei aller Sorge über den Aufstieg der rechtspopulistischen AfD, blieb er bei seiner Botschaft, Deutschland müsse sich etwas zutrauen, auch mehr „Demokratie wagen“. Bewusst zitierte er damit am Tag des Grundgesetzes am 23. Mai den SPD-Kanzler Willy Brandt. Leicht sei das nicht, fügte er hinzu, aber Spannungen und Meinungsunterschiede müsse eine Demokratie eben auch ertragen können.

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