Jobwunder Deutschland Warum der Arbeitsmarkt wieder brummt

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Maschinenbaubetrieb Zwick Roell

Vielerorts drohen zudem noch Spätfolgen der Krise in Unternehmen, deren Markt enger geworden ist und die nun, Kurzarbeit hin oder her, ihre Kapazitäten anpassen müssen. Allein 800 Arbeitsplätze will etwa der Kolbenbauer Mahle streichen, beim Klimaanlagenhersteller Behr stehen mehr als 400 Jobs zur Disposition.

Dass es zu früh ist, rosige Zeiten für Arbeitnehmer auszurufen, zeigt auch der Blick ins Kleingedruckte der Jobstatistik. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ging im ersten Quartal 2010 um 1,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zurück – die Zahl der Teilzeitjobs hingegen kletterte um 1,7 Prozent auf über 12,3 Millionen. Viele neue Jobs tragen überdies ein Verfallsdatum. Rund 50 Prozent aller neuen Arbeitsverträge werden mittlerweile befristet, berichtet IAB-Experte Spitznagel. Auch die ifo-Umfrage für die WirtschaftsWoche zeigt: Nur 37 Prozent der neu geplanten oder jüngst geschaffenen Stellen sind unbefristete Vollzeitjobs.

Verträge oft nur befristet

Auch wenn die Betriebe viele befristete Verträge später in Vollzeitstellen umwandeln, spiegelt diese Praxis die Unsicherheit über den weiteren Konjunkturverlauf wider. „Neue Stellen werden wir zunächst generell befristen“, sagt etwa Stefan Wolf, Vorstandsvorsitzender von ElringKlinger in Dettingen. Seitdem die Aufträge aus Asien und Nordamerika wieder kräftig anziehen, hat der Automobilzulieferer bereits 30 neue Mitarbeiter befristet eingestellt. Weitere sollen folgen. Und wenn es wieder schlechter läuft, nun gut, dann laufen diese Verträge eben einfach aus.

Diese Personalstrategie ist kein temporäres Krisenphänomen – sondern ein genereller Trend in der Arbeitswelt. Viele Ökonomen sagen voraus, dass wir uns künftig auf ein weit schnelleres und hektischeres Auf und Ab der Wirtschaft einstellen müssen als in der Vergangenheit. Eine höhere Volatilität der Konjunktur könnte dabei nicht nur die Risikofreude und Investitionslust der Unternehmen bremsen, sondern auch die Personalpolitik in den Betrieben umkrempeln: Die Chance, einen festen Job mit geregelten Arbeitszeiten zu bekommen, droht weiter zu sinken – selbst wenn die Wirtschaft brummt. Welcher Unternehmer stellt schon neue Leute ein, wenn ständig hinter der nächsten Ecke der Abschwung lauert? Stattdessen dürfte das zunehmen, was Experten „atypische Beschäftigungsverhältnisse“ nennen: Teilzeitjobs, Mini-Jobs, befristete Stellen.

Auslaufmodell Vollzeitjob?

Schon jetzt sind Beschäftigungsformen jenseits des Vollzeitjobs fester Bestandteil des Arbeitsmarkts. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts ist der Anteil der Normalarbeitsverhältnisse in Deutschland zwischen 1998 und 2008 von 72,6 auf 66 Prozent gefallen. Der Anteil atypischer Jobs kletterte dagegen von 16,2 auf 22,2 Prozent. Dass sich dieser Trend während der Rezession umgekehrt hat, ist wenig wahrscheinlich.

Das muss nicht unbedingt schlecht sein. Teilzeitverträge können die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Und so mancher Langzeitarbeitslose hätte ohne den Umweg über die Zeitarbeit nie einen Job gefunden. Die zunehmende Segmentierung wird aber ein ökonomisches Problem, wenn Vollzeitstellen massenweise in Mini- und Midi-Jobs aufgesplittet werden und Arbeitnehmer ihre Lebens- und Berufsplanung nur noch in Zwei-Jahres-Rhythmen machen können.

Und dann dürften auch die monatlichen Pressekonferenzen von BA-Chef Frank-Jürgen Weise wieder weniger entspannt ablaufen als am kommenden Mittwoch.

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