Justiz Die fragwürdigen Nebenverdienste der Richter

Seite 5/8

Befangenheitsantrag gegen sämtliche Richter

Was Berufseinsteiger verdienen
Wer Sprach- und Kulturwissenschaften studiert hat, der verdient beim Einstieg rund 32.864 Euro. Quelle: dapd
Wer beruflich mit Farben, Rastern etc. zu tun hat, der bekommt seine Tätigkeit relativ moderat vergütet. Der Einstiegsgehalt im Bereich Grafik/Design beträgt 33.166 Euro. Quelle: Fotolia
Studenten Gesellschafts- und Sozialwissenschaften können sich auf ein Einstiegsgehalt von etwa 34.287 Euro einstellen. Quelle: dpa
Wer beruflich den Lehren des großen Psychoanalytikers Sigmund Freud nachgeht, bezieht als Psychologe ein Einstiegsgehalt von 40.099 Euro. Quelle: dpa
Studenten der Wirtschaftswissenschaften dürfen sich sogar über ein Einstiegsgehalt von 43.309 Euro freuen. Quelle: dpa
Die von vielen gefürchtete Welt der Zahlen und Formeln wird sogar noch besser vergütet. Mathematiker/Informatiker beziehen ein Einstiegsgehalt von 45.529 Euro. Quelle: dpa/dpaweb
Studenten der Rechtswissenschaften bekommen bei ihrem Berufseinstieg etwa 46.468 Euro Gehalt. Quelle: dpa

Das sieht sich mit einer pikanten Situation konfrontiert: Schwalb und seine Anwälte haben einen Befangenheitsantrag gegen sämtliche Richter am Bundesverwaltungsgericht gestellt. „Wenn sie das Urteil gegen das Verfassungsgericht bestätigen, hat das auch Auswirkungen auf ihre eigenen Nebentätigkeiten“, sagt Schwalb. Die Verwaltungsrichter haben den Antrag zurückgewiesen und werden in den nächsten Monaten entscheiden. Der Antrag sei zwar nicht offenkundig rechtsmissbräuchlich, allerdings bleibe dem Gericht gar nichts anderes übrig, als zu entscheiden: Da das Bundesverwaltungsgericht die höchste Instanz ist, steht kein Richter mehr zur Verfügung, wenn alle befangen sind. Außerdem seien die Vermarktungserlöse nicht so hoch, dass sie die Richter in ihrer Unabhängigkeit beeinflussen könnten.

So ähnlich äußern sich auf Nachfrage auch die anderen Gerichte: keine große Sache mehr. „Die Goldenen Zeiten sind vorbei“, sagt ein vor nicht allzu langer Zeit ausgeschiedener BGH-Richter, „auch die Gerichte bekommen zu spüren, dass bei Verlagen das Geld nicht mehr so locker sitzt.“ Genaue Zahlen gibt es nicht. Der Richterverein am Bundesverfassungsgericht teilt mit, dass er seinen Wirtschaftsbetrieb zum 31. Dezember 2013 sogar eingestellt hat – weil er sich nicht mehr lohnt. Die Richter am Bundesgerichtshof aber stritten sich schon mal darum, wer sich wie viele Krümel in die Tasche stecken darf.

Von Mäßigung keine Spur

Die BGH-Richter haben einen gemeinsamen Richterverein mit der Bundesanwaltschaft. Als nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zehn Sonderermittler zur Terrorbekämpfung eingestellt wurden, wollten die Altmitglieder die Neulinge nicht an ihre Pfründe lassen. Da die Sonderermittler nicht an Revisionsverfahren beteiligt sind, sollten sie auch nicht an den Ausschüttungen der Herausgebergemeinschaft aus der Urteilsvermarktung beteiligt werden, vermerkt das Protokoll der Richterverein-Mitgliedsversammlung 2003. Immerhin, für ein kleines Trostpflaster waren die Bundesrichter noch milde genug gestimmt: Wenn die Sonderermittler schon nicht mit kassieren dürfen, dann müssen sie auch nur einen ermäßigten Mitgliedsbeitrag an den Verein zahlen.

Mäßigung, wie im Ethikkodex des Richterbunds gefordert, spricht jedenfalls nicht aus dem Verhalten der BGH-Richter. Intern gab es zudem immer wieder Auseinandersetzungen wegen der Nebentätigkeiten, was durchaus ein Verdienst des im Januar pensionierten BGH-Präsidenten Klaus Tolksdorf ist. „Tolksdorf hat versucht, die Nebentätigkeiten einzudämmen“, sagt einer, der unter dem kürzlich ausgeschiedenen Präsidenten Senatsvorsitzender war, „damit hat er sich bei vielen Richtern nicht gerade beliebt gemacht.“ Es fällt ja auch schwer, sich von lieb gewonnenen Verdienstmöglichkeiten zu trennen.

Diese Einstellung steht symptomatisch dafür, wie erstaunlich leichtfertig weite Teile der deutschen Richterschaft über die Problematik der Nebeneinkünfte hinweggehen. Verhaltensweisen, die Akteuren in Politik und Wirtschaft mindestens den Vorwurf der Kungelei, Mauschelei oder Gier einbrächten, werden vielfach gar nicht als Problem wahrgenommen. Richterbund-Vertreterin Titz jedenfalls vertraut auf die innere Einstellung ihrer Kollegen. „Richter wissen, welch große Bedeutung der richterlichen Unabhängigkeit zukommt. Nur im Bewusstsein dieser Verpflichtung lässt sich verhindern, dass sich eine Nebentätigkeit auf die unabhängige richterliche Entscheidung auswirkt.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%