Justiz Reformen im Sexualstrafrecht gefordert

Über mehrere Jahre schauten sich Experten das Sexualstrafrecht genau an. Dazwischen fiel die Kölner Silvesternacht – und eine eilige Strafverschärfung. Die Fachleute sehen noch einigen Änderungsbedarf.

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Der Abschlussbericht einer Kommission sieht noch dringende Änderungen vor. Quelle: dpa

Tübingen/Berlin Das im Vorjahr verschärfte Sexualstrafrecht sollte nach Expertenansicht nochmals überarbeitet werden. Das empfiehlt eine Kommission, die seit 2015 über eine Weiterentwicklung beriet und am Mittwoch ihren Abschlussbericht Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) überreichte. Der Ressortchef sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin, die vergangenen Reformen, auch in dieser Wahlperiode, seien richtig gewesen. Der Expertenbericht sei nun eine gute Grundlage für weitere gesetzgeberische Schritte in der nächsten Legislaturperiode.

Das Justizministerium hatte die Expertenrunde 2015 eingesetzt, damit sie Vorschläge für eine grundsätzliche Überarbeitung des Sexualstrafrechts macht. Dazwischen kam die Silvesternacht in Köln, wo es zu zahlreichen Übergriffen von Migranten auf Frauen kam. Die Bundesregierung brachte daraufhin 2016 eilig eine Verschärfung des Sexualstrafrechts auf den Weg.

Demnach macht sich nicht nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es soll ausreichen, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt. Dann drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Neu ist auch ein Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Unter Strafe gestellt wurden zudem Straftaten aus einer Gruppe heraus wie bei den Übergriffen in Köln.

Die Expertenrunde gibt in ihrem 1400 Seiten starken Abschlussbericht Empfehlungen für umfangreiche Änderungen. Die Fachleute raten auch zu einer Überarbeitung der jüngsten Reform, mit der das Prinzip „Nein heißt Nein“ festgeschrieben wurde.

Einer der Experten, der Tübinger Juraprofessor Jörg Eisele, sagte der Deutschen Presse-Agentur zu dieser jüngsten Änderung, es wäre „sinnvoll gewesen, den Abschlussbericht abzuwarten“. Aufgrund des Drucks „verschiedener gesellschaftlicher Gruppen“ sei es letztlich aber zu einer zügigen Reform des Vergewaltigungstatbestands gekommen.

„Die Reform hat die meisten Regelungslücken geschlossen“, sagte Eisele, allerdings seien die Erwartungen zu hoch gewesen, etwa bei der Ahndung sexueller Übergriffe. „Wir werden im Einzelfall immer Schwierigkeiten bei der Beweisführung nach einem sexuellen Übergriff haben. Es sind nun etwa keine Gewaltspuren mehr erforderlich. Um den entgegenstehenden Willen zu bekunden, reicht ein erkennbares 'Nein' aus. Aber wenn es ein Nachweisproblem gibt, gilt der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten.“ An einigen Stellen seien noch Nachbesserungen nötig.

Eisele sagte, es brauche generell größere Änderungen in diesem Gesetzesbereich. „Das Sexualstrafrecht stammt in größeren Teilen noch aus den 70er-Jahren, deshalb ist noch eine größere Reform notwendig.“ Bei der Verbreitung von Pornografie zum Beispiel liege der Schwerpunkt des Gesetzes auf Druckzeitschriften und Filmvorführungen. „Das hat praktisch kaum noch Relevanz.“

Maas sagte, im Sexualstrafrecht sei in den vergangenen Jahren vieles verändert worden. „Und da gibt es auch Unwuchten, die entstanden sind. Das systematisch noch einmal stärker aufeinander abzustimmen, ist sicherlich eine Aufgabe für eine Reform des Sexualstrafrechts in der nächsten Legislaturperiode.“ Der Abschlussbericht der Kommission sei dafür eine gute Grundlage.

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