Im juristischen Streit um die Sondererlaubnis für die Fusion der Supermarktketten Edeka und Kaiser's Tengelmann übt das Oberlandesgericht Düsseldorf erneut scharfe Kritik an Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Der Kartellsenat bekräftigt in einem vorliegenden Beschluss vom 20. Juli die Besorgnis, Gabriel sei bei seiner Entscheidung für die Ministererlaubnis befangen gewesen.
Zudem hätten Gabriel und seine Beamten im vergangenen Dezember ein von Edeka-Anwälten ausgearbeitetes Papier, in dem Einwände gegen ein Übernahmeangebot des Edeka-Konkurrenten Rewe erhoben wurden, anderen Verfahrensbeteiligten nicht zur Kenntnis gegeben. Ein Gerichtssprecher wollte sich dazu nicht äußern, da es sich um einen "verfahrensinternen Vorgang" handele.
Das Oberlandesgericht hatte die Sondererlaubnis Gabriels für die Mega-Fusion im deutschen Lebensmittelhandel in einer Eilentscheidung am 12. Juli für rechtswidrig erklärt und sie zunächst außer Kraft gesetzt. Gabriel habe "über die Erteilung der Erlaubnis nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten im Erlaubnisverfahren die Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität begründe", hieß es damals. Gabriel hatte die Kritik entschieden zurückgewiesen und rechtliche Schritte gegen den Gerichtsentscheid angekündigt.
Der Senat habe Akten des Bundeswirtschaftsministeriums zum Ministererlaubnisverfahren weiter ausgewertet, heißt es in dem neuen Beschluss weiter. Der Minister habe im Dezember 2015 "unter Ausschluss aller anderen Beteiligten des Ministererlaubnisverfahrens insgesamt zwei Gespräche mit den Verantwortlichen von Edeka und Kaiser's Tengelmann geführt", erklärten die Richter.
Ministererlaubnis
Formell muss nach dem Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) mindestens einer der Beteiligten eines Fusionsprojekts nach dessen Untersagung durch das Bundeskartellamt die Ministererlaubnis beantragen. Er kann dies innerhalb von einem Monat nach der Zustellung des Verbots der Wettbewerbswächter tun. Innerhalb von vier Monaten nach Eingang des Antrags soll der Minister entscheiden. Wird eine Erlaubnis erteilt, kann sie mit Bedingungen und Auflagen verbunden sein. Die Entscheidung ist aber gerichtlich anfechtbar.
Voraussetzung für einen solchen Antrag ist ein öffentliches Interesse an dem Zusammenschluss. Nach dem GWB muss die Fusion gesamtwirtschaftliche Vorteile bieten und/oder durch ein "überragendes Interesse" der Allgemeinheit gekennzeichnet sein. Diese übergeordneten Vorteile müssen die Nachteile für den Wettbewerb aufwiegen, wegen derer das Bundeskartellamt sein Veto einlegte. Auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Auslandsmärkten soll berücksichtigt werden.
An dem Verfahren für eine Ministererlaubnis werden auch Personen und Gruppen beteiligt, deren Interessen durch die Fusion erheblich berührt werden. Dazu gehören etwa Arbeitnehmer, Verbände, aber auch Konkurrenten. Vor einer Entscheidung über eine Ministererlaubnis muss die Monopolkommission - ein Expertengremium, das die Bundesregierung bei Wettbewerbsfragen berät - eine Stellungnahme abgeben. Deren Einschätzung ist allerdings nicht bindend. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zudem muss es eine öffentliche mündliche Anhörung geben.
Seit Schaffung des Instruments und damit seit 1974 wurde in 21 Fällen eine Ministererlaubnis beantragt. Die Erfolgsbilanz ist gemischt. Wiederholt wurde eine Erlaubnisantrag im Verlauf des Verfahrens wieder zurückgezogen. Zuletzt war ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich - Uniklinikum Greifswald/Kreiskrankenhaus Wolgast - im Jahr 2008 vom Minister genehmigt worden. Der bislang letzte spektakuläre Fusionsfall, bei dem eine Ministererlaubnis den Weg - wenn auch mit Auflagen - freimachte, war der der Energiefirmen E.ON und Ruhrgas im Jahr 2002. Dagegen wurde 2003 ein Antrag für ein Zusammengehen der Verlage Holzbrinck/Berliner Verlag zurückgezogen, nachdem die Monopolkommission im Zuge des Verfahrens empfohlen hatte, die Ministererlaubnis zu versagen.
Da sich in den Akten des Ministeriums keine Vermerke über Ablauf und Inhalt der Gespräche fänden, sei unklar, ob Gabriel Einzelgespräche mit den Konzernchefs geführt habe und ob Beamte des Ministeriums zugegen gewesen seien. "Für die vom Senat angenommene Besorgnis der Befangenheit" sei es "ohne jeden Belang, ob neben dem Bundesminister auch die verfahrensführenden Beamten (...) an den Unterredungen teilgenommen haben". Denn die Besorgnis der Befangenheit resultiere schon daraus, dass Gabriel die Gespräche gegenüber Rewe und anderen Verfahrensbeteiligten geheim gehalten habe.