Kampf gegen Terroristen Die Hürden für eine Ausbürgerung sind hoch

Frankreichs Präsident Francois Hollande will Terroristen die Staatsbürgerschaft entziehen. Dem stehen in Deutschland erhebliche rechtliche Widerstände entgegen.

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Folgen des Terrorismus: Ausbürgerung per Gesetz. Quelle: imago images

Nach den Anschlägen in Paris im November 2015 - 130 Menschen wurden ermordet – wollte die französische Regierung Härte zeigen und die Anti-Terror-Gesetze verschärfen. Allerdings hat Staatspräsident Francois Hollande mit dem Vorschlag, Terroristen die französische Staatsbürgerschaft zu entziehen, einen heftigen Streit ausgelöst. Vor allem in seiner eigenen Sozialistischen Partei ist die Empörung groß.

Die Bevölkerung ist aber Umfragen zufolge mit großer Mehrheit dafür. Die geplante Maßnahme beträfe allerdings ohnehin nur gebürtige Franzosen mit doppelter Staatsbürgerschaft. Die französische Staatsbürgerschaft soll nur dann entzogen werden können, wenn der „Verurteilte“ dadurch nicht staatenlos wird.

Eine Weltneuheit wäre Hollandes Plan keineswegs: In Ländern wie Großbritannien, Kanada und den Niederlanden ist es schon jetzt möglich, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft auszubürgern - und zwar unabhängig davon, ob die Person im Land geboren oder erst im Laufe des Lebens eingebürgert wurde.

Frankreich und der Terror

Staatenlosigkeit ist an sich eine Absurdität, doch eine die ganz real existiert: Millionen Menschen haben keine Staatsangehörigkeit und daher auch keinen staatlichen Schutz von Bürgerrechten. Durch den Besitz einer Staatsbürgerschaft entsteht immer ein besonderes Rechtsverhältnis einer Person zum jeweiligen Staat. Ein Verhältnis, das durch besondere Rechte und Pflichten gekennzeichnet ist. „Staatenlosigkeit macht die Betroffenen glauben, dass bereits ihre Existenz ein Verbrechen ist,“ sagt António Guterres, der von 2005 bis 2015 Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen war.

Staatenlosigkeit hat viele Gründe

Dass ein Mensch staatenlos ist, kann viele Ursachen haben – und ist oft das Ergebnis des Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Ursprüngliche Gründe sind meist Staatsauflösungen oder die Abtretung eines Teils des ehemaligen Staatsgebietes. So kann schon ein neugeborenes Kind staatenlos sein, wenn die Herkunft der Eltern nicht eindeutig geklärt ist. Den Verlust der Staatsbürgerschaft bestimmt dabei die jeweilige nationale Gesetzgebung.

Staatenlosigkeit kommt deshalb weltweit vor: „Seit dem Zerfall der UdSSR und des früheren Jugoslawien gibt es auf beiden Territorien ebenfalls zahlreiche Staatenlose“, sagt Holger Hoffmann, Professor für Staatsrecht an der FH Bielefeld. Die damals neu entstandenen Staaten erklärten nur Menschen zu Staatsangehörigen, die bereits zur Zeit der Staatsgründung dort  lebten oder – wenn im Ausland ansässig - sich innerhalb einer bestimmten Frist bei der Botschaft meldeten und die Einbürgerung beantragte. „Viele Minderheitsangehörige taten das nicht – und wurden so staatenlos“, erklärt Hoffmann.

In Deutschland gibt es derzeit knapp 14.000 Staatenlose – oft Menschen, die aus Kriegsgebieten geflüchtet sind. Die vergleichsweise geringe Zahl liegt nicht zuletzt auch daran, dass in der Bundesrepublik schon seit den Siebzigerjahren „erleichterte Einbürgerungsvoraussetzungen“ gelten, um die Staatenlosigkeit ganz zu beenden.

Deutsche dürfen nicht gegen ihren Willen staatenlos werden

Der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft ist dagegen nicht einfach möglich. Denn einem Deutschen darf die Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden, wenn er dadurch staatenlos wird. „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird“, heißt es im Artikel 16 des Grundgesetzes. Das heißt, Deutsche können aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen werden oder sie zurückgeben, wenn sie sich in einem Staat einbürgern lassen. Sie dürfen aber keinesfalls staatenlos werden.

Ein Entzug der Staatsangehörigkeit kommt sehr selten vor. Möglich ist das zum Beispiel, wenn ein deutscher Neubürger bei seiner Einbürgerung gelogen hat – und damit die Vorrausetzungen für die deutsche Staatsbürgerschaft nicht erfüllt. Das sind etwa ausreichende Deutschkenntnisse, der Einbürgerungstest, aber auch die Sicherung des Lebensunterhalts ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld.

Ob falsche Angaben gemacht wurden, lässt sich im Nachhinein oft nur schwer nachweisen. Wird zum Beispiel jemand verdächtigt, einer terroristischen Vereinigung anzugehören, muss der Staat beweisen, dass er dieser schon bei seiner Einbürgerung nahe stand.

Frankreich plant Verfassungsänderung

Es wird effektiv unter diesen rechtlichen Voraussetzungen kaum möglich sein, einem deutschen Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, wie es auch in Deutschland diskutiert wird, seit Frankreichs Präsident ankündigte, dies mit einer Verfassungsänderung ermöglichen zu wollen.

Im Falle von Straftaten, die im Kontext des internationalen Terrorismus begangen werden, wird statt der Ausbürgerung häufiger der Entzug bestimmter Rechte angewendet: So kann etwa der Zugriff auf das eigene Vermögen beschränkt oder Reisedokumente einbehalten werden, so dass mutmaßliche Terroristen schon an der Ausreise nach Syrien oder in den Irak gehindert werden. Damit hat Deutschland die UN-Resolution gegen "foreign fighters" umgesetzt. Die Resolution verpflichtet die Mitgliedsstaaten, Gesetze gegen die Ausreise solche Kämpfer zu erlassen.

Dafür wurde in Deutschland der Strafrechtsparagraf 89a reformiert. Damit war die Ausbildung in sogenannten Terrorcamps unter Strafe gestellt worden. Auch die gerade angekündigte Obergrenze für Barzahlungen ist Teil dieser Maßnahmen: Denn Bargeld ist neben Prepaidkarten ein wichtiges Mittel für die Terrorfinanzierung.

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