Die Angler aus München haben da offenbar eine andere Philosophie. "Holladiria, holla di ra - there is no other place than bavaria", singt eine blonde Frau im Dirndl. Sie steht vor einer holzgetäfelten Wand in der Messe München an der künstliche Hirschgeweihe hängen, irgendwer hat aus Bretzelteig ein „Google“ geformt und daneben gehängt. Auf den Stühlen im Auditorium sitzen vielleicht 60 junge Unternehmer. Franz Glatz betritt die Bühne. Er ist Geschäftsführer des „Werk 1“, des Gründerzentrums der bayerischen Landeshauptstadt. Er soll hier auf der Start-up-Messe „Bits’n Pretzels“ die Briten für den Freistaat einnehmen. "I am Franz and I bought the first Lederhosen of my life for this event", sagt er.
Glatz ist in Bayern groß geworden. Er hat schon als Bub Lederhose getragen. Aber es kommt natürlich besser, wenn man sich etwas gemein macht mit den Neuen. Glatz sagt den Gründern, er arbeite für eine bessere Welt, bringe Ideen mit Investoren zusammen. „Wenn ihr jeden Tag in Lederhosen arbeiten wollt – kommt zu uns.“
Einen Tag später sitzen 5000 Startup-Unternehmer im Schottenhammel-Zelt auf dem Oktoberfest und stemmen noch vor zehn Uhr morgens Maßkrüge. Tatsächlich tragen die meisten Lederhosen und Dirndl. So mancher Neuling muss auf der Herrentoilette erst lange nesteln, um den Latz richtig zu öffnen. Gesprochen wird ein babylonischer Kanon aus bayrisch, deutsch und englisch. Die Stimmung ist ausgelassen. Nicht ausgeschlossen, dass sich viele Briten hier tatsächlich wohlfühlen.
Es ist die vielleicht verquerste Methode der Gründerwerbung: Gleichzeitig die lauteste – und die leiseste. Denn während andere Kommunen mühsam versuchen, all ihre kulturellen und wirtschaftlichen Vorzüge in möglichst symbolträchtige Genstände zu verpacken und in der Ferne feilzubieten wie einst fliegende Händler bei Hofe, haben sie sich in München entschieden still zu halten. Kein Bürgermeister reist nach London. Keine Wirtschaftsministerin tritt auf Konferenzen auf. Stattdessen fliegt man ein paar ausgesuchte Gründer ein, die hoffentlich anschließend daheim und auf Twitter von den blau-weißen Gastfreuden erzählen. „Wir versuchen es mit dem Florett“, heißt es bei der Wirtschaftsförderung dazu.
Am Rand des Festzeltes steht Münchens Wirtschaftsbürgermeister Josef Schmid. Ein kerniger CSU-Bayer in ordentlich speckigen Lederhosen, der mit breitem Akzent spricht. „Die bayerische Lebensart, die hohe Lebensqualität hier, das steht doch für sich. Das ist schon was wert.“ In Berlin fänden junge Menschen doch höchstens Büroräume mit „Abrisscharme“. Aber die großen Konzerne seien doch hier, bei ihm. Und genau die brauche man als Gründer nach der ersten Phase, „jemanden der investiert, jemanden mit Kapital.“
München jedenfalls habe keine große Werbung nötig, keinen Popup-Store wie Berlin. „Mir ist überhaupt nicht bange. Wir haben nach dem Brexit eine große Chance. Die Startups schätzen unsere Zurückhaltung. Unser Leuchtturm ist das hier“, sagt Schmid und zeigt durchs Schottenhammel-Festzelt. Er wirkt zufrieden. Aber er hat ja heute auch Geburtstag. Da genehmigt er sich gleich noch eine Maß.