Kanzlerkandidat Schulz „Wahlkampf bis zur letzten Sekunde“

Aufbruchsstimmung in der SPD: Nach dem Rückzug von Sigmar Gabriel ist Martin Schulz nun der Kanzlerkandidat der Partei. Und der Genosse hat auch schon einen Plan für seinen Wahlkampf.

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Der Hoffnungsträger der SPD: Martin Schulz fordert Angela Merkel heraus. Quelle: AFP

Berlin Die SPD setzt nach den Worten des künftigen Parteichefs und Kanzlerkandidaten Martin Schulz bei der Wahl auf Sieg. Die Sozialdemokraten wollten, „in welcher Konstellation auch immer“, den Bundeskanzler stellen, sagte Schulz am Mittwoch nach einer Fraktionssitzung in Berlin. Bis zur Wahl werde seine Partei den Koalitionsvertrag mit der Union erfüllen. Aber die SPD werde im Wahlkampf auch eigene Akzente und Erfolge in der Regierung machen. Die SPD trete an, um die Bundesregierung anzuführen. „Da müssen sich unsere zukünftigen Koalitionspartner orientieren an unseren Inhalten“, sagte Schulz.

Die Aufgabe des künftigen Außenministers Sigmar Gabriel ist es laut Schulz, Europa zusammenzuhalten. Fraktionschef Thomas Oppermann machte deutlich, dass Vizekanzler Gabriel sich nun Schulz unterzuordnen hat: „Er wird im Wahlkampf eine dienende Rolle spielen“, so Oppermann. Schon bei Schulz´ Auftritt herrschte laut Oppermann „eine Aufbruchsstimmung in der Fraktion“. Er sprach von einem „erfolgreichen Startschuss für ein Wahljahr“. Schulz habe den vollen Rückhalt der Fraktion.

Der bisherige EU-Parlamentspräsident unterstrich, dass unter seiner Führung das Schicksal Europas, der Kampf gegen Rechtspopulisten und für die Demokratie einen großen Stellenwert einnehmen sollen.

Schulz selber hatte noch nie ein Regierungsamt. Umso bemühter war er, seine Erfahrungen als Bürgermeister seiner Heimatstadt Würselen und als Fraktionschef im Europa-Parlament hervorzuheben. Er rief außerdem seine Partei auf, trotz schlechter Umfragen selbstbewusst in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. „Wenn wir Sozis den Menschen zeigen, dass wir an sie denken, dann gewinnen wir die Wahl“, sagte er. Es gebe viele Menschen, die sich erst ganz zum Schluss vor der Wahl entscheiden würden, was sie wählen. Daher lohne sich ein Wahlkampf bis zur letzten Sekunde, wurde Schulz von Teilnehmern zitiert. Außerdem soll er um Unterstützung gebeten haben. „Ich hoffe, dass wir die vor uns liegenden Monate gemeinsam gehen“, sagte der 61-Jährige demnach. „Ihr könnt auf mich bauen.“

SPD-Linke setzen für eine Regierungsmehrheit nach der Bundestagswahl am 24. September auf ein Bündnis mit Grünen und der Linkspartei. Der scheidende SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte auch die Möglichkeit einer Ampelkoalition von SPD, FDP und Grünen ins Gespräch gebracht.


IG Metall reagiert zurückhaltend

In der Fraktion wurde auch Kritik an Gabriel laut. Viele Abgeordnete hätten sich laut Oppermann gewünscht, von der Nominierung des Kanzlerkandidaten nicht aus den Medien zu erfahren. Aber der Fraktionschef rief die Abgeordneten auch dazu auf, sich nun auf den Wahlkampf zu konzentrieren. „Das war gestern. Ab heute heißt es: Nicht mehr lamentieren, sondern kämpfen“, zitierte ihn eine Teilnehmerin. Die Fraktion stehe mit „Frau und Mann“ hinter Martin Schulz. „Martin, Du sprichst die Sprache der Menschen, und deswegen erreichst Du sie.“

Gabriel selbst erklärte vor der Fraktion, die Personalien seien so entschieden worden, damit es acht Monate vor der Wahl so wenig Unruhe wie möglich in der Partei gebe. Gabriel wird Außenminister und Nachfolger von Frank-Walter Steinmeier, der am 12. Februar zum Bundespräsidenten gewählt werden soll. Gabriel nimmt aus dem Wirtschaftsministerium seinen Vertrauten Rainer Sontowski mit ins Auswärtige Amt. Der 57-jährige Gabriel bleibt Vizekanzler. Neue Wirtschaftsministerin wird die frühere Justizministerin Brigitte Zypries.

Deutschlands größte Gewerkschaft IG Metall hat auf die geplante SPD-Kanzlerkandidatur von Martin Schulz zurückhaltend reagiert. Der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann sagte am Mittwoch in Berlin, er warne vor einer zu starken Personalisierung. Man werde sich mit Schulz genauso wie mit dem scheidenden SPD-Chef Sigmar Gabriel austauschen. „Da sind wir mit allen Parteien in der gleichen Debatte.“ Wesentlich sei, wie sich die Parteien in ihren Programmen den Fragen der Gewerkschaft stellten.

Die Union hat kritisch auf die Ministerrochade der SPD reagiert. Vor allem die geplante Ernennung von Brigitte Zypries zur Bundeswirtschaftsministerin sorgte für Kritik. „Von Frau Zypries sind in den letzten neun Monaten vor ihrem Ruhestand sicherlich keine neuen Impulse zu erwarten“, sagte die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön. „Wir haben mit Trump, der Digitalisierung und Globalisierung so wichtige wirtschaftspolitische Themen, dass sich Deutschland nicht fast ein Jahr lang so einen Waberzustand erlauben kann.“ Und der der wirtschaftspolitische Sprecher der Union, Joachim Pfeiffer, sagte: „Die SPD gibt damit das Signal, das derzeit zentrale Problemfeld der Wirtschafts- und Handelspolitik aufzugeben.“

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