„Katastrophales Zeugnis“ SPD gibt Schwarz-Gelb Schuld für Energiewende-Chaos

Eine Handelsblatt-Studie hat Mängel der deutschen Energiewende aufgedeckt. Die SPD räumt eine zögerliche Umsetzung ein, macht dafür aber die abgewählte schwarz-gelbe Bundesregierung verantwortlich.

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Gegenwind für die Bundesregierung: Aktivisten von BUND und campact protestieren vor dem Bundeskanzleramt gegen die EEG-Reform. Quelle: dpa

Berlin Aus Sicht der nordrhein-westfälischen SPD hat Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in den vergangenen Jahren nur wenige Fortschritte in der Energie- und Klimapolitik gemacht. Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der SPD im Düsseldorfer Landtag, Thomas Eiskirch, bestätigte damit das Ergebnis einer Handelsblatt-Studie. Zugleich machte der SPD-Politiker die frühere Bundesregierung für die Defizite bei der Umsetzung der Energiewende verantwortlich.

Die Handelsblatt-Studie „Neue Impulse für die Energiewende – Was die deutsche Energiepolitik aus dem internationalen Vergleich lernen kann“, die vergangene Woche veröffentlicht wurde, vergleicht insgesamt 24 Volkswirtschaften von OECD- und BRICS-Ländern nach ihren Fortschritten bei der Energie- und Klimapolitik.

Eiskirch sagte dazu Handelsblatt Online, mit der Feststellung der Studienautoren, „dass die Bundesrepublik in den vergangenen fünf Jahren kaum mit dem Aufbau eines gleichzeitig klimafreundlichen, sicheren und wirtschaftlichen Energiesystem vorangekommen ist, wird der 2013 abgewählten CDU/CSU/FDP-Bundesregierung nachträglich ein katastrophales Zeugnis ausgestellt“.

Jetzt komme es darauf an, dass das von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel „unmittelbar in Angriff genommene neue EEG 2.0 den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien effizienter gestaltet, faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie sichert und die Energiewende für die Privatverbraucher bezahlbar hält“, sagte Eiskirch weiter. „Genauso wichtig wird die Schaffung eines neuen, Versorgungssicherheit gewährleistenden Marktdesigns mit der zügigen Entwicklung eines im Koalitionsvertrag noch allgemein beschriebenen Kapazitätsmechanismus sein.“ Mit einem kosteneffizienten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und dem neuen Marktdesign würden auch „Fortschritt und Dynamik“ zurück gewonnen werden können.

NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) unterstrich als Ziel der Energiewende den Aufbau und die Etablierung einer umweltschonenden, wirtschaftlichen und sicheren Energieversorgung in Deutschland. „Das Ergebnis der vorliegenden Studie, dass das Ziel der Wirtschaftlichkeit bislang noch nicht erreicht wurde, überrascht mich nicht“, sagte Duin Handelsblatt Online. „Dafür ist vor allem ein neues Strommarktdesign mit einer stärkeren Integration der Erneuerbaren Energien in den Strommarkt und einer verstärkten Übernahme von Systemverantwortung erforderlich.“ Dazu sehe die derzeitige Novellierung des EEG eine stärkere Marktorientierung für Erneuerbare Energien vor, betonte der Minister. Dies sei ein erster Beitrag, die Wirtschaftlichkeit der deutschen Energieversorgung zu verbessern.


Solarindustrie klagte gegen EEG-Reform

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will verhindern, dass der Umbau der Energieversorgung zulasten von Arbeitsplätzen geht. Es könne nicht gewollt sein, „dass wir durch die Energiewende unser eigenen Stärken schwächen“, sagte Merkel im Bundestag mit Blick auf Industrie und Mittelstand. Daher habe die Regierung bei der EU um Ausnahmen für die Industrie bei der Ökostrom-Umlage gekämpft. „Wir müssen Klimaschutz und Arbeitsplätze zusammenbringen.“ Die Reformpläne für das Erneuerbare-Energien-Gesetz seien nicht das Versprechen, dass die Umlage dauerhaft sinke, aber „dass die Kostendynamik bei der EEG-Umlage gebrochen ist“.

Der am Dienstag vom Kabinett verabschiedete Entwurf zur EEG-Novelle sieht vor, ab August den Eigenverbrauch des Solarstroms mit 50 Prozent der EEG-Umlage zu belasten. Das entspricht nach Angaben des BSW derzeit rund 3,1 Cent je Kilowattstunde (kWh).

Mieter, die ihren Solarstrom vom Dach des Vermieters beziehen, würden sogar die volle EEG-Umlage zahlen. Ausgenommen sind lediglich Betreiber von Kleinstanlagen etwa auf Eigenheimen. Dieses Segment machte nach BSW-Angaben im vergangenen Jahr aber nur knapp ein Fünftel der neu installierten Leistung aus. Damit würde also der Eigenverbrauch selbst erzeugten Solarstroms in den meisten Fällen finanziell belastet.

Vor diesem Hintergrund bereiten Solarindustrie und Verbraucherschützer eine Verfassungsklage gegen die Ökostromreform vor. Es gebe erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die geplante Ökostrom-Abgabe auf Solarstrom zur Selbstversorgung gegen das im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlungsprinzip verstoße, teilten der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) und die Verbraucherzentrale Bundesverband. „Große Teile der Industrie werden weiterhin von der Energiewende-Finanzierung befreit. Wer mit Solarstrom die Umwelt entlastet, wird dagegen zur Kasse gebeten“, kritisierte der BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.

Der Energieexperte der Verbraucherzentrale, Holger Krawinkel, nannte eine Abgabe auf Solarstrom Unsinn. Die Eigenerzeugung sei ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende. „Doch die aktuellen Pläne bremsen die Verbraucher aus, die zu einer umweltfreundlichen Stromerzeugung beitragen“, kritisierte er.

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