„Kein Platz für Antisemiten“ Linkspartei kontert Antisemitismus-Vorwürfe

Sind in der Linkspartei auch Antisemiten willkommen? Nach einer Demonstration gegen den Gaza-Krieg sind entsprechende Vorwürfe laut geworden. Jetzt geht die Partei in die Offensive – mit einer deutlichen Ansage.

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In mehreren deutschen Städten finden heute Demonstrationen gegen die israelische Offensive im Gazastreifen statt. Hier demonstrieren in Pro-Israel-Aktivisten in Berlin. Quelle: dpa

Berlin Mehrere Abgeordnete der Linksfraktion im Bundestag sind Vorwürfen entgegengetreten, wonach in ihren Reihen antisemitische Positionen geduldet würden. „In unserer Partei gibt es keinen Platz für Antisemiten. In unserem Grundsatzprogramm ist klar formuliert, dass wir Antisemitismus entgegen- und für das Existenzrecht Israels eintreten“, sagte der Außenexperte der Linken, Stefan Liebich, Handelsblatt Online. „Ich bin allerdings auch besorgt, wenn Linke bei ihrer berechtigten Kritik am Einsatz der israelischen Armee im Gazastreifen versäumen, den Terror palästinensischer Gruppen gegen Israel zu thematisieren“, fügte Liebich hinzu. „Unsere Partei darf es niemals akzeptieren, dass sich auf Demonstrationen, die sie anmeldet oder unterstützt, Antisemiten willkommen fühlen.“

Ähnlich äußerte sich die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken, Sevim Dagdelen. „Die Linke duldet keinen Antisemitismus, verurteilt unmissverständlich antisemitische Äußerungen und stellt sich über das ganze Jahr hinweg rechten, antisemitischen Aufmärschen entgegen“, sagte Dagdelen Handelsblatt Online. „Dabei werden immer wieder auch unsere Räumlichkeiten angegriffen wie erst kürzlich mein eigenes Bochumer Wahlkreisbüro mit Hakenkreuzschmierereien.“

In mehreren deutschen Städten finden heute Demonstrationen gegen die israelische Offensive im Gazastreifen statt. Kundgebungen sind unter anderem in Berlin, Hannover und Stuttgart geplant. Heute ist auch der „Al-Kuds-Tag“, der 1979 vom damaligen iranischen Revolutionsführer Khomeini ins Leben gerufen wurde. In islamischen Ländern wird er bis heute zu Massenprotesten gegen Israel genutzt. Politiker, Verbände und Kirchenvertreter warnten vor antisemitischen Parolen, wie sie zuletzt auf Kundgebungen gegen die israelische Militäroffensive zu hören waren, und Gewalt.

Am Freitag wurde in Berlin junger Mann mit einer Kippa Opfer eines möglicherweise antisemitischen Angriffs. Ein Fremder habe dem 18-Jährigen im Stadtteil Charlottenburg unvermittelt ins Gesicht geschlagen, teilte die Polizei am Freitag mit. Dabei sei die Brille des Opfers heruntergefallen, auf die der Angreifer getreten habe. Der 18-Jährige floh in eine nahegelegene Synagoge. Er sagte am Donnerstag direkt nach der Tat bei der Polizei aus, er sei wohl wegen seiner Kippa, also seiner Kopfbedeckung, geschlagen worden. Die Staatsschutz übernahm die Ermittlungen.

Die Linke unterstütze keine antiisraelischen Demonstrationen, sondern setze sich für eine Zweistaatenlösung in den Grenzen von 1967 ein, sagte die Linke-Politikerin Dagdelen weiter. „Es ist allerdings richtig, dass Die Linke in NRW Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg unterstützt.“  Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen hatte am vergangenen Freitag in Essen zu einer Pro-Gaza-Demonstration aufgerufen, in deren Verlauf es zu Übergriffen auf proisraelische Demonstranten gekommen war.


SPD attackiert „Dummköpfe“ in der Linkspartei

Dagdelen betonte jedoch, dass bei der fraglichen Demonstration der Landessprecher der Linken auch den Raketenbeschuss durch die Hamas verurteilt habe. „Wir stehen an der Seite der Friedensbewegung in Israel, die auch ein sofortiges Ende der israelischen Bodenoffensive und eine Ende des Raketenbeschusses fordert“, sagte die Abgeordnete. „Dieser sinnlose Krieg der bisher über 700 Menschen das Leben gekostet hat, die allermeisten davon palästinensische Zivilisten, darunter viele Kinder, muss sofort beendet werden.“ Kriegsverbrechen seien, wie dies auch der Uno-Menschenrechtsrat in seiner jüngsten Resolution fordert, aufzuklären und zu ahnden.

Das American Jewish Committee (AJC) hatte zuvor angesichts mehrerer antisemitischer Vorfälle bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland schwere Vorwürfe gegen Teile der Linkspartei erhoben. „Ich behaupte nicht, die Linke an sich sei antisemitisch. Sie hat aber ganz offenkundig ein Problem damit, die letztendlich doch bräunlichen Flecken von ihrer roten Fahne zu entfernen“, schrieb der Europäische Antisemitismusbeauftragte des AJC in Brüssel, Stephan Kramer, in einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online. „Wir haben es mit einer bunten Front von Radikalen zu tun, die, jeder auf seine eigenen Ecke kommend, sich auf Deutschlands Straßen zu einem Judenhassfest zusammengefunden haben: Islamisten, Neonazis und Extremisten aus der linken Ecke.“

Scharfe Kritik an der Linkspartei äußerte auch der SPD-Bundesvize Ralf Stegner. „Antisemitische Äußerungen und Handlungen kennzeichnen Nazis und sind in keiner Weise akzeptabel oder gar links.“ So etwas dürfe es in Deutschland niemals wieder geben. „Leider gibt es Dummköpfe in verschiedenen Parteien, offenkundig auch in der Linkspartei in NRW“, sagte der SPD-Politiker und forderte die Linksparteispitze zum Handeln auf: „Ich hoffe sehr, dass die Parteiführung sich davon klar und unmissverständlich distanziert und so etwas in den eigenen Reihen nicht duldet.“

Dessen ungeachtet hält Stegner Kritik an beiden Kriegsparteien im Nahostkonflikt, an deren Kriegsführung und insbesondere den Kriegsfolgen für die unschuldige Zivilbevölkerung für legitim. „Raketen der Hamas gegen Israel zynischerweise mit der palästinensischen  Zivilbevölkerung als Schutzschilde für Raketenbasen und Waffenlager sind völlig inakzeptabel, und dagegen muss sich Israel verteidigen dürfen“, sagte der SPD-Politiker.

„Andererseits ist die Besatzung und Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch Israel schon nach den eigenen Maßstäben der israelischen Demokratie kritikwürdig, erst recht die schlimmen Folgen der israelischen Militäraktionen für unschuldige Menschen - ganz besonders auch die Kinder in Gaza.“ All das könne und dürfe man in Deutschland kritisieren.

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