Es ist eine der ältesten Geschichten der Welt – und eine der besten: David gegen Goliath. Der (vermeintlich hoffnungslos unterlegene) Kleine gegen den (vermeintlich haushoch überlegenen) Großen. Ein armer Bergbauer aus den Anden, dessen Haus weggeschwemmt zu werden droht, gegen einen großen Energiekonzern – 43,5 Milliarden Euro Jahresumsatz 2016 -, der Braunkohle verstromt und damit zum Klimawandel beiträgt. Wem die Sympathien der Leser, Zuhörer, Zuschauer gehören, ist klar.
Am Oberlandesgericht Hamm hat vor wenigen Tagen der David aus Peru einen ersten Sieg gegen den Goliath RWE aus Essen erzielt. Saúl Luciano Lliuya führt seit mehr als zwei Jahren einen juristischen Feldzug gegen den deutschen Energieversorgungskonzern, weil sein Haus in der Stadt Huaraz unterhalb des Gletschersees Laguna Palcacocha möglicherweise durch eine Flutwelle gefährdet ist, die das Abschmelzen des Palcaraju-Gletschers auslösen könnte. Das Schmelzen ist, so die Argumentation von Lliuya eine Folge der globalen Erwärmung durch CO2-Emissionen. Und RWE trage zu diesen 0,47 Prozent bei. Entsprechend solle der Konzern einen Kostenanteil für Schutzmaßnahmen der peruanischen Heimatgemeinde von Lliuya übernehmen.
Nachdem eine erste zivilrechtliche Klage vom Landgericht Essen abgewiesen wurde, hat die höhere Instanz, das Oberlandesgericht Hamm die Klage für zulässig erklärt und die Beweisaufnahme angeordnet“. Das Argument von RWE – „ein einzelner Emittent“ könne „nicht für allgemein verursachte und global wirkende Vorgänge wie den Klimawandel haftbar gemacht werden“ – hat die Richter nicht überzeugt. „Es entspreche der gesetzlichen Systematik“, so das Gericht in einer Pressemitteilung, „dass auch derjenige, der rechtmäßig handele, für von ihm verursachte Eigentumsbeeinträchtigungen haften müsse“.
Es geht um 23.384 Euro. Für RWE wahrlich verkraftbar – und für die Stadt Huaraz, die Millionen für die Maßnahmen braucht, nicht die Rettung. Aber die Bedeutung des Falls geht eben weit über die Geldforderung selbst und auch die konkreten Schutzmaßnahmen in Huaraz hinaus. Im Fall Lliuya gegen RWE ist ein persönliches Schicksal mit einem der wichtigsten Weltprobleme verknüpft.
Nicht zufällig. Denn Lliuya ist kein Einzelkämpfer. Die deutsche Nichtregierungsorganisation Germanwatch berät nach eigenen Angaben Lliuya und macht – entscheidend! - die Pressearbeit für ihn. Der Hauptfinanzier dieser Nichtregierungsorganisation, die Stiftung Zukunftsfähigkeit, unterstützt Lliuya finanziell. Um im Bild von David-gegen-Goliath zu bleiben: Sie sorgt für Davids Steinschleuder.
Großen politischen Anliegen ein Gesicht zu geben, ist eine besonders erfolgsträchtige Strategie der Öffentlichkeitsarbeit. Der deutschen Nichtregierungsorganisation Germanwatch, die sich nach eigener Aussage „für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebengrundlagen“ engagiert, ist mit der Zulassung der Klage Lliuyas schon jetzt ein großer Erfolg gelungen. Ein „historischer Durchbruch mit weltweiter Relevanz“, sei die Anordnung des Oberlandesgerichts. Das große Presse-Echo scheint ihr Recht zu geben. Es geht, so sagt auch der Pressesprecher von Germanwatch, darum, einen Präzedenzfall zu schaffen.