Klimaklage gegen RWE Das Weltklima vor Gericht in Hamm

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„Es geht nicht um eine spezielle Schuld der RWE AG"

Gespannt wird Davids Schleuder von Roda Verheyen, einer Rechtsanwältin aus Hamburg, die in der Szene der Umweltschutz-Aktivisten einen Namen hat, seit sie 1996 als Studentin vor der UNO-Wirtschaftskommission für Europa auftrat. Manche meinen, sie habe damals den Durchbruch zur Aarhus-Konvention angestoßen, dem ersten völkerrechtlichen Vertrag, der einzelnen Personen einklagbare Rechte bei ökologischen Fragen einräumt.

Verheyen macht auf Nachfrage sehr deutlich, dass die Klage gegen RWE nicht wirklich auf das Unternehmen selbst zielt. „Es geht nicht um eine spezielle Schuld der RWE AG, die sich in diesem Verfahren übrigens fair und sachlich verhalten hat“, sagt Verheyen. „Tatsache ist aber, dass der Klimawandel konkrete Probleme für konkrete Personen vor allem in Ländern des Südens auslöst.“ Im globalen Norden seien die Menschen vor diesen Klimaproblemen weitestgehend durch Anpassungsmaßnahmen des Staates geschützt. Schon in ihrer Doktorarbeit fordert sie, dass Klimaschäden auf internationaler Ebene reguliert werden müssen.

RWE hat also ganz einfach Pech gehabt, dass es eine deutsche NGO war, die mit Saúl Luciano Lliuya in Kontakt kam. Im Jahr 2014 hatte Lliuya, so heißt es bei Germanwatch, erstmals mit einem landwirtschaftlichen Berater gesprochen, der wiederum den Kontakt zur deutschen Organisation hergestellt habe. Der Schluss liegt nahe, dass die Entscheidung, ausgerechnet einen deutschen Konzern in Deutschland zu verklagen, nicht auf den Peruaner selbst, sondern auf seine deutschen Unterstützer zurückgeht. Man hätte genauso gut ein Unternehmen aus den USA, der Schweiz, Kanada, Großbritannien verklagen können. Fast jedes Rechtssystem kennt eine ähnliche Norm wie den Paragrafen 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches, auf den sich die Zivilklage des Peruaners beruft. Aber Germanwatch ist eben eine deutsche Organisation – und RWE ein deutsches Unternehmen.

Nun werden also „Sachverständige“ Beweise und Gegenbeweise zusammentragen, um nicht nur zu klären, ob Lliuyas Haus tatsächlich gefährdet ist. Vor allem sollen sie auch die physikalischen Kausalzusammenhänge zwischen Treibhausgasemissionen, Anstieg der Durchschnittstemperaturen und Abschmelzen des Gletschers klären. Letztlich steht also dank dieser Anordnung die gesamte Klimawandelforschung vor Gericht.

Ein deutsches Oberlandesgericht hat sich damit zu einer Entscheidung ermächtigt, die – vermutlich erst in vielen Monaten, vielleicht Jahren – immense Folgen haben könnte. Wenn die Richter die zu erbringenden Beweise im Sinne des Klägers als wahr beurteilen, heißt das, dass potenziell jeder Erdenbürger, dessen Eigentum vom Klimawandel geschädigt wird (oder werden könnte), gute Aussichten hat, Emittenten von Treibhausgas in Deutschland zu verklagen – sofern er über die Mittel verfügt, hierzulande zu klagen. Allein die Feststellung der Zulässigkeit der Klage könnte eine enorme Sogwirkung auf eine potenziell fast unbegrenzte Zahl beliebiger anderer Kläger weltweit mit sich bringen.

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