Knallharter Bericht Bundesrechnungshof beurteilt Energiewende als „mangelhaft“

Bundesrechnungshof: Bund wird Klimaziele nicht erreichen Quelle: dpa

Mangelhaft setze die Bundesregierung die Energiewende um. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesrechnungshof. Trotz Finanzmitteln in Milliardenhöhe verfehle der Bund die Klimaziele. Helfen könnte eine CO2-Steuer.

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Seit fast 20 Jahren werkelt Deutschland schon an der Energiewende. Um das Klima zu schonen, sollen Wind- und Sonnenenergie, Biomasse und Wasserkraft die klimaschädlichen Energiequellen Kohle, Öl und Gas ersetzen. Grüner Strom, sichere Versorgung und bezahlbare Energiepreise, das sind die wichtigsten Ziele, die sich Deutschland bei der Umsetzung der Energiewende gesetzt hat.

Geschafft hat Deutschland die Energiewende nach all den Jahren nicht. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht des Bundesrechnungshofes. Die unabhängige Bonner Behörde ist verantwortlich für die Finanzkontrolle des Bundes.

Das Urteil der Behörde ist harsch: Mangelhaft sei die Umsetzung und Steuerung der Energiewende durch das federführende Bundeswirtschaftsministerium, bilanziert der Bundesrechnungshof in seiner Analyse auf 42 Seiten.

Das wichtigste industriepolitische Projekt der Bundesrepublik ist unbeliebter denn je: Unternehmen klagen über die hohen Strompreise, der zuständige Minister ist planlos – und das Land von den Klimazielen weit entfernt.
von Angela Hennersdorf, Max Haerder

Scharf kritisieren die Beamten sowohl die Steuerung wie auch die Koordinierung der Energiewende. „Allein im Bundeswirtschaftsministerium sind 34 Referate in vier Abteilungen damit befasst, die Energiewende umzusetzen. Dazu sind weitere Bundesministerien und alle Länder an der Umsetzung der Energiewende beteiligt.“ Dennoch habe das Ministerium nicht festgelegt, was die Koordination der Energiewende umfasst. „Es bleibt ein wesentliches Versäumnis, dass das Bundeswirtschaftsministerium, nicht bestimmt hat und nicht bestimmen will, was es tun muss, um die Ziele der Energiewende nachweisbar und auf wirtschaftliche Weise zu erreichen“, heißt es in dem Bericht der der WirtschaftsWoche vorliegt. Für besonders wichtige Ziele wie die sichere Stromversorgung und bezahlbare Energiepreise gebe es im Berliner Ministerium keine quantitativen Zielgrößen und auch keine Messwerte. Aber solange es diese nicht gäbe, wäre auch eine wirksame Steuerung der Energiewende nicht möglich.

Die Folge: Die Ziele der Energiewende erreiche Deutschland trotz erheblicher Belastung der Wirtschaft und der öffentlichen und privaten Haushalte nicht. „Die Bundesregierung droht mit ihrem Generationenprojekt der Energiewende zu scheitern“, sagt Kay Scheller, der Präsident des Bundesrechnungshofes. Er fordert die Bundesregierung auf, endlich aufzuwachen: „Wenn die Bundesregierung die Energiewende noch zum Erfolg führen will, muss sie handeln“, sagt Scheller.

160 Milliarden Euro für die Energiewende

Auch gäbe es im federführenden Ministerium für die Energiewende keine ausreichende Transparenz über Ausgaben und Kosten für die Energiewende. Diverse Förderprogramme führe das Ministerium fort, obwohl diese kaum nachgefragt würden. In den letzten fünf Jahren habe der Staat mindestens 160 Milliarden Euro für die Energiewende verwendet. Allein für das Jahr 2017 geht der Bundesrechnungshof von Ausgaben für die Energiewende in Höhe von rund 34 Milliarden Euro aus. Fast alle Klimaziele erreiche Deutschland bis 2020 aber trotz des vielen Geldes nicht. Der Bundesrechnungshof warnt: „Das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der Regierung zu handeln, könnte verloren gehen.“

Bundesrechnungshof empfiehlt CO2-Bepreisung

Auch beklagt der Bundesrechnungshof einen Gesetzeswahnsinns bei der Energiewende. Zahlreiche Gesetze und Verordnungen regelten sehr detailliert die Erzeugung, Speicherung, Übertragung, Verteilung und den Verbrauch von Energie. Flexibel auf die dynamische Entwicklung der Energiewende könne damit aber nicht reagiert werden. Die Energiewende sei mit komplizierten Gesetzen und Verordnungen offensichtlich nicht zu steuern, so der Bundesrechnungshof. Die Bundesregierung sollte stattdessen ökonomische Anreize zu umweltverträglichem Verhalten setzen. Die Behörde schlägt dafür eine CO2-Steuer auf alle Bereiche vor. Dann könnten verschiedene Umlagen und Energiesteuern wegfallen, die Verbraucher und Wirtschaft zahlen müssten. Das Regeldickicht könnte so erheblich gelichtet werden und die Ziele der Energiewende besser gesteuert werden.

In der Branche wird der Ruf nach einer CO2-Steuer über alle Bereiche, also Energieerzeugung, Verkehr und Bau immer lauter. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier lehnt diese aber bisher ab.

Der Chef der Lausitz Energie Kraftwerke (Leag), Helmar Rendez, hofft auf eine baldige Einigung darüber, wie es im ostdeutschen Braunkohlerevier nach dem Ausstieg aus der Kohle weitergehen soll.
von Angela Hennersdorf

Auf den Bericht des Bundesrechnungshofes reagierte der Minister ablehnend. Das Bundeswirtschaftsministerium sehe überhaupt keinen Handlungsbedarf. Es halte die derzeitige Koordination der Energiewende für effektiv und effizient ausgestaltet.
Schon vor knapp zwei Jahren stellte der Bundesrechnungshof dem Bund ein verheerendes Zeugnis bei der Umsetzung der Energiewende aus. Die damalige Bundesregierung agiere ohne einen koordinierten Plan mit den Ländern. Einen Überblick, was die Energiewende koste, habe das Bundeswirtschaftsministerium nicht. Fragen, was die Energiewende koste, würden nicht gestellt und blieben unbeantwortet. Berlin wisse auch gar nicht, was die einzelnen energiepolitischen Maßnahmen konkret bewirkten und wie effizient sie seien. Offensichtlich hat sich die Umsetzung des epochalen Infrastrukturprojektes seitdem nicht verbessert. Wie auch, wenn das verantwortliche Ministerium keinen Behandlungsbedarf erkennt.

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