Niemandem ist damit gedient, wenn die Regierung des mittelgroßen (sicherheitspolitisch eher ziemlich kleinen) Deutschland das große Amerika schulmeistert. Dass er sich durch moralische Stigmatisierungen nicht sonderlich beeindrucken lässt, hat Trump schon im Wahlkampf bewiesen. Er ist ein rücksichtsloser Dealmaker. Man wird ihn vermutlich nur zu Zugeständnissen bewegen, wenn man ihm klar macht, wie Amerika vom Bündnis mit Deutschland handfest profitiert.
Was Trump von Deutschland will, kann man aus der gemeinsamen Presseerklärung nach dem Telefonat mit Merkel deutlich herauslesen: "eine gemeinsame Verteidigung" erfordere "angemessene Investitionen in die militärischen Fähigkeiten und einen fairen Beitrag aller Verbündeten zur kollektiven Sicherheit".
In Handelsfragen kann Deutschland sehr selbstbewusst auftreten. Aber es geht im deutsch-amerikanischen Verhältnis eben zuallererst um etwas noch Wichtigeres: Sicherheit. Amerika schützt Deutschland und nicht umgekehrt. Deutschland hat etwas sehr Wertvolles zu verlieren. Es wäre die erste Aufgabe verantwortungsvoller deutscher Außenpolitik, den drohenden Schaden für das eigene Land zu vermeiden oder zumindest zu minimieren.
Die Alternative scheinen sich die Deutschen mit und ohne Regierungsverantwortung noch gar nicht wirklich klar zu machen: Aufrüsten. Das muss Deutschland ohnehin, aber ohne Amerikas Schutzgarantie müsste es in einem Maße rüsten, das der pazifistischen Mentalität in den dominierenden Milieus hierzulande unappetitlich wäre. Letztlich müssten Deutschland und die EU, wenn die transatlantische Entfremdung fortschreiten sollte, sich um Ersatz für den nuklearen Schutzschirm der Amerikaner kümmern. Sofern Deutschland im Angesicht Russlands und anderer internationaler Unwägbarkeiten nicht zu einer quantité negligeable werden will. Die Atommächte Großbritannien und Frankreich muss diese Sorge übrigens sehr viel weniger umtreiben.
Auf existentielle Sicherheitsfragen, bei denen man die Frage nach Atombomben nie ausklammern kann, ist Deutschlands politische Kultur nach sieben Jahrzehnten unter Amerikas Schutz überhaupt nicht vorbereitet. Uns fehlt derzeit so ziemlich alles, was ein Land braucht, das seine Sicherheit selbst garantieren will. Nicht nur materiell, das ließe sich ändern, sondern vor allem mentalitätsmäßig. Umso wichtiger wäre es daher, es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Gerade die politischen Kräfte in Deutschland, die mit einer Aufrüstungsdebatte nichts zu gewinnen haben, weil in ihren Milieus jeder Gedanke an Militärisches unappetitlich ist, sollten ein Interesse daran haben, dass uns der Schutzschirm der USA erhalten bleibt.
Deutschlands Politik scheint immer noch unter dem jahrhundertealten Fluch der reinen Gesinnungsethik zu stehen. Das könnte jetzt, wo sich vermeintliche Gewissheiten der Weltordnung grundlegend verändern, wieder verheerende Folgen haben. Die Regierenden und die gesamte politische Klasse Deutschlands können von May und den Briten in dieser Hinsicht noch einiges lernen. May ist, was Merkel nur in den ersten Jahren ihrer Kanzlerschaft zu sein schien: eine nüchterne Realpolitikerin. Sie steht damit in bester britischer Tradition. Auch May hatte, als sie noch Innenministerin war, Wahlkampfforderungen Trumps kritisiert. Aber seit sie selbst und Trump an der Spitze stehen, hat sie sich um versöhnliche Töne bemüht - zum Wohle ihres Landes. Noch wäre es nicht zu spät, auch in Deutschland endlich die Wirklichkeit zu akzeptieren: Trump ist Präsident der Weltmacht USA und wir müssen uns auf ihn einstellen, weil wir von Amerika abhängig sind.