Knauß kontert

Die GroKo und Mutter Staat

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Gesucht: ein Staat, der sich beschränkt

Wenn es den Großen Koalitionären mit der vielzitierten Integration und der Stärkung der Demokratie und des Zusammenhalts im Einwanderungsland Deutschland ernst wäre, müsste dies das große politische Gestaltungsziel sein: Ein Staat, der sich beschränkt. Ein Staat, der Zuwanderern, so sie denn erwünscht sind und bleiben dürfen, also irgendwann selbst Bürger werden sollen, nicht bedingungslose Versorgung andient. Sondern sie unmissverständlich auffordert, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.

Das hat schon mal funktioniert. Der Ururgroßvater des Autors dieser Zeilen liegt auf einem windigen Friedhof in Nord-Dakota begraben. Er war um 1890 zusammen mit einem seiner Söhne (von einem anderen stamme ich ab) aus Schwaben dahin ausgewandert. Sie bekamen, so erzählt man sich in unserer Familie, ein Stück Prärie und ein paar landwirtschaftliche Geräte als einzige Integrationshilfe. Ihre Nachkommen sind heute immer noch erfolgreiche Farmer. Vor allem sind sie stolze Amerikaner.

Die Voraussetzung dafür war kein alle Risiken versichernder Wohlfahrtsstaat, sondern eine verlässliche Wirtschaftsordnung, die die unternehmerische Freiheit vor der Macht der staatlichen und privaten Besitzstände schützte. Einwanderer wurden und werden in echten, funktionierenden Einwanderungsländern nicht als Mündel, sondern als künftige Bürger behandelt. Zum Bürger macht sie keine „Bürgerversicherung“ und kein „Das steht Ihnen zu“ in der Arbeitsagentur, sondern vor allem der Stolz auf die eigene Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit. Aus diesem Stolz erwächst im besten Fall auch das Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft der anderen freien Bürger. So entstanden die freien Nationen des Westens: aus Menschen, die keine Untertanen und keine Mündel von Königen mehr sein wollten, die sich anmaßten Väter ihrer Völker zu sein.

Aus vielen der einstigen Gastarbeiter und auch aus anderen Zuwanderern, aus vietnamesischen Boat People, deutschstämmigen Aussiedlern und jüdischen Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion sind so zum großen Teil nicht nur Menschen „mit deutschem Pass“ geworden, sondern deutsche Bürger.

Nun kommen vor allem Menschen aus bislang vollkommen unbürgerlichen, unfreien Stammesgesellschaften, aus afrikanischen Klepto- und muslimischen Theokratien. Sie werden vom ersten Tag auf deutschem Boden an ohne Gegenleistung versorgt auf einem Niveau, das sie in ihrer Heimat selbst mit großem Fleiß kaum selbst erwirtschaften können. Und ihre deutschen Fürsorger in Amtstuben, aber auch in Parlamenten und Ministerien, vermitteln ihnen dabei ebenso vom ersten Tag an die Botschaft, dass diese Versorgung ihr gutes Recht sei. Bezeichnend ist auch, dass in der politischen Kommunikation seit einigen Jahren immer seltener von „Bürgern“ die Rede ist, schon gar nicht von „Deutschen“, sondern meist undifferenziert von „Menschen“. Die „Erwachsenensprache“ ist, wie Robert Pfaller in seinem gleichnamigen Buch feststellt, aus Politik und Kultur verschwunden.

Unter diesen Bedingungen ist die Gefahr sehr groß, dass aus bisherigen Untertanen außereuropäischer Despoten oder Religionsführer nun zu einem großen Teil wohl Mündel europäischer Sozialstaaten werden. Nicht Bürger im Sinne von Citoyen, sondern allenfalls Menschen „mit deutschem Pass“ und Zugang zu Versorgungsleistungen. Der Unterschied ist keine Spitzfindigkeit. Es geht um nicht weniger als die Bewahrung der Freiheit und des sozialen Friedens, der Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft. Also um unsere Ordnung, die ganz und gar auf der Existenz von Bürgern statt Mündeln beruht.

Wenn schon linke Parteien sich darum keine großen Gedanken machen, so sollten es wenigstens Parteien tun, die gemeinhin immer noch als „bürgerlich“ bezeichnet werden.

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