Knauß kontert

Martin hat euch lieb

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Merkel und Schulz - Zwei, die nichts wollen

Sowohl Merkel als auch ihr Herausforderer Schulz sind für solche Unpolitik die Idealbesetzungen. Beide zeigen auf keinem Feld politische Substanz. Beide sind erkennbar frei von dem, was Max Weber „sachliche Leidenschaft“ nennt: Bei beiden ist nicht im Geringsten zu erkennen, welches Brett sie bohren wollen, durch welches Vermächtnis sie in die Geschichte eingehen wollen.

Beide haben vor Jahren noch das Gegenteil von dem vertreten, was sie heute vertreten. Merkels impulsive Kehrtwenden sind allseits bekannt. Sie erklärte einst Multikulti für gescheitert und vertrat eine restriktive Einwanderungspolitik. Sie befürwortete einst die Atomkraft. Sie versuchte es auch einmal mit konsequenter Ordnungspolitik und einer radikalen Bierdeckel-Steuerreform. Doch all das ist bekanntlich passé.   

Was die Kanzlerin wirklich will mit unserem Land, weiß niemand. Sie sagt es nicht und wird auch nie danach gefragt. Manchmal tut sie so, als ob und sagt dann: „Deutschland soll in 25 Jahren ein Land sein, das offen, neugierig, tolerant und spannend ist – mit einer starken eigenen Identität“. Deutschland soll also ein spannendes Land werden…

Jetzt hat sie mit Schulz einen Konkurrenten ums höchste Amt gefunden, der sie mit den eigenen Waffen schlagen könnte. Auch er hat früher schon in höchsten Tönen gelobt, was er demnächst als Kanzler schleifen will: Gerhard Schröders Agenda 2010 zum Beispiel. Anderseits lobte er jahrelang die sozialistische Wirtschaftspolitik von François Hollande, jetzt lobt er den wirtschaftsliberalen Kandidaten Emmanuel Macron. Wenn Schulz überhaupt mal halbwegs programmatisch redet, dann beklagt er gerne Steuerhinterziehung. Doch in seiner Amtszeit als Europäischer Parlamentspräsident tat er nichts gegen das Steuervermeidungsparadies, das sein Freund Jean-Claude Juncker als Premierminister von Luxemburg betrieb. Aber wen interessieren schon solche Details, wenn Schulz doch „jeden Einzelnen“ respektiert und für Gerechtigkeit sorgen will?

Deutschland hat also im September die Wahl zwischen zwei Unpolitikern, die nichts Erkennbares wollen, und zwei programmatisch völlig ausgehöhlten Regierungsparteien, denen die eigene Leere egal zu sein scheint, solange die Stimmung gut ist und ihr Chef das Kanzleramt gewinnt. So droht die Demokratie, die Staatsform der Mutigen, wie unser neuer Bundespräsident sagt, zu einer Karikatur ihrer selbst zu werden. Das ist nicht zum Lachen.

 

 

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