Koalitionspoker Wie Jamaika funktionieren könnte

Am Freitag wird wieder sondiert in Berlin – noch knirscht es hörbar zwischen Union, Liberalen und Grünen. Aber die Koalition kann klappen – wenn sich alle Seiten bewegen. Diese fünf Bereiche sind am stärksten umkämpft.

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Im Haus der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft direkt neben dem Bundestag, kommen die Vertreter einer möglichen Jamaika-Koalition zu Sondierungsgesprächen zusammen. Quelle: dpa

So wenig Faszination für einander war selten. Selbst rund zwei Wochen nach Beginn der Sondierungen zwischen Union, FDP und Grünen sind es nicht die Signale der Annäherung und Verständigung, die auffallen, sondern immer noch jene der Abgrenzung und Warnung. Ein Projekt Jamaika, von dem am Anfang viel die Rede war, ein Bündnis mit klarem Sinn und Auftrag, erscheint noch in ziemlich nebliger Ferne. „Keiner will leichtfertig Neuwahlen. Aber wenn es dazu kommt, stehen wir als geschlossene Formation da, ganz im Gegensatz zur Konkurrenz“, sagt FDP-Mann Wolfgang Kubicki. Das ist nichts anderes als eine ziemliche unverhohlene Warnung an die Regierungspartner in spe: Wir haben am wenigsten zu verlieren. Überreizt es nicht.

Tatsächlich hakt und stockt es an vielen Punkten. Und doch: Einigung wäre möglich, wenn alle sich bewegen – und Kompromisse über Konflikte stellen würden. Die WirtschaftsWoche skizziert die denkbaren Einigungslinien in den fünf meistumkämpften Bereichen:

1. Steuern und Finanzen

Ein paar Selbstverständlichkeiten stehen fest. Etwa die, an der schwarzen Null festzuhalten – denn gerade für Union und FDP wäre alles andere indiskutabel. Eine Kröte werden die Grünen schlucken müssen: Mehrbelastung für Besserverdiener, vulgo: Steuererhöhungen, wird es ebenfalls nicht geben. Andernfalls würden weder CDU/CSU noch Liberale einen Koalitionsvertrag von ihrer Basis abgesegnet bekommen.

Soli und Subventionen: Kernpunkte der Jamaika-Haushaltssondierungen

Ein erster Schritt zur Einigung dürfte die Abschmelzung des Soli sein: Die komplette Abschaffung wäre zwar zu teuer, aber ein Einstieg in den Ausstieg ist Pflicht – und noch dazu vom Bund alleine zu beschließen. Das macht die Sache politisch einfacher. Zumal so auch noch mehr Spielraum für Investitionen in anderen Bereichen bliebe, etwa in Bildung.

Entlastungen insbesondere für Geringverdiener, wie sie die Grünen fordern, wären dann eher an anderer Stelle zu holen: bei den Sozialgaben. Dank der guten Arbeitsmarktlage sind die Sozialkassen voll genug. Und sinkende Beiträge würden wirksam gerade denen helfen, die hart arbeiten, aber kaum Einkommensteuer zahlen. Vor allem in der Arbeitslosenversicherung dürfte sich 2018, spätestens 2019, ein Spielraum zur Senkung auftun. Kämen möglicherweise auch die Renten-und die Krankenversicherung dazu, könnte Jamaika gleich mehrere Entlastungpunkte zugleich machen: Sinkende Sätze erfreuen darüber hinaus auch die Unternehmen.

2. Verkehrspolitik

Es ist kein Geheimnis, dass die Grünen den Verbrennungsmotor verbannen wollen. Je eher, desto besser. Spätestens 2030 gehören Diesel- und Benzinmotoren nach Lesart der Grünen in das Technikmuseum. „Ab 2030 sollen nur noch abgasfreie Autos vom Band rollen“, heißt es in dem Wahlprogramm, mit dem die Grünen 8,9 Prozent der Stimmen gewonnen haben. „Das Zeitalter der fossilen Verbrennungsmotoren ist dann zu Ende.“ Mit Union und FDP aber ist das kaum zu machen. Sie setzen auf Markt statt auf Verbote. Und sie wollen den Verbrenner auch noch nicht abschreiben.

Doch so weit auseinander liegen die Parteien trotzdem nicht. Auch die Union definiert „moderne Dieselfahrzeuge“ nur als „wichtige Option, bis sich die Elektromobilität endgültig durchgesetzt hat“. Dass die Nachfrage künftig die Elektromobilität stärken wird, bezweifeln nicht einmal die Liberalen. Sie wollen nur nicht, dass der Staat den Markt maßregelt. Und auf keinen Fall wollen sie ein konkretes Enddatum setzen.

Gegen ökonomische Anreize dürfte deshalb keine Partei etwas haben. Ein Preis für CO2-Emissionen und langfristig verlässliche Emissionsziele sind Maßnahmen, die die FDP explizit unterstützt. Auch die Union hat Anreize wie die Kfz-Steuer, die sich am CO2-Ausstoß orientiert, immer akzeptiert. Je höher der Ausstoß von Kohlendioxid, desto mehr Kfz-Steuer würde dann fällig.

Raus aus der Kohle?

Die Weiterentwicklung solcher Instrumente könnte ein Hebel sein, auf den sich alle Parteien verständigen könnten. Keiner der sondierenden Politiker bezweifelt schließlich den durch CO2 verursachten Klimaschaden. Also sollten sie bereit sein, dem Klimaschädiger ein Preisschild anzuhängen.

Fünf Gründe, warum Klimaschutz in Jamaika-Gesprächen so heikel ist

Union und FDP hätten damit ihr Ziel erreicht, dass hoch effiziente Diesel- und Benzinerfahrzeuge weiterhin attraktive Produkte bleiben können. Die Grünen wiederum könnten verbreiten, dass ihre Politik dazu führen wird, dass Elektroautos immer attraktiver werden und der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor nur eine Frage der Zeit ist. Ohnehin dürfte vielen klar sein: Sobald das Reichweitenproblem bei den Elektroautos gelöst ist, werden sich Stromer automatisch durchsetzen. Weil E-Autos mehr Spaß machen.

3. Kohleausstieg

Ein Klimakonsens der Jamaika-Regierung dürfte die wohl langwierigsten Verhandlungen erfordern. Die Grünen wollen raus aus der Kohle. Die 20 dreckigsten Kraftwerke wollen sie so schnell wie möglich abknipsen. 2030 soll es gar keins mehr geben. Union und FDP lehnen das ab. Sie liebäugeln mit langfristig preiswerter Energie. Dazu gehöre auch der Beitrag der Braunkohlekraftwerke.

Worüber FDP und Grüne streiten werden

Aber immerhin: Alle Parteien bekennen sich zu dem Pariser Klimaabkommen. Dieses gemeinsame Ziel ist der Schlüssel zu einer gemeinsamen Klimapolitik. Dass die Stromproduktion aus Braunkohle mit seinen hohen CO2-Emissionen keine dauerhafte Zukunft hat, sehen auch Liberale und Konservative so. Bei der Union heißt es etwa: „Der langfristige Ausstieg aus der Braunkohle muss parallel zu einer konkreten neuen Strukturentwicklung verlaufen.“

Die FDP formuliert das ähnlich. Stefan Kapferer, Chef des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und damit Lobbyist auch der fossilen Stromproduktion, hatte jüngst auf einer Veranstaltung verkündet, dass ganz Deutschland klar sei: der Ausstieg komme. Die Frage sei  eben nur, wie schnell. Kapferer ist FDP-Mitglied. Er nahm auch an Sondierungsgesprächen teil.

Alle Parteien sind sich also einig, dass die Zeit für die Braunkohle abläuft. Nun geht es also um einen sozialverträglichen Umbau der Stromproduktion. In Nordrhein-Westfalen und Brandenburg leben noch immer Tausende Arbeiter von der Kohleindustrie. Allein in der Lausitz bangen 8000 Menschen um ihren Job, sollte der Kohleausstieg beschlossen werden. In NRW sind es noch mehr. Ein staatlicher Fonds für die regionale Strukturhilfe dürfte daher bei allen Parteien gesetzt sein.

Wie geht Verbraucherschutz auf Jamaikanisch?
Millionen Supermarktkunden sind Millionen Wähler. Genau wie Millionen Mieter, Autofahrer und Bankkunden. Das wissen natürlich auch CDU, CSU, FDP und Grüne, die in ihren Sondierungen für ein Jamaika-Bündnis am Mittwoch über Verbraucherschutz beraten wollen. Die Erwartungen an bessere Kundenrechte und mehr Schutz vor Mogeleien sind hoch. Vor allem bei Lebensmitteln und der generellen Ausrichtung der Landwirtschaft prallen aber Welten aufeinander. Die ländlichen Regionen sollen überhaupt stärker in den Fokus kommen. Quelle: dpa
Lebensmittel:Wie ist klarer zu erkennen, was in Lebensmitteln steckt? Die Grünen fordern etwa eine „Nährwertampel“ - also einen Aufdruck, der in rot, gelb oder grün den Gehalt an Fett, Salz und Zucker signalisiert. Für die Union ist die Idee schon seit Jahren ein rotes Tuch. Die Grünen wollen auch eine Kennzeichnung für Fleisch, die die Haltungsform der Tiere anzeigt - wie es bei Eiern bereits Pflicht ist. Die Union will ein freiwilliges „Tierwohl-Label“ für höhere Standards weiterverfolgen, das die große Koalition nicht mehr zustande brachte. Die FDP setzt auf Investitionsförderung für bessere Tierhaltung und warnt vor „zu ehrgeizigen Tierwohl-Zertifizierungen“. Quelle: dpa
Landwirtschaft:Die Zukunft der Landwirtschaft dürfte zur Kampfzone werden. Oder kann es gerade einer Jamaika-Konstellation gelingen, alte Gräben zu überwinden? Die Grünen wollen den Ökolandbau fördern und die „industrielle Massentierhaltung in den nächsten 20 Jahren beenden“. Die Union stellt schon mal Stoppschilder auf. „Wir wollen keinen Feldzug gegen unsere Landwirte“, donnert CSU-Chef Horst Seehofer. Heikel ist, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vorpreschte und sich beim Bauerntag für das umstrittene Unkrautgift Glyphosat verbürgte, das für die Grünen ein Symbol falscher Agrarpolitik ist. Quelle: dpa
Ländliche Räume:Rund die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt auf dem Land. Und viele dünn besiedelte Regionen haben mit Abwanderung zu kämpfen. Deshalb soll für sie endlich zusätzliche Förderung her. Ganz oben auf der Liste steht schnelles Internet bis in die Dörfer. Das soll aber nicht alles sein, es geht auch um ärztliche Versorgung und Verkehrsanbindungen. Die Union will zudem Hochschulen und Behörden dezentral ansiedeln, die Grünen denken an „ländliche Zwergschulen“ mit Ganztagsbetreuung. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) hat eine über vier Jahre verteilte „Land-Milliarde“ des Bundes vorgeschlagen. Quelle: dpa
Kundenrechte:Zum weiten Feld des Verbraucherschutzes gehören noch mehr, teils umstrittene Projekte. Die Grünen streben für Fälle mit Tausenden Betroffenen wie den VW-Skandal neue Klagerechte an. Damit sollen sich Verbraucher zu „Gruppenklagen“ zusammenschließen können. Die Grünen wollen auch Überziehungszinsen bei Girokonten gesetzlich begrenzen. Die Union will digitale Instrumente für Verbraucherschutz voranbringen - zum Beispiel mit digitalen Verträgen, die automatische Entschädigungszahlungen bei Zug- oder Flugverspätungen auslösen. Die FDP will betriebliche und private Altersvorsorge-Produkte attraktiver machen, etwa mit mehr Verbraucherfreundlichkeit und Vergleichbarkeit. Quelle: dpa
Mietpreisbremse:Explodierende Mieten sind längst nicht mehr nur ein Großstadtproblem. Auch in kleineren Unistädten ist das Wohnen für viele kaum noch bezahlbar. Dass die Mietpreisbremse, die die große Koalition auf Wunsch der SPD eingeführt hat, nicht gut funktioniert, belegen Studien. Sie soll in Ballungsräumen verhindern, dass Vermieter zu viel verlangen, aber es fehlt an Transparenz. Was wird aus dem Instrument: Abschaffen (will die FDP), nachschärfen (wollen die Grünen), oder irgendwie auslaufen lassen (deutet die CDU an)? Quelle: dpa
Wohnungsbau:Mehr Wohnungen müssen her, das ist immerhin Konsens. Aber wer soll sie bauen und für wen? Anreize könnten unter anderem über Steuernachlässe geschaffen werden, das überschneidet sich dann mit dem Bereich Finanzen und Haushalt. Sozialer Wohnungsbau ist eine weitere Baustelle. Die Grünen wollen „eine Million Wohnungen bauen und sozial binden“, Genossenschaften wiederbeleben und eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit einführen. Die FDP fordert eine Zweckbindung der bestehenden Bundeszuschüsse für die Länder, damit diese mit dem Geld auch wirklich Wohnungen bauen. Ob diese Zuschüsse über 2019 hinaus überhaupt noch gezahlt werden sollen, ist auch offen. Quelle: dpa

Strittig bleibt aber, bis wann ein Ausstieg aus der Kohle machbar und gewünscht ist. Die Liberalen liebäugeln mit der Weiterentwicklung des Emissionshandels als globales Klimaschutzinstrument. Dagegen hätten wohl auch Union und Grüne nichts. Aber die Durchsetzung bleibt schwierig, weil man dafür Partner in Europa bräuchte.

Eine Lösung könnte daher eine Verteuerung von CO2-Emissionen sein. Ex-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte dafür mal eine Kohleabgabe ins Spiel gebracht, bis er unter dem Lobby-Druck der Gewerkschaften einbrach und sich für eine Kohlereserve aussprach. Doch das Konzept einer Kohleabgabe, die jede Tonne CO2 teurer macht, liegt bereits in der Schublade. Durchaus möglich, dass die FDP da mitzieht, denn so würden Kohlestrom nicht verboten, sondern lediglich verteuert. Auf diese Preisanreize könnte dann der Markt reagieren. Gegebenenfalls sogar mit hoch effizienten Kohlekraftwerken, die den wirtschaftlichen Betrieb weiter erlauben. Die Grünen könnten behaupten, ein Ende der Kohle eingeleitet zu haben. Und Union und FDP könnten auf die Innovationschancen der Industrie hinweisen.

Flüchtlinge und Familienpolitik

4. Zuwanderung

Für die CSU ist die Obergrenze ein Schlüsselthema. Zwar sind führende Politiker aus Bayern davon abgerückt, eine unverrückbare Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr als rote Linie zu definieren. Aber sie fordern Maßnahmen, die Einwanderung de facto auf dieser Höhe begrenzen. Die Grünen warnen davor, dass das grundgesetzliche Recht auf Asyl nicht eingeschränkt werden dürfe. Und sie fordern den Familiennachzug.

CSU und Grüne liegen hier also noch weit auseinander. Möglicherweise könnten die Liberalen als Schlichter agieren. Sie liegen nämlich mit ihrer Position in etwa in der Mitte. Das Asylrecht wollen sie im Prinzip aufrechterhalten und wie die Grünen fordern sie ein Einwanderungsgesetz. Gleichzeitig halten sie „ein System der Begrenzung und Kontrolle“ (so FDP-Chef Christian Lindner) für eine Voraussetzung. Erst dann könne man beim Familiennachzug offener sein.

von Marc Etzold, Max Haerder, Elisabeth Niejahr, Thomas Schmelzer

Die FDP-Position könnte der Fahrplan für die nächste Sondierungsrunde zum Thema Migration sein: Staatliche Kontrolle als Voraussetzung, um eine humane Asylpolitik zu ermöglichen. Auch schnellere Asylverfahren dürfte bei allen Parteien unstrittig sein. Wenn man das europäische Dublin-System konsequent auslegt, müssten Flüchtlinge dort bleiben, wo sie ihren ersten Asylantrag gestellt haben. Dies sind Eckpunkte, auf die sich alle Parteien ohne Gesichtsverlust verständigen könnten. Sie fordern im Prinzip die Einhaltung und Durchsetzung geltenden Rechts. Die Einwanderung würde deutlich reduziert.

Gleichzeitig behielte Deutschland ein soziales Antlitz, wenn man jenen, die hierzulande berechtigt Schutz suchen, die Möglichkeit gibt, ihre Familienangehörigen nachzuholen. Und wenn eine Begrenzung mit einer konkreten Zahl nicht Teil des Koalitionsvertrages würde.

Auf nach Jamaika - und mit welchen Leuten?
Nach dem Wahl-Beben gibt es nur zwei mögliche Regierungen: die große Koalition oder Jamaika. Doch die SPD hat einem erneuten Bündnis mit der Union schon eine Absage erteilt. Mal sehen, ob SPD-Chef Martin Schulz hart bleibt. Aber sollte es mit CDU, CSU, FDP und Grünen klappen, wer würde dann Deutschland im Kabinett Merkel IV regieren? Eine Übersicht. Quelle: dpa
Angela Merkel (CDU/63): Bleibt Kanzlerin. Auch wenn ihre CDU über acht Prozentpunkte gegenüber 2013 einbüßte. Merkel dürfte pragmatisch sein. Kohle-Ausstieg? Könnten die Grünen bekommen. Ausstieg aus Diesel und Benziner? Eher nicht. Da würden ihr CSU-Chef Horst Seehofer und die Autolobby aufs Dach steigen. Apropos Seehofer. Er stürzte in Bayern unter 40 Prozent mit der CSU ab. Ein Jahr vor der Landtagswahl könnte es ihm besonders schwerfallen, mit den Grünen in Berlin zu regieren. Das schränkt Merkels Beinfreiheit ein. Aus dem CDU-Präsidium verlautet, Merkel wolle auf jeden Fall die neue Regierung in ruhiges Fahrwasser führen. Vielleicht leite sie zur Mitte der Wahlperiode einen Wechsel ein oder gebe den Parteivorsitz 2020 ab und mache den Weg frei für die Nachfolge zur nächsten Wahl. Quelle: REUTERS
Wolfgang Schäuble (CDU/75): Die FDP dürfte in Koalitionsverhandlungen Anspruch auf das Finanzministerium erheben. Die Lammert-Nachfolge als Bundestagspräsident dürfte für Schäuble eine ernsthafte Option sein. Der dienstälteste Abgeordnete gilt als leidenschaftlicher Parlamentarier. Von den vielen Spitzenämtern, die Schäuble in der Vergangenheit ausgeübt hatte, dürfte ihm der Fraktionsvorsitz bei der Union am meisten Spaß gemacht haben. Schäuble ist aber auch jemand, der gern regiert und gestaltet. Und der Umbau der Euro-Zone ist in den nächsten Jahren eine schwierige und reizvolle Aufgabe. Quelle: dpa
Ursula von der Leyen (CDU/58): Ihr PR-getriebener Umgang beim Bundeswehr-Skandal um rechte Umtriebe in der Truppe hat ihr Macherin-Image angekratzt. Seitdem begegnen ihr viele in der Bundeswehr mit Misstrauen, sie würde trotzdem gern Verteidigungsministerin bleiben. Eine wichtige Rolle dürfte sie jedenfalls auch in Zukunft spielen. Quelle: dpa
Peter Altmaier (CDU/59): Merkels Allzweckwaffe. Auch bei den Verhandlungen über ein Jamaika-Bündnis und darüber hinaus dürfte er eine wichtige Rolle spielen dürfte. Ihm wird jederzeit ein Ministerposten zugetraut. Quelle: REUTERS
Joachim Herrmann (CSU/61): Bayerns Innenminister war der Spitzenkandidat der CSU für die Bundestagswahl. Ziel von CSU-Chef Horst Seehofer ist es, für Herrmann das Bundesinnenministerium zu „erobern“. Unklar ist, ob das gelingt. Da Herrmann nun trotz seines ersten Listenplatzes kein Bundestagsmandat erhält, dürfte es für ihn noch schwieriger werden. Quelle: dpa
Thomas de Maizière (CDU/63): In der Flüchtlingskrise geriet der Innenminister unter Druck, weil es im zuständigen Bundesamt nicht rund lief. Sollte Finanzminister Schäuble doch seinen Posten räumen, könnte de Maizière das Haus der Zahlen reizen. In Sachsen war er von 2001 bis 2002 Finanzminister. Ansonsten vielleicht wieder Manager im Kanzleramt? Quelle: dpa

5. Familienpolitik

Auch beim Thema Familie wird es schwierig. Zwar wollen alle beteiligten Parteien Eltern und Kinder stärker unterstützen - aber nicht alle denken dabei an die gleichen Haushalte, und auch über den richtigen Weg gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Die Union will mit einem Baukindergeld diejenigen Familien unterstützen, die Immobilien erwerben, wohingegen die Grünen Geld für Armutsbekämpfung ausgeben wollen und vor allem an Alleinerziehende und Hartz-IV-Kinder denken.

Besonders umstritten ist der Wunsch der CSU, die Mütterrenten zu erhöhen - für Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Das kostet Milliarden und nützt zudem vielen, die im Alter gut versorgt sind. Auch das Ehegattensplitting, das steuerliche Vorteile für Verheiratete mit unterschiedlichen Einkommen bringt, ist ein Streitthema. Die Grünen wollen Reformen und Steuervorteile stärker auf Familien mit Kindern ausrichten. Union und FDP wollen keine Änderungen - obwohl die CDU selbst schon auf vielen Parteitagen die Einführung eines Familiensplittings gefordert hat.

Ein Kompromiss könnte aus zwei Teilen bestehen: Eine künftige Jamaika-Koalition müsste mehr Geld in hochwertige Ganztagsbetreuung investieren, auch in Personal für Kitas mit langen Öffnungszeiten. Das ermöglicht mehr Alleinerziehenden, berufstätig zu sein.

Bei diesem Ziel könnten sich die Grünen vermutlich schnell verständigen mit der FDP, die Bildung ja im Wahlkampf zum wichtigsten Thema erklärt hatte. Und dann müssten in verschiedene Projekte weitere Mittel fließen: Der künftige Finanzminister könnte das Baukindergeld für Einkommensschwache zahlen - und gleichzeitig den sogenannten Unterhaltsvorschuss für Alleinerziehende erhöhen. Das ist Geld, das Eltern bekommen, deren Partner keinen Unterhalt zahlt.

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