Köln feiert trotz Sturm Applaus für den Mann, der den Wind nicht fürchtet

Düsseldorf und Mainz trauern, Köln feiert: Tausende bejubeln Zugleiter Christoph Kuckelkorn für seine Entscheidung, den Umzug trotz Sturmwarnung durchzuziehen. Die Stimmung ist ausgelassen, doch es bleiben Sorgen.

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Pünktlich zum Start des Zugs reißen die Wolken auf: Die Kölner Karnevalisten lassen sich auch von Sturmwarnungen nicht bremsen. Quelle: dpa

Köln „Ein dreifaches Alaaf auf den Mann, der Düsseldorf und Mainz gezeigt hat, wie man Karneval feiert“, ruft der Ansager am Zugweg begeistert in sein Mikrofon und die Menge brüllt drei kräftige „Alaaf“ zurück. Der Mann, das ist Christoph Kuckelkorn (51), Zugleiter des Kölner Rosenmontagzugs. Egal wo sein pompöser Wagen heute vorbeifährt, dröhnt aus den Lautsprechern am Wegesrand eine Lobeshymne nach der anderen. Die Jecken in Köln feiern den Zugleiter für seine mutige Entscheidung, den Zug trotz der Sturmwarnung stattfinden zu lassen.

Dass Plakate und große Schilder nicht dabei sind: geschenkt. Dass die Tribünen alle ohne Dach und Seitenwände auskommen müssen und sie deshalb wie unfertige Gartenhäuschen aussehen: egal. Und dass es den ganzen Morgen in Strömen geregnet hat: und wenn schon.

Die Kölner sind kreativ. Viele haben Handtücher dabei, die jetzt auf den Plastiksesseln oder Holzbänken liegen. Die meisten haben ihre Kostüme mit durchsichtigen Regencapes überzogen. Lautsprecher, Bierfässer und alles was nicht nass werden darf, liegt, in blaue Müllsäcke gepackt, am Straßenrand. Für ihren Aufwand und ihr Kommen werden die Jecken belohnt. Hatte es es morgens noch in Strömen geregnet, reißt der Himmel pünktlich zum Zugbeginn auf und zeigt sich – zumindest für kurze Zeit – in strahlendem Blau.

„Aber das gehört nun einmal dazu“, sagt Peter von den „Lostige Pierrots“. Er steht zusammen mit seinen Freunden seit 36 Jahren am Zugweg, immer an der selben Stelle. „Das Wetter kannst du nie ganz kontrollieren, da muss man eben vorbereitet sein“, sagt er. Das sei in anderen Jahren auch schon genauso schlecht gewesen, aber noch lange kein Grund den Zug nicht zu schauen. „Wir lassen uns doch nicht den Rosenmontag kaputtmachen.“

Um kurz nach acht Uhr sind er und seine Freunde eingetroffen, fünfundvierzig Leute sind sie dieses Jahr. „Leider etwas weniger als sonst“, sagt er und schiebt dann nach: „Wegen Silvester haben einige abgesagt.“ Dabei seien die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Jahr sogar besser als sonst, sagt er schulterzuckend und zeigt auf eine der unzähligen Polizeigruppen, die in ihren knallgelben Westen sofort auffallen.

Alle paar Meter stehen sie in kleinen Gruppen und warten mit den Jecken auf den Zug. Viele von ihnen lachen, scherzen ein wenig mit den Besuchern. Angespannt wirkt keiner. Viele werden freudig gegrüßt. Wenn später die Polizeiwagen vor dem Zug herfahren und hupen, jubelt die Menge ihnen zu. Aus einigen Westentaschen der Beamten baumeln „Strüßje“, die die Feiernden den Helfern zugesteckt haben. Ein kleiner Dank für die vielen Mühen und vielen Überstunden der Kölner Polizisten.

„Das haben die sich auch verdient“, meint Lothar Wagner. Der gebürtige Kölner mit großen, weißen Schnäuzer steht auf einer der vielen Tribünen entlang des Weges. Das erste Mal, wie er sagt. „Sonst sind wir immer im Zug mitgegangen, aber dieses Jahr schauen wir den Mal von außen“, sagt er lachend. Dass die Polizei dieses Jahr so starke Präsenz zeige, findet er gut. „Das ist doch besser, als wenn sich ein paar Idioten die Köpfe einschlagen“, sagt er.


Keine Anzeigen bis zum Mittag

Die starke Polizeipräsenz scheint tatsächlich Wirkung zu zeigen. Keine einzige Anzeige notierte die Polizei bis 13 Uhr am Rosenmontag. Was sowohl am Sicherheitskonzept liege, als auch daran, dass einfach weniger Menschen da sind. „Die Unwetterwarnung hat einige Besucher abgeschreckt“, sagte Polizeisprecherin Martina Dressler dem Handelsblatt. Das mache sich auf den Straßen bemerkbar, die teilweise deutlich leerer seien. An Bahnübergängen, durch die man sonst mithilfe des Ordnungsamts geschoben wurde, ist es dieses Jahr wie ausgestorben, abseits des direkten Zugwegs sind kaum Menschen unterwegs. Ebenso sieht es auf den Tribünen aus. Sind sie sonst voller Leute, gibt es dieses Jahr den ein oder anderen freien Platz. „Die Einsatzlage ist sehr ruhig“, fasst Dressler zusammen.

Ganz ähnlich sieht es auch am „Frauen Security Point“ am Roncalliplatz aus: An Weiberfastnacht habe man keine einzige Beratung führen müssen, heißt es dort. Und auch am Rosenmontag ist zur Mittagszeit noch alles ruhig.

Und doch tragen einige Besucher nach den Übergriffen an Silvester eine leise Sorge mit sich herum. „Wir haben uns im Vorfeld natürlich Gedanken darüber gemacht“, sagt etwa Annalena. Sie ist zusammen mit ihrer Freundin Ann-Katrin aus Remscheid in die Jeckenhochburg gefahren. Obwohl sie etwas besorgt waren, wollten sie sich unbedingt mal den Zug anschauen. „Wir laufen später immer in einer größeren Gruppe rum, das ist unser Schutz“, sagt Ann-Katrin.

In einer großen Gruppe unterwegs sein: So machen es auch Erna Heblinski und ihre Freunde von der „Rheinischen Karnevalsgesellschaft zu Berlin“. Sie sind extra aus der Hauptstadt angereist und freuen sich umso mehr auf den Zug – auch, wenn die Attacken von Silvester gerade den Damen im Gedächtnis hängen geblieben sind. „Wir sind zu siebt und bleiben zusammen“, sagt Helbinski, das werde schon hinhauen. „Und für alle Fälle habe ich auch ein Pfefferspray dabei.“ Dann muss sie weg: „Dr' Zoch kütt!“

Als der erste Wagen an der Menschenmenge vorbeifährt, scheinen die Sorgen verschwunden. Strahlende Gesichter, lautes Singen, viele haken sich gegenseitig ein und schunkeln, andere fangen die Kamelle aus der Luft. Von Angst vor Terror oder sexuellen Übergriffen keine Spur. Stattdessen feiern diejenigen ausgelassen, die sich trotz der Unwetterwarnung zum Zug getraut haben. Aus einer Box dröhnt es: „Ein dreifaches Alaaf für den Mann, der alles möglich gemacht, meine Damen und Herren. Kuckelkooorn“, und die Menge antwortet lautstark: „Alaaf.“

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