Kölner OB-Kandidatin Henriette Reker „Sie ist keine Politikerin“

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Warum sie mehr Unterstützung von Land und Bund fordert

Auch Reker selbst bezeichnet sich nicht als Politikerin, sondern als Verwaltungsfachfrau – ihren Stil als „Professionalisierung der Verwaltung“. Dass diese nötig sei, zeige die aktuelle Posse um die verschobene Wahl: Weil die Parteinamen auf dem Wahlzettel rund zweieinhalb Mal so groß gedruckt waren als die der Kandidaten, kassierte die Düsseldorfer Bezirksregierung die fehlerhaften Stimmzettel ein. Da rund 53.000 Briefwähler ihre Stimme bereits abgegeben hatten und nun erneut abstimmen müssen, ist die Wahl um einen Monat verschoben worden. Angesichts erneuter Verwerfungen bei einer SPD-geführten Wahl sagt Reker: „Dass man die Chance nicht genutzt hat, nach dem Wahldebakel Anfang des Jahres verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, zeigt, dass sich etwas verändern muss.“

Ihre eigenen Verwaltungsfähigkeiten stellte die Juristin bis zum Wahlkampfauftakt als Flüchtlingsbeauftragte unter Beweis: Als im angespannten Kölner Wohnungsmarkt Platz für ankommende Flüchtlinge knapp war, zögerte sie nicht, Unterkünfte in 37 Kölner Pensionen und Hotels für rund 2000 Flüchtlinge anzumieten. Und schlug so zwei Fliegen mit einer Klappe: „Wir haben Betriebe, ganz überwiegend kleine, die es schwer haben im Konkurrenzdruck mit neuen Hotels.“ Da überlege man sich, ob nicht ein anderes Geschäftsmodell gewinnträchtiger sei – „und das darf man natürlich auch. Uns sind die Hotels angeboten worden, darüber war ich froh.“

Auf einem drängenden Gebiet – in diesem Jahr rechnet NRW mit dem Zuzug von rund 200.000 Flüchtlingen – hat Reker damit schon einmal Erfahrung gesammelt. Ihre Antwort auf die Zukunft: „Köln ist eine wachsende Stadt – aber nicht alle Einwohner werden hier geboren.“ Viele wandern zu – mit ihren Kulturen und Lebensvorstellungen. „Da wird man aushandeln müssen, wie wir uns die Stadt und das Zusammenleben darin vorstellen.“

Tag der Weltmarktführer in Köln
WirtschaftsWoche-Redakteur Franz W. Rother begrüßte die Gäste beim Weltmarktführer-Treff in Köln am 23. und 24. April 2015. Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
Ute Berg Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
Zum Thema "Singapur - Ihre bessere Hälfte in Asien" referierten Tobias Ang, Centre Director des Singapore Economic Development Board... Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
... und Dr. Andreas Hecker, Vice President Global Research & Development bei Leica Microsystems. Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
Beim Kaminabend am Donnerstag stand Alexander Wehrle, der Geschäftsführer des 1. FC Köln, zum Interview bereit. Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
Am Freitagmorgen begrüßte Jürgen Roters, Oberbürgermeister der Stadt Köln, die Gäste. Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche
Roters und Dezernentin Ute Berg posieren für eine Aufnahme am Rande der Veranstaltung. Quelle: Jörn Wolter für WirtschaftsWoche

Würde sie im Oktober oder November gewählt, wäre sie nicht nur die erste Parteilose, sondern auch die erste Frau, die eine Millionenstadt regiert. Für „ihren“ Fachbereich hat sie in diesem Fall einen umfassenden „Masterplan“ im Sinn: „Bei den Flüchtlingen ist es mit der Unterbringung nicht getan. Viele dieser Menschen werden hierbleiben.“

Deshalb müssten Flüchtlingswohnungen bei Neubaugebieten eingeplant werden – ändere sich die Situation, seien diese bei der prognostizierten Zuzugsrate auch anderweitig nutzbar, so Reker. Wie viele Kommunalpolitiker fordert auch sie mehr Unterstützung von Land und Bund: „Wir können nicht den Menschen, die hier ein neues Zuhause finden wollen, vorwerfen, dass sie kein Deutsch können – und dann keine Deutschkurse anbieten.“

Angesichts der geänderten Sitzkonstellation im Stadtrat könnte den Kölnern bei einem Wahlsieg Rekers dreienhalb Jahre vor der nächsten Kommunalwahl 2019 wieder ein Regierungswechsel bevorstehen. Sowohl die Wählerinitiative „Deine Freunde“ sowie die Freien Wähler unterstützen Reker. Die Piraten haben sich für keinen Kandidaten ausgesprochen, eine Koalition mit der AfD oder den Anti-Islamisten von Pro Köln ist auf beiden Seiten unwahrscheinlich. Bleibt Rot-Rot-Grün, was angesichts des Verhältnisses zwischen Grünen und SPD derzeit ebenfalls unwahrscheinlich scheint – oder eben Jamaika.

Bei der Gründung zur Wählerinitiative sprach Altpolitiker Gerhart Baum denn auch eine politische Weisheit aus: „Für Politiker an der Macht ist nichts gefährlicher als Wechselstimmung.“ Bei rund einer Million Kölnern, deren Wahlgang zum zweiten Mal von heftigen Turbulenzen begleitet wird, könnte die nun aufkommen – zum Vorteil von Henriette Reker.

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