Kohlehäfen am Great Barrier Reef Gabriel soll das Riff retten

Das weltgrößte Korallenriff, das Great Barrier Reef, ist bedroht: Australien will riesige Kohlehäfen bauen – und die deutsche Staatsbank KfW ist an Bord. Umweltschützer fordern, dass der Wirtschaftsminister eingreift.

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Luftaufnahme des Great Barrier Riffs vor der Küste Australiens: Gefahr durch rasante industrielle Entwicklung des Landes. Quelle: dpa

Berlin Mehrere Umweltorganisationen halten es für unverantwortlich, dass die staatliche Förderbank KfW Geld für ein Kohlehafenprojekt in Australien gibt, dass in der Nähe des ökologisch sensiblen Welterbes Great Barrier Reef liegt. Sie fordern, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als Vorsitzender des KfW-Verwaltungsrats sein Veto gegen das Projekt einlegt. Das Thema könnte bereits am Mittwoch auf der Agenda der Sitzung des KfW-Verwaltungsrats stehen.

Thilo Maack, Meeresbiologe bei Greenpeace Deutschland, verwies auf die Deutsche Bank. Die habe sich schließlich entschieden, als Kreditgeber für ein ähnliches Projekt, den Ausbau des Kohlehafens „Abbot Point“ in der Nähe des Riffs, auszusteigen. „Jetzt müssen die nächsten Schritte gegangen werden, es darf nicht dazu kommen, dass der Hafen gebaut wird und die dabei entstehenden Sedimente das Korallenökosystem des Great Barrier Reef zerstören“, sagte Maack Handelsblatt Online.

Jörn Ehlers vom World Wide Fund For Nature (WWF) in Deutschland warnte die KfW davor, ihre „sinnvollen“ Projekte wie die Finanzierung erneuerbarer Energien oder ihr Einsatz beim Thema Energieeffizienz zu konterkarieren. „Sie darf nicht die eigenen Leistungen entwerten und auch Gelder deutscher Steuerzahler für klimaschutzvernichtende Kohleprojekte einsetzen“, sagte Ehlers Handelsblatt Online. „Wertvolle und nachhaltige Entwicklungspolitik ist mit Kohle nicht vereinbar.“ Die KfW als staatliche Förderbank solle daher ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden und sich aus der Kohlefinanzierung verabschieden.

„Das beinhaltet den Ausstieg aus der  Finanzierung von Infrastruktur etwa Häfen oder Kraftwerke genauso wie die Minen selbst“, sagte Ehlers weiter. „Diese Politik muss für die Häfen am Great Barrier Reef genauso gelten wie für ähnliche Projekte  in anderen Teilen der Welt.“ Für einen erfolgreichen Klimaschutz sei ein Ausstieg aus der Kohle „zwingend“ erforderlich. Nur so lasse sich der Klimawandel unter Zwei-Grad Celsius begrenzen.

Die KfW versteht die Aufregung nicht und verteidigt das Engagement ihrer Tochter Ipex-Bank, die mit 110 Millionen Euro den Ausbau des Kohlehafens Wiggins Island unterstützt. Der Entscheidung, eine Reihe von Exporten deutscher Maschinen und Anlagen zum Bau und Betrieb des Hafens zu finanzieren, sei eine „Prüfung gemäß ihren Umwelt- und Sozialrichtlinien“ vorausgegangen, heißt es in einer Mitteilung der KfW. „In dem entsprechenden Environmental Due Diligence Report eines externen Gutachters von 2010 heißt es sinngemäß, dass keine Korallen oder Riffe beeinträchtigt werden und keine signifikanten Umwelt-Auswirkungen zu befürchten sind.“ Das Projekt habe zudem eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung nach anerkannten australischen Rechtsstandards bestanden.


„Es ist fatal, dass Australien seine Klimaziele aufgegeben hat“

Allerdings äußerten auch die Grünen Zweifel an dem Projekt. „Damit konterkariert sie (die KfW) nationale und internationale Klimaschutzziele und den Ausbau der erneuerbaren Energien“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer dem Handelsblatt vom Freitag. Wirtschaftsminister Gabriel solle sich deshalb dafür einsetzen, die finanzielle Beteiligung der Ipex am Ausbau von Kohlehäfen in Australien zurückzuziehen, schreiben vier Bundestagsabgeordnete der Grünen in einem dem Handelsblatt vorliegenden Brief. Als Vorbild wird in den Schreiben ebenfalls auf die Deutsche Bank verwiesen.

Die KfW weist demgegenüber darauf hin, dass sie nicht an der Finanzierung von „Abbot Point“ beteiligt sei. Wiggins Island liege etwa 600 km weiter südlich. Experten halten das Wiggins-Projekt dennoch für problematisch.

Das legt ein Bericht des Fachmagazins „Spektrum der Wissenschaft“ aus dem September 2013 nahe. Das Magazin beruft sich auf Umweltschützer, die sich unter anderem in der Kampagne Fight For Reef des WWF Australien und der Australian Marien Conservation Society organisieren. Nach deren Einschätzung müssen für den Bau des Kohleterminals auf der Insel Wiggins 6,3 Millionen Tonnen Seeboden ausgebaggert und der Schlamm entsorgt werden. Für die vier Raffinerien für Flüssigerdgas (LNG) wurden demnach schon 15 Millionen Tonnen Seeboden weggebaggert und ein knappes Drittel davon in einem ausgewiesen Schutzgebiet des Riffs entsorgt.

Greenpeace-Experte Maack gab überdies zu bedenken, dass die Korallen als kalkbildende Meeresorganismen durch den sinkenden ph-Wert des Meerwassers ohnehin als direkte Folge des Klimawandels in den kommenden Jahren „stärk geschädigt“ würden. „Es ist fatal, dass Australien seine Klimaziele aufgegeben hat“, sagte Maack. „Nur mit drastischen und kurzfristigen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Einrichtung großflächiger Meeresschutzgebiete können die sensiblen marinen Ökosysteme gegen die Folgen des ständigen CO2-Anstiegs in der Atmosphäre und dem Meerwasser gewappnet werden.“

Michael Müller, SPD-Vordenker und Bundesvorsitzender der Naturfreunde Deutschlands, bezweifelt allerdings, ob die Politik die richtigen Schlüsse zieht. „Wie kann es sein, dass die Folgen so bekannt sind wie gerade beim Riff, aber es keine Kraft gibt, die aus dem Teufelskreis ausbricht“, sagte Müller Handelsblatt Online. Der Widerspruch zwischen Wissen und Handeln werde größer – auch in Bezug auf den globalen Klimaschutz. „Immer weniger ehrgeizige Ziele und schon gar keine Verbesserungen“, kritisierte Müller. Seit dem sogenannten Erdgipfel, einer Uno- Konferenz zu Umwelt und Entwicklung, die 1992 in Rio de Janeiro stattfand, sei der CO2-Ausstoß von 21 Milliarden Tonnen auf rund 37 Milliarden Tonnen gestiegen. „Zum Verzweifeln“, so Müller.


„Zustand des Riffs in alarmierender Weise verschlechtert“

Das Große Barriere-Riff erstreckt sich vor der gesamten Ostküste von Queensland, Nordost Australien. Das entspricht 2.300 Kilometern vor der Küste und umfasst etwa 350.000 Quadratkilometer - mit 900 Inseln und 2.900 Riffen, die über 400 Korallen-, 1.500 Fisch-, 4.000 Mollusken-, 240 Vogelarten. Damit ist es das größte Korallenriff und eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde. Seit 1975 gilt das Great Barrier Reef nach astralischem Recht als Naturschutzgebiet, seit 1981 steht es in der Welterbeliste der Unesco, und seit 1990 ist es von der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO als besonders empfindliches Seegebiet (Particularly Sensitive Sea Area/PSSA) ausgewiesen.

Laut WWF hat sich der Zustand des Riffs seit den 1960er Jahren „in alarmierender Weise verschlechtert“: Während 1960 noch geschätzte 50 Prozent der Fläche des Great Barrier Reef Marine Parks mit Korallen bedeckt war, waren es 1985 schon nur noch 28 Prozent und nach 27 Jahren Monitoring 14 Prozent der Fläche. Damit sei allein in den vergangenen 27 Jahren die Korallenbedeckung um insgesamt 50 Prozent zurückgegangen, 34 Prozent der küstennahen Riffe seien „gänzlich zerstört“, heißt es in einer in diesem Jahr veröffentlichten WWF-Analyse. Als Hauptgründe werden die verschlechterte Wasserqualität durch Verschmutzung und die erhöhte Ablagerung von Sedimenten auf den Korallen genannt.

Auf die Probleme hat selbst der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung „Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) schon hingewiesen. Ohne das Great-Barrier-Riff explizit zu erwähnen, weisen die Experten in einem Gutachten aus dem Jahr 2013 darauf hin, dass die Meere trotz zahlreicher völkerrechtlicher Abkommen und freiwilliger Verpflichtungen immer noch „massiv“ überfischt, verschmutzt und zunehmend als letzte große Ressourcenquelle der Erde ausgebeutet würden. Sie schlagen daher vor, alle Meereszonen mit Ausnahme des Küstenmeeres zum gemeinsamen Erbe der Menschheit zu erklären.

Das Gutachten zeigt zudem, dass ein nachhaltiger Umgang mit den Meeren „dringend notwendig“ sei. Indirekt sprechen sich die Experten damit auch klar gegen Kohleförderung und -export aus, wie dies an der Nordküste Australiens geplant ist. „Für die Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft sollten die bislang von fossilen Energieträgern dominierten Energiesysteme auf erneuerbare Energieerzeugung umgestellt werden“, heißt es in der Expertise. „Damit die Nutzung nachhaltig erfolgt, muss die Umweltverträglichkeit bei erneuerbaren Meeresenergienutzungen bereits in sehr frühen technologischen Entwicklungsphasen ein zentrales Entwicklungskriterium sein.“

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