Kohlendioxid in Abgas-Tests Großzügige Regeln lassen fast alle Autos bestehen

Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt liegen die CO2-Werte fast aller Autos im grünen Bereich. Ein großzügiges Gesetz macht es möglich.

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Abgastest bei einem Opel Zafira Quelle: Deutsche Umwelthilfe

Vier Jahre Ministeramt hinterlassen ihre Spuren. Als Alexander Dobrindt kürzlich vor die Presse tritt, um die Ergebnisse seiner CO2-Tests zu präsentieren, klingt er wie ein langgedienter Bürokrat. Er wolle dem Bundestag vor der Sommerpause einen Teilbericht „zuleiten“, sagt der Verkehrsminister im schönsten Beamtendeutsch.

Dutzende Autos hatte er noch einmal testen lassen, nachdem sie vor über einem Jahr durch hohe CO2-Werte aufgefallen waren. Doch die Werte jener 19 Autos, für die die Untersuchung weitgehend abgeschlossen ist, liegen fast alle im gesetzlichen Rahmen. Nur die Abgaswerte eines Opel Zafira und eines Smart von Daimler wiesen „Abweichungen vom Katalogwert“ auf. Den Smart will Dobrindt nun noch genauer prüfen.

Daraus könnte der Schluss folgen, dass die Autos doch sauberer sind als noch vor gut einem Jahr gedacht. Doch womöglich schaffen die Hersteller die Grenzwerte nun nur deshalb, weil sie an allen möglichen Stellen ein paar Prozent vom gemessenen Kohlendioxidwert abziehen dürfen – mit dem Segen des Gesetzgebers.

Wie der Diesel langsam in Europa verschwindet

Bei einer ersten Messung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) infolge des VW-Skandals kam nämlich heraus, dass die Werte von 30 Fahrzeugen um bis zu 36 Prozent über dem Wert lagen, der in den Zulassungspapieren steht. Das galt etwa für drei Autos von Daimler. Die Stuttgarter haben daraufhin drei Mercedes C-Klasse selbst geprüft. Heraus kam: Die Autos stießen zwischen 124,79 und 127,91 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer aus. Zugelassen ist das Auto mit 119 Gramm – macht 4,9 und 7,5 Prozent zu viel.

Daimler zog bis zu acht Prozent von den Messwerten ab

In einer Präsentation erklärt Daimler, die Werte seien in Ordnung. Hersteller dürfen bei Abgasmessungen zum Beispiel acht Prozent von den tatsächlich gemessenen Werten abziehen. Daimler hatte bei seinem Test einmal acht, einmal vier und dann noch mal jeweils zwei Prozent abgezogen, etwa um zu korrigieren, dass bei verschiedenen Temperaturen getestet wurde. Nach Abzug hatte die C-Klasse vorbildliche Werte. Daimler sagt, „Toleranzen bei Emissionsmessungen“ seien gesetzlich geregelt.

Diese Diesel haben besonders schlecht abgeschnitten
Fiat Doblò 1.6 Multijet Quelle: Fiat
Kia Optima 1.7 CRDi ISG Quelle: Kia
Mercedes-Benz C-220 CDI T-Modell Quelle: Daimler
VW Passat 2.0 TDI BlueMotion Technology Quelle: Volkswagen
Skoda Ocatvia 1.6 TDI Greenline Combi Quelle: Skoda
BMW 118d Quelle: BMW
Renault Grand Scénic 1.6 dCi130 Quelle: Renault

Das Gesetz erlaubt die Abzüge. Dadurch kommen viele Autos durch den Test, obwohl sie eigentlich zu viel Dreck ausstoßen.

Aus internen Unterlagen geht hervor, dass vor sieben Jahren schon ein mit Benzin betriebener Smart ForTwo Cabrio dem KBA auffiel, weil er gut elf Prozent mehr Kohlendioxid ausstieß, als er sollte. In einem Protokoll eines Daimler-Mitarbeiters heißt es hierzu: „Dabei ergibt sich für das KBA eine zu hohe Abweichung.“ Daimler erklärt heute, die Werte des Smart lägen „innerhalb der gesetzlichen Vorgaben“.

Ende des Abgasskandals nicht in Sicht

Ab 2021 wird der Druck auf die Hersteller erst noch einmal höher. Ab dann dürfen die Flotten europäischer Hersteller im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Daimler und Co. dachten lange, dass sie das schaffen – weil sie viele Diesel verkauften, die weniger Kohlendioxid ausstoßen als Benziner. Infolge des VW-Skandals werden jedoch weniger Diesel verkauft.

Schaffen die Konzerne das 95-Gramm-Ziel nicht, wird es teuer: Auf VW könnten laut der Beratungsgesellschaft PA Consulting ab 2021 jährlich Strafzahlungen von einer Milliarde Euro zukommen. Für BMW könnten es 350 Millionen Euro sein.

EU will feste Grenzwerte fallen lassen

Nach 2021 sollten eigentlich noch härtere Vorgaben folgen. Nun deutet jedoch einiges darauf hin, dass sich die Situation danach eher entspannt. Nach Informationen der WirtschaftsWoche hat die EU-Kommission gegenüber Herstellern und Nichtregierungsorganisationen durchblicken lassen, dass sie sich von Grenzwerten pro Kilometer verabschieden will. Vielmehr will sie nach 2021 prozentuale Verbesserungen fordern, weil die Datenlage wegen eines neuen Testzyklus unübersichtlich wird. „Hersteller, die bisher wenig erreicht hätten oder große Autos bauen, würden belohnt“, sagt der niederländische EU-Abgeordnete Bas Eickhout von den Grünen.

Von politischer Seite lässt der Druck damit ein wenig nach, nicht allerdings vonseiten der Justiz. Verschiedene Staatsanwälte ermitteln gegen VW, Audi und Daimler wegen des Verdachts, bei den Abgaswerten gemogelt zu haben. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft sogar ein Verfahren gegen Opel, das eigentlich bereits eingestellt war. Mit Dobrindts Bericht ist das Thema Abgaswerte für die Hersteller längst nicht erledigt.

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