„KoKo“ statt „GroKo“? Wie SPD und Union zusammen regieren könnten

Die SPD-Linke befürchtet, in einer Großen Koalition nur als Teil eines „monolithischen Blocks“ wahrgenommen zu werden. Parteichef Schulz stellte daher eine Kooperationskoalition vor. Wie eine „KoKo“ aussehen könnte.

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KoKo: Wie SPD und Union zusammen regieren könnten Quelle: dpa

Berlin/Hamburg In der SPD wird angesichts des Widerstandes gegen eine Große Koalition eine für Deutschland ganz neue Form der Regierungszusammenarbeit geprüft. Parteichef Martin Schulz erläuterte nach Teilnehmerangaben in der Fraktionssitzung am Montagabend ein Modell, bei dem nur bestimmte Kernprojekte im Koalitionsvertrag verankert werden.

Andere bleiben bewusst offen, damit sie im Bundestag diskutiert und ausverhandelt werden können. Das würde Raum geben zur Profilierung – und zu wechselnden Mehrheiten.

Ein Sprecher betonte, das sei einer von mehreren denkbaren Wegen. Die Idee einer Kooperationskoalition („KoKo“) stammt von der Parteilinken. Der Sprecher der Parlamentarischen Linken, Matthias Miersch, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir waren sehr, sehr stark an die Bundesregierung gebunden.“ In Teilen der SPD wird der Koalitionsvertrag mit der Union von 2013 heute kritisch gesehen.

Auf 185 Seiten wurde alles bis ins letzte Detail verhandelt und dann vier Jahre lang in Gesetze gegossen – am Ende war vielen Bürgern nicht klar, wer zum Beispiel für die Durchsetzung des Mindestlohns verantwortlich war. Die SPD fürchtet, wieder als Verlierer aus einer „GroKo“ heraus zu gehen.

Wenn bestimmte Themen offen bleiben, könnte sie – so das Kalkül – beim Ringen um Projekte deutlicher machen, wer wofür steht und was auf wessen Betreiben durchgesetzt wird, notfalls auch mit anderen Mehrheiten. Als ein Beispiel gilt die gegen die Union durchgesetzte Ehe für alle.

Miersch betonte, die SPD sei mit so einem Modell viel freier, es werde nicht wie bisher „penibel aufgeschrieben, was wir in allen Fachbereichen machen“. CDU, CSU und SPD seien nur noch als ein einziger monolithischer Block wahrgenommen worden und die SPD habe Anträge von Linken und Grünen aus Koalitionsräson ablehnen müssen, „obwohl sie in unserem eigenen Wahlprogramm standen“. Miersch betonte: „Wir haben dann die Freiheiten auch jenseits einer solchen Zusammenarbeit wirklich mit anderen Fraktionen zu stimmen.“

Es gehe um fünf bis zehn Projekte, die man gemeinsam verabredet und durchsetzt, darunter sicher der Bundeshaushalt. „Ich würde es eine Kooperation nennen, das ist viel freier als eine Koalition.“ Ein Abgeordneter meinte dazu: „Das wäre eventuell eine Brücke, über die viele in der SPD gehen könnten.“

An diesem Mittwoch kommen CDU-Vorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel, CSU-Chef, Horst Seehofer, SPD-Chef Martin Schulz und die Fraktionschefs zu einem ersten Gespräch zusammen. Dabei geht es um das Ausloten von Gemeinsamkeiten und das weitere Vorgehen.

Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz rief alle Beteiligten zur Zurückhaltung bei ihren Forderungen auf. „Es wäre nicht klug, in dieser Phase rote Linien zu ziehen oder Punkte für unverhandelbar zu erklären“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Daran seien die Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen gescheitert. „Deshalb tut die Sozialdemokratische Partei das nicht, und - wenn ich das richtig sehe - tun das auch die Verantwortlichen in der Union nicht.“
Gleichzeitig werden aus der SPD auch andere Stimmen laut.


„SPD ist finanziell in der Lage, einen Wahlkampf zu organisieren“

Scholz Parteikollege Johannes Kahrs, der Sprecher des Seeheimer Kreises der SPD, etwa sagte, ohne gemeinsame Schwerpunkte werde es keine neue Zusammenarbeit mit der Union geben.

Statt für rote Linien plädierte er für einen roten Faden: „Zentral wird sein, dass man gemeinsame Projekte für eine Kooperation, eine Minderheitsregierung oder eben doch eine schwarz-rote Regierung findet. Notwendig wären Ziele mit Strahlkraft, die uns weitertragen, auch wenn es einmal schwierig wird.“ Daran habe es bei den Jamaika-Gesprächen völlig gefehlt. Für die SPD steht die Stärkung der EU ganz weit vorne.

Auf die Frage, wie sich die SPD auf mögliche Neuwahlen vorbereite, ging Hamburgs Regierungschef Scholz nicht konkret ein. Im Augenblick bereiteten sich die Sozialdemokraten auf Gespräche vor, ob und wie eine Regierungsbildung in Deutschland möglich werde. „Solche Gespräche führen wir nicht, um sie von vornherein scheitern zu lassen“, betonte Scholz.

Der SPD-Vorstand will am Freitag entscheiden, ob die Partei Sondierungsgespräche mit der Union aufnimmt. Im neuen Jahr soll dann ein Sonderparteitag über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden. Wird dabei ein Koalitionsvertrag ausgehandelt, wird er den SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorgelegt.

Bei einem Nein der SPD-Basis könnte es zu einer Minderheitsregierung durch die Union oder zur Neuwahl kommen. Ob die SPD dann ein Finanzproblem bekomme? „Nein, die SPD ist in jeder Situation finanziell in der Lage, einen Wahlkampf zu organisieren“, sagte Scholz der dpa.

Unterdessen wirbt Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) für „eine Koalition der innenpolitischen Vernunft“. Gerade bei der inneren Sicherheit gebe es viel größere Schnittmengen zwischen CDU und SPD als es sie bei einem Jamaika-Bündnis gegeben hätte, sagte Reul in Düsseldorf. Einigungspotenzial sehe er etwa bei der Vorratsdatenspeicherung.

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