Konflikt eskaliert Merkel kritisiert türkische „Reisewarnung“

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Reisewarnung für Türkei hätte schwerwiegende Konsequenzen

In der Türkei sind derzeit nach Angaben des Auswärtigen Amtes mindestens zehn Deutsche unter politischen Vorwürfen inhaftiert. Darunter ist etwa der „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel, der am Sonntag seinen 44. Geburtstag beging. Gegen Yücel wurde im Februar wegen Terrorvorwürfen Untersuchungshaft verhängt, eine Anklage liegt weiterhin nicht vor. Merkel sagte zu Yücel: „Er sitzt nach unserer Meinung völlig unbegründeterweise im Gefängnis.“

Das Auswärtige Amt erlässt Reisewarnungen nach eigenen Angaben nur, „wenn in einem bestimmten Land jedem Deutschen eine akute Gefahr für Leib und Leben droht, wie zum Beispiel derzeit in Syrien oder Irak. Eine Reisewarnung ist ein dringender Appell des Auswärtigen Amts, Reisen in ein Land oder in eine Region eines Landes zu unterlassen. Deutsche, die dort leben, werden zur Ausreise aufgefordert.“

Eine Reisewarnung für die Türkei hätte schwerwiegende Konsequenzen: Zwar ist die Türkei unter deutschen Touristen nicht mehr so beliebt wie vor der Krise, dennoch stellen Bundesbürger nach den Russen immer noch die größte Urlaubergruppe im Land. Nach Angaben des Tourismusministeriums in Ankara besuchten dieses Jahr bis Ende Juli mehr als 680.000 Deutsche die Türkei, die mit günstigen Preisen vor allem Last-Minute-Urlauber aus der Bundesrepublik anlockt.

Die Reisewarnung hätte aber nicht nur Auswirkungen auf den Tourismus: Deutsche Firmen könnten kaum noch Vertreter in die Türkei entsenden, wenn das Auswärtige Amt davor ausdrücklich warnen würde. Unklar ist auch, ob und wie deutsche Versicherungen Bundesbürger in der Türkei unter diesen Umständen noch versichern würden. Tausende Deutsche, die vorübergehend oder dauerhaft in der Türkei leben, müssten sich entscheiden, ob sie der Aufforderung zur Ausreise Folge leisten.

Das türkische Außenministerium ruft nicht dazu auf, Deutschland zu verlassen - was angesichts von knapp drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln auch unrealistisch wäre. Zwar handelt es sich bei der „Reisewarnung“ augenscheinlich um ein politisches Manöver. Dessen ungeachtet beklagen Türken in Deutschland aber tatsächlich eine wachsende Fremden- und Türkeifeindlichkeit. Deutschtürken kritisieren auch, dass sie für die Politik von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mitverantwortlich gemacht würden - und zwar unabhängig von ihrer eigenen politischen Haltung.

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