Konjunktur Duisburg: Besichtigung eines Industrie-Stillstands

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Schiff im Duisburger Hafen Quelle: dpa/dpaweb

Die vernagelten Fenster der Wohnungen jedoch, die teils mit Gitterosten abgeschottet sind, passen zurzeit eher zur Lage und zur Stimmung im Revier. Sie wird wieder pessimistischer. Die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat von ThyssenKrupp-Steel hat am Wochenanfang geschlossen den neuen Stahlchef Edwin Eichler abgelehnt. So etwas hat es im konsenssüchtigen Revier noch nie gegeben.

Seit Montag geht es um tiefes, zum Teil auch engstirniges Misstrauen gegenüber einem Außenseiter im Topmangement. Eichler kennt nicht das Grau der Stahlstädte. Sein bisheriger Arbeitsplatz war der wesentlich feinere Düsseldorfer Vorort Grafenberg, wo das Handelsgeschäft von ThyssenKrupp in einem eleganten Flachbau beheimatet ist - in Sichtweite nicht zu Elendsquartieren, sondern zu einem BMW-Händler und der Metro-Zentrale. Und nur wenige Schritte von hier liegt der Stadtteil Zoo, der als Millionärsviertel gilt.

Tristess im Hafen

Spaziergänger in Duisburg-Bruckhausen gibt es nicht, die Fußgängerwege haben keine Funktion. Wem das zu grau und pessimistisch ist, wer sich frischen Wind um die Nase blasen lassen will, sollte auf dem Weg zurück aus der Straßenbahn in Richtung Hauptbahnhof aussteigen. Haltestelle 1000-Fenster-Haus, so heißt ein wilhelminischer Massivbau, der direkt an der Zufahrtsstraße zu Duisburg-Ruhrort liegt, dort, wo vor über 200 Jahren Franz Haniel sein Handels- und Speditionsgeschäft gründete.

In Ruhrort, wo die Haniel-Zentrale noch heute liegt, ist die Schiffsanlegestelle für eine Hafenrundfahrt. Der Duisburger Binnenhafen ist laut Eigenwerbung mal der größte Europas, mal der größte der Welt - je nach Kapitän des Ausflugsdampfers, der gerade Dienst hat.

Doch auch die Hafenrundfahrt wird zur Geisterfahrt auf dem Wasser. Der Duisburger Bulk-Terminal (DBT) gleicht am Nachmittag um 15 Uhr einem Großbetrieb in den Stunden kurz vor Heiligabend. Dort, wo eigentlich Manganerze aus Narvik für die Hochöfen vom Binnenschiff aus Rotterdam in die Eisenbahnwaggons verladen werden sollen, dreht sich keiner der blauen Kräne. Neben den Manganerzhalden, die einsam in der Frühlingssonne glühen, stehen die Hallen mit dem Schwefelkies, der ebenfalls für die Hochöfen benötigt wird.

Vor den Hallen bewegt sich kein Waggon, kein Lastwagen, kein Mensch. Und dies wäre vielleicht ein Zufall zur schönsten Arbeitszeit, wenn nicht auch der Rhenus-Stahlhafen, sonst ein emsiger Hort des Bruttosozialprodukts, ein unheimlicher Ruhepol im Duisburger Hafen wäre. Wo sonst Moniereisen, Draht und Stahlträger für die Bauindustrie verladen werden, dümpelt nur ein Binnenschiff, die "Lustratio", eher lustlos im Hafenwasser. Besatzung ist nicht in Sicht.

Duisburger Wohnviertel am Quelle: dpa/dpaweb

Der Hafenmeister kommt mit seinem Schiff "Hakon" entgegen, legt neben einem Dünnsäure-Schiff an, das für den Chemiebetrieb Sachtleben am anderen Rheinufer bestimmt ist. Hier jedenfalls wird gearbeitet, ebenso bei der Kokskohleentladung eines polnischen Binnenschiffs. Einer von drei Kränen dreht sich, zwei stehen still. Vor den Hallen des Logistikers Haeger und Schmidt erstreckt sich ein Schrottplatz, auf dem gerade eine Schiffsschraube verladen wird. An dem gegenüberliegenden Kohleterminal liegt kein Schiff, ist keines der Takraf-Krangeschirre in Aktion. Nur ein Radbagger kurvt auf den Kohlehalden unmotiviert herum, als ob der Fahrer die Geländegängigkeit seines Gefährts testen will.

Hinter den Hallen von Haeger und Schmidt werden, so erläutert der Kapitän, sonst "Walzbleche für England" verladen. Heute nicht. Wann denn? Der Duisburger Kapitän zuckt mit peinlicher Miene die Schultern: "Wahrscheinlich nachts". Selbst auf der "Schiffswerft Kleinholz" - tote Hose. Die Schubverbandsschlepper Herkules III und Herkules XV liegen fest. Ebenso der Schlepper "Franz Haniel", den von der Pier aus Touristen besichtigen. Als das Rundfahrtsschiff hinter dem Kaiserhafen die Ruhrmündung passiert, kommt ein Binnenschiff mit dreistöckig aufeinandergestapelten Containern entgegen - und das wenigstens fährt nicht nur volle Fahrt voraus, sondern ist auch "chic voll" beladen, wie der Kapitän des Rundfahrtschiffes erleichtert feststellt.

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