"Konservativer Aufbruch" in der CSU Besuch bei den Unionsrebellen wider Willen

In der CSU macht sich eine Basisbewegung gegen Angela Merkel und die „Modernisierung“ der Union stark – und findet im CDU-Abgeordneten Klaus-Peter Willsch einen Gleichgesinnten. Über allen schwebt der Geist eines toten bayrischen Politikers.

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CSU Quelle: dpa

Weißbier in den Gläsern und blauweiße Rauten-Fähnchen auf allen Tischen – so gehört sich das bei einer CSU-Veranstaltung. Auch Franz-Josef Strauß ist anwesend an diesem Abend in einem Nürnberger Gasthaus – als Bildpostkarte auf den Biertischen und sicher in den Herzen von vielen der knapp 70 Gäste. „FJS würde den Konservativen Aufbruch in der CSU unterstützen“ steht da unter seinem Bild.

 „Gerührt“ von der Strauß-Postkarte zeigt sich der Stargast dieses Abends: Klaus-Peter Willsch. Der CDU-Bundestagsabgeordnete aus Hessen erzählt, dass er schon 1979 in der Jungen Union dafür stritt, dass Strauß Kanzlerkandidat wurde. „Das war die Union, in die ich mal eingetreten bin“, sagt er. Das Publikum klopft zustimmend auf die Tische.

Partei-Bewegung gegen Eurorettung und Flüchtlingspolitik

Der „Konservative Aufbruch“ ist eine „CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“. Er ist so etwas wie die institutionalisierte Fronde gegen Angela Merkel, Eurorettung und „Willkommenskultur“ im Besonderen und die so genannte „Modernisierung“ der Union im Allgemeinen. Willsch ist beim KA also hoch willkommen. „Ich bin ein Fan von ihnen“, wird er noch vor Veranstaltungsbeginn begrüßt. Er ist einer der wenigen Mandatsträger in der CDU, die sich nicht nur kritisch gegen die Bundesregierung geäußert haben, sondern auch mehrfach gegen die so genannten Griechenland-Rettungspakete gestimmt haben.

Für Willsch, der bester Laune ist und viel lacht an diesem Abend, ist es ein Heimspiel in der Fremde. Sein aktuelles Buch – „Von Rettern und Rebellen. Ein Blick hinter die Kulissen unserer Demokratie“ – wird gut verkauft und Willsch selbst kommt bei den Zuhörern gut an. Hier mag man es, wenn jemand wie weiland Strauß noch „Sozis“ sagt. „Politiker von der Art bräuchten wir mehr in Berlin“, sagt jemand im Publikum zu seinem Nachbarn.

Willsch - Vater von fünf Kindern - kann mit Rebellenattitüde sichtbar wenig anfangen. Das wäre bei ihm auch wenig glaubwürdig. „Ich bin kein Freiheits- oder Widerstandskämpfer, bin nicht mit Hausarrest oder Straflager bedroht. Ich bin einfach nur frei gewählter Abgeordneter“, sagt Willsch. Er sei der Sohn eines Bauern und als solcher sei man eigentlich nicht rebellisch – „da versucht man einfach eine gerade Furche zu ziehen, aber vielleicht ist das heute schon rebellisch“. Damit trifft er genau die Stimmung der Zuhörer. 

Kein direkter Angriff auf Merkel

Man ist hier auf bayrischem, also CSU-Territorium. Der CDU-Fetisch des geschlossenen Auftretens und der Vermeidung öffentlicher Kritik an der Führung gilt hier nicht. „Klartext“ ist das Motto der Veranstaltung. Und Willsch erfüllt die Erwartungen: „Ich halte es für unerträglich, ausgerechnet Tsipras und Erdogan an die Lautstärkeregler zu lassen“, fasst er die Kritik an Euro-Rettungs- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zusammen. Der einzige Akt der Rücksichtnahme: Der Name Merkel kommt ihm während des gesamten Abends auf der Bühne nicht über die Lippen.

Willsch gehört nicht zum konservativen „Berliner Kreis“ der Union um die Abgeordneten Wolfgang Bosbach und Erika Steinbach. Doch deren Zurückhaltung, die Kanzlerin frontal und namentlich anzugreifen, gilt wohl auch für Willsch. Die Mitglieder des Konservativen Aufbruchs kennen diese Scheu nicht. Den Berliner Kreis achtet man, aber man hält ihn für allzu zahm. Als KA-Sprecher Thomas Jahn die Stimmung der Bevölkerung in seinem Kreis mit den Worten beschreibt: „Wir wollen euch wählen, aber nie wieder Merkel“, klatscht und johlt der ganze Saal. Sein Sprecher-Kollege David Bendels sagt: „Die CSU darf keine Kanzlerkandidatin Merkel bei den nächsten Bundestagswahlen akzeptieren.“

Der Konservative Aufbruch ist ein seltenes Phänomen

Der Konservative Aufbruch ist ein seltenes Phänomen in der professionalisierten Szene der etablierten Parteien: Eine Bewegung von engagierten, zum Großteil erstaunlich jungen Parteimitgliedern ohne berufspolitische Ambitionen. Bendels ist 31, seine Sprecherkollegen Linda Mergner, Thomas Jahn und Lars Bergen sind 34, 42 und 40 Jahre alt. Willsch, Geburtsjahrgang 1961, gehört an diesem Abend zu den Ältesten im Raum.

Was sind das für Leute? In seiner Trachtenjacke sieht Bendels bayrischer als alle anderen aus, doch er ist in Duisburg in einer Familie von Bergleuten und Gewerkschaftern aufgewachsen. Seine Lehrer seien alle „Alt-68er“ gewesen, die er als Ideologen empfand. Unter solchen Umständen konservativ zu werden, das sei schon „Rebellentum“, erzählt Bendels. Jahn berichtet ähnliches: Seine Lehrer seien entsetzt gewesen, als er sie 1988 bat, an der Beerdigung von Franz-Josef Strauß teilnehmen zu dürfen.

Für die Erneuerung der CSU

Ein rebellischer Akt unrebellischer Bürger, so könnte man den Konservativen Aufbruch vielleicht charakterisieren. Vor knapp zwei Jahren, im Juni 2014, haben Bendels und andere CSU-Mitglieder – unter bewusstem Verzicht auf die Teilnahme von Mandatsträgern – die „CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“ gegründet. Das auslösende Moment für ihr Engagement war damals, so erzählt Jahn, vor allem der enttäuschende Koalitionsvertrag.

„Die Führungsgremien der CDU und CSU … setzen den Kurs der Ausgrenzung konservativer und wirtschaftsliberaler Positionen … leider unbeirrt fort“, heißt es im Gründungsmanifest. Man trete „für eine Erneuerung der CSU auf christlich-konservativer und marktwirtschaftlicher Basis ein“. Man kämpfe „für eine umfassende Steuerreform mit einer echten Entlastung der arbeitenden Bevölkerung und für grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme“. Leitbild sei „die soziale Marktwirtschaft im Sinne Ludwig Erhards“, die in konservativen Tugenden wurzele: „Fleiß, Leistung, Sparsamkeit, Verantwortungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Einsatzfreude und Hilfsbereitschaft“.

Was man ablehnt: „die überstürzte Energiewende“, „Vergemeinschaftung der Staats- und Bankenschulden in der Europäischen Union“, („wer die Euro-Stabilitätskriterien dauerhaft nicht erfüllt, soll die Eurozone verlassen können“), die „Ausweitung der sogenannten doppelten Staatsbürgerschaft“, die „sinnlose, ideologische und unwissenschaftliche Gender-Mainstreaming-Forschung“ und vor allem eine „Parteiführung, die die Grundwerte der Union opfert, um sich den jeweils wechselnden medialen Stimmungslagen anzupassen“.

"Der Vorwurf, wir seien Spalter, ist absoluter Unsinn"

In der Unterstützerliste der Bewegung stehen mittlerweile über 10.000 der insgesamt rund 145.000 CSU-Mitglieder. „Es gibt Mandatsträger, die uns bekämpfen. Aber der Vorwurf, wir seien Spalter, ist absoluter Unsinn“, sagt Bendels. „Wir erhalten täglich E-Mails von Leuten, die schreiben: Nur weil es euch gibt, bin ich noch in der CSU. Mittlerweile hält auch Horst Seehofer zumindest neutral die Hand über uns, weil er merkt, dass wir der Partei nutzen. Wir halten konservative Leute in der CSU“, sagt Bendels. Er glaubt nicht, dass die Stärkung konservativer Positionen in der Union von oben, von den Berufspolitikern des „Berliner Kreises“ kommen könne. Das müsse über die Basis passieren, durch mühsame Arbeit in den einzelnen Kreisverbänden.

„Entweder man tritt aus der Partei aus, weil man sich mit ihr nicht mehr identifizieren kann“, sagt Linda Mergner, Ärztin und KA-Sprecherin für Oberfranken, „oder man versucht, sich die Partei zurück zu holen, in die man irgendwann mal eingetreten ist.“ Das wollen nun auch CDU-Mitglieder tun. In mehreren CDU-Landesverbänden, unter anderem in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, gründen sich gerade ähnliche Basisbewegungen nach bayrischem Vorbild.

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