Richterinnen mit Kopftuch könnten aus Sicht des Bunds Deutscher Verwaltungsrichter das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Justiz erschüttern. Dies gelte besonders in Fällen, in denen die Prozessparteien andere religiöse Überzeugungen als den Islam haben, erklärte Verbandschef Robert Seegmüller auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Eine ausgleichende Lösung zu finden, sei Aufgabe des Gesetzgebers. Ähnlich äußerte sich der deutsche Richterbund.
Hintergrund ist ein Fall aus Bayern. Das Augsburger Verwaltungsgericht hatte Ende Juni ein vom Landesjustizministerium erlassenes Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen für unzulässig erklärt, weil dieser Eingriff in die Religionsfreiheit nicht auf einem formellen Gesetz beruhte. Das Gericht gab damit einer muslimischen Jura-Studentin recht, die im sogenannten Vorbereitungsdienst bei der Justiz war.
Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) arbeitet wegen des Urteils nun an einem solchen Verbotsgesetz. Kritik kam auch von Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Uta-Maria Kuder (CDU): Offenkundige Glaubensbekundungen durch Justizbeamte seien unangebracht. Richterinnen oder Staatsanwältinnen würden den Staat repräsentieren. „Weil im Gerichtssaal ein besonders striktes Gebot staatlicher Neutralität besteht, sollte jeder äußere Anschein mangelnder Objektivität vermieden werden“, sagte sie.
Die wichtigsten Antworten zum neuen Integrationsgesetz
Um Fördern und Fordern. Es sollen 100 000 neue „Arbeitsgelegenheiten“ - darunter vermutlich Ein-Euro-Jobs - aus Bundesmitteln geschaffen werden. Ziel ist eine Heranführung an den Arbeitsmarkt und sinnvolle Betätigung während des Asylverfahrens. Integrationskurse sollen verpflichtend sein. Wer die Mitwirkung daran ablehnt oder abbricht, dem werden Leistungen gekürzt. Bei Straffälligkeit wird das Aufenthaltsrecht widerrufen. Zur Vermeidung sozialer Brennpunkte sollen Schutzberechtigte gleichmäßiger verteilt werden. Wer den zugewiesenen Wohnsitz verlässt, muss mit Konsequenzen rechnen.
Den Sicherheitsbehörden sollen mehr Befugnisse, Geld und Personal geben. Telekommunikationsanbieter müssen sich auf neue Verpflichtungen einstellen. Die Geheimdienste sollen künftig enger mit wichtigen ausländischen Partnerdiensten zusammenarbeiten. Die Internet-Branche ist aufgefordert, in einer freiwilligen Selbstverpflichtung aktiv gegen Terror-Propaganda in ihren Netzwerken vorzugehen.
Es sieht danach aus. Am Donnerstagmittag bei der großen Pressekonferenz im Kanzleramt soll auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) ihren Auftritt haben. Sie hat längst ein Gesetz fertig, um den Missbrauch von Werkverträgen und Leih- oder Zeitarbeit einzudämmen. Dann legte aber die CSU den Kompromiss auf Eis. Mit Werkverträgen vergeben Unternehmen etwa IT-Dienstleistungen, Catering- und Reinigungsdienste an andere Firmen.
Ungewiss. Klar ist, dass die Koalition den miesen Absatz von Elektroautos mit verschiedenen Maßnahmen ankurbeln will. So soll das spärliche Netz von Ladestationen ausgebaut werden. Höhe und Ausgestaltung einer möglichen Prämie für E-Auto-Käufer waren zuletzt immer noch offen. Wirtschaftsminister Gabriel hatte einmal 5000 Euro ins Spiel gebracht. Die Kosten würden sich Staat und Industrie teilen. In Koalitionskreisen war auch die Rede von einer Selbstverpflichtung der Autobranche, in heimische Batterietechnologie zu investieren. Schwarz-Rot muss etwas tun, weil die Bundesregierung vom Ziel, bis 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straßen zu bringen, bereits jetzt meilenweit entfernt ist.
Zuletzt hieß es in Parteikreisen, es sei keine Einigung in Sicht. Die Konfliktlinie verläuft hier eher zwischen der CSU auf der einen und CDU/SPD auf der anderen Seite. Zum 1. Juli muss die Reform der Erbschaftsteuer in Kraft sein. Das Bundesverfassungsgericht hatte gerügt, dass Erben großer Familienunternehmen mit Steuerbefreiungen zu gut wegkommen. Union und SPD hatten sich schon mehrfach geeinigt, die CSU hatte jedoch immer wieder Korrekturen zugunsten der Firmenerben verlangt. Dies war dann wiederum der SPD zu weitgehend, aber auch in der CDU sowie von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wurden die Forderungen der CSU kritisch gesehen. Ohne Neureglung bis Ende Juni droht Firmenerben, dass sie die Privilegien ganz verlieren.
Die Entscheidung der Bundesregierung ist in jedem Fall heikel. Sie wird aber noch in dieser Woche erwartet und möglicherweise bei der Pressekonferenz gleich mit bekanntgegeben. Merkel dürfte auf größtmögliche Geschlossenheit setzen. Die Regierung hat die Wahl zwischen einer Ermächtigung der Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung Böhmermanns wegen dessen vulgären Gedichts über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und dem Nein zu einem entsprechenden Wunsch der Türkei. So oder so wird es Kritik hageln: entweder aus Ankara, wo das Gedicht als Beleidigung Erdogans gewertet wird, oder in Deutschland, wo viele eine Beschränkung der Meinungsfreiheit fürchten.
Darauf vertrauen viele Koalitionspolitiker nicht. Dem Vernehmen nach hatten sich die drei Parteichefs bereits in der vorigen Woche im kleinsten Kreis darauf verständigt, nach den Zerwürfnissen vor allem zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik Ruhe walten zu lassen. Aber schon kurze Zeit später brachen CSU und SPD eine Rentendebatte vom Zaun. Alle drei Partner - und besonders die Sozialdemokraten - stehen angesichts sinkender Umfragewerte enorm unter Druck. Sie dürften versuchen, sich frühzeitig in Position zu bringen. Was die Union und SPD noch am ehesten eint: die Sorge vor einem weiteren Erstarken der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD).
Seegmüller vom Bund Deutscher Verwaltungsrichter sagte, wenn der existierende Bekleidungskodex in mündlichen Verhandlungen gesetzlich festgeschrieben werde, könne dies Zweifel an der Unparteilichkeit zerstreuen. „Soweit eine solche Regelung mit einer Beschränkung der Religionsfreiheit von Richterinnen und Richtern verbunden ist, müsste sie mindestens in Gesetzesform erfolgen; möglicherweise wäre sogar eine Änderung des Grundgesetzes erforderlich.“
Asylanträge nach Bundesländern 2017
Nirgendwo sonst wurden so vielen Asylanträge gestellt wie in Nordrhein-Westfalen. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bisher 32.122 Menschen.
Hinweis: Alle Daten beziehen sich auf Erst- und Folgeanträge in den Monaten Januar bis Juni 2017.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Statista
Stand: August 2017
12.921 Menschen haben in der ersten Hälfte des Jahres 2017 in Bayern einen Asylantrag gestellt.
In Baden-Württemberg wurden 2017 bisher 11.290 Asylanträge gestellt.
In Niedersachsen stellten 10.003 Menschen im Januar bis Juni 2017 einen Antrag auf Asyl.
In Rheinland-Pfalz beantragten 2017 bislang 7.610 Menschen Asyl.
In Hessen stellten in den ersten sechs Monaten 2017 7.508 Bewerber einen Asylantrag.
In Berlin wurden von Januar bis Juni 2017 5.535 Anträge auf Asyl gestellt.
Bis Mitte 2017 stellten 4.205 Menschen einen Asylantrag in Sachsen.
3.346 Asylanträge verzeichnet Schleswig-Holstein für die ersten sechs Monate 2017.
Einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt stellten bis Juni 2017 3.304 Menschen.
Asyl in Brandenburg beantragten in der ersten Jahreshälfte 3.162 Menschen.
In Thüringen wurden in den Monaten Januar bis Juni 2017 3.049 Asylanträge gestellt.
In Hamburg stellten bis Ende Juni 2017 2.633 Menschen einen Antrag auf Asyl.
In Mecklenburg-Vorpommern stellten 2.104 Menschen einen Asylantrag (Januar bis juni 2017).
Bis Juni 2017 stellten im Saarland 1.538 Menschen einen Asylantrag.
In Bremen beantragten bis Ende Juni 1.192 Menschen Asyl.
Bei 94 Asylanträgen bis Mitte 2017 ist das Bundesland, in dem der Antrag gestellt wurde, anscheinend unbekannt.
Zurzeit sind Richter aufgrund von Anweisungen der Justizministerien verpflichtet, weiße Hemden oder Blusen, weiße Fliegen, Krawatten oder Halstücher sowie in der Regel schwarze Roben zu tragen. „Die stets gleiche Kleidung der Richterinnen und Richter signalisiert den Parteien eines Rechtsstreits, dass es auch in ihrem Fall nicht darauf ankommt, welche Person entscheidet, sondern nur auf das, was im Gesetz steht“, sagte Seegmüller.
Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa, erklärte auf dpa-Anfrage, bei der Frage, ob Richterinnen und Staatsanwältinnen im Gerichtssaal ein Kopftuch tragen dürfen, gehe es um eine Abwägung zwischen der persönlichen Religionsfreiheit und der richterlichen Neutralitätspflicht. „Für die Bürger ist es wichtig, dass die Justiz erkennbar unvoreingenommen über ihren Fall entscheidet.“ Letztlich könne deshalb nur der Gesetzgeber klären, ob und wie er die Bekleidung von Richtern und Staatsanwälten regeln wolle. Solch eine Regelung müsse sich dann allerdings auf alle vergleichbaren religiösen Kleidungsstücke oder Symbole beziehen.