Kosten der Elbphilharmonie „Die Elphi hat ein Umdenken in Gang gesetzt“

Jurist Moritz Püstow von KPMG sieht das Pannenprojekt als Wendepunkt: Schon jetzt würden Großprojekte solider geplant als in der Vergangenheit. Dafür muss allerdings auch die Öffentlichkeit einen Beitrag leisten.

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Der KPMG-Partner war Leiter der wissenschaftlichen Begleitung der Reformkommission Großprojekte. Quelle: KPMG

Hamburg Der Jurist Moritz Püstow war Leiter der wissenschaftlichen Begleitung der Reformkommission Großprojekte und verantwortet die Erstellung des Leitfadens Großprojekte für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Der Partner der KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft ist optimistisch, dass sich der Fall Elbphilharmonie so schnell nicht wiederholt. Bei dem Projekt waren die Kosten für die öffentliche Hand von 272 Millionen Euro auf 789 Millionen Euro gestiegen, die Bauzeit dauerte fast sieben Jahre länger als geplant.

Herr Püstow, lässt sich aus dem Kostendebakel der Elbphilharmonie etwas lernen?
Ja, das Projekt wird genutzt, um Erkenntnisse für zukünftige Großprojekte zu finden. Es hat etwa einen Impuls dafür gegeben, dass sich die Reformkommission Großprojekte im Bundesverkehrsministerium zusammengefunden und präzise identifiziert hat, was die Ursachen für immer wieder aufkommende Schwierigkeiten bei Großprojekten sind.

Welches sind die wichtigsten Punkte?
Es gibt drei wesentliche Faktoren: Großprojekte benötigen eine starke Projektorganisation. Dazu gehören beispielsweise eine ausreichende Personalausstattung mit erfahrenen Projektmanagern, klare Kompetenzen, die Vermeidung von Schnittstellen und ein regelmäßiges Controlling. Zweitens sollte man in Deutschland mehr Zeit und Geld in die Planung stecken. Oft werden Projekte zu früh gestartet, weil man den ersten Spatenstich kaum erwarten kann. Der Bau sollte aber nicht beginnen, ohne dass die Planung ausgereift und die Risiken identifiziert sind. Beides würde auch die Kostenplanung realistischer machen. Drittens sollte die Form der Zusammenarbeit aller Beteiligten an Großprojekten neu gestaltet werden. Wir brauchen Partnerschaft und sollten Projekte so gestalten, dass gemeinsame Ziele definiert werden, von denen alle profitieren. Diese gemeinsamen Ziele gibt es heute oftmals nicht.

Haben wenigstens die Bauunternehmen von den Kostensteigerungen in Hamburg profitiert?
Das weiß ich nicht. Zumindest dürfte auch ihr Ruf gelitten haben.

Wäre ein derartiges Kostendebakel heute unwahrscheinlicher?
Da bin ich optimistisch. Die Elbphilharmonie hat - ähnlich wie beim Berliner Flughafen BER und dem Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 - ein Umdenken in Gang gesetzt. Zudem haben diese Projekte ein Bewusstsein bei allen Beteiligten dafür geschaffen, dass eine realistischere Herangehensweise ratsam ist. Bei den Projektverantwortlichen der öffentlichen Hand ist es üblich geworden, das eigene Realisierungsmodell kritischer zu hinterfragen – und Planung und Kostenberechnung abzuwarten. Die Elbphilharmonie ist insofern ein Impulsgeber für einen Kulturwandel beim Bau gewesen. Aus Fehlern lernt man.

Gibt es inzwischen Projekte, bei denen ähnliche Fehler vermieden wurden?
Ja. In Berlin beispielsweise hat die Charité gerade ihr Bettenhochhaus saniert und ein neues OP-Zentrum gebaut. Da haben sich das Klinikum und das Land Berlin bereits zu Beginn sehr intensiv mit den Risiken beschäftigt und eine Partnerschaft mit Planern und Bauunternehmen entwickelt. Dabei wurde genau geprüft, wer welche Managementleistungen erbringen kann. Auch die Kontrolle hat eine wichtige Rolle gespielt. Vor sechs Wochen fand die Eröffnung statt. Mit 202,5 Millionen Euro lag das Projekt sowohl im Kosten- als auch im Zeitnahmen. Da hat Berlin auch aus dem BER gelernt.

Wäre vor der Entscheidung klar gewesen, wie teuer die Elbphilharmonie wird, wäre sie sicherlich nie gebaut worden. Wie kann man die Gefahr eindämmen, dass die Politik Projekte im Vorfeld bewusst billigrechnet, um sie durchzubekommen – auch unter dem Druck der Öffentlichkeit? In Hamburg gab es ja vor Baubeginn eine große Euphorie, selbst Spenden wurden bereits vor dem Baubeschluss gesammelt.
Man sollte dazu kommen, dass die Entscheidung über die Durchführung eines Großprojekts abschließend erst auf Basis einer ausreichenden Planung getroffen wird – und nicht wie bisher schon auf Grundlage einer groben Schätzung in die Haushaltspläne aufgenommen wird. Dazu muss ein Projekt nach der Planung noch in Frage gestellt werden können – selbst wenn diese Planung schon Geld gekostet hat.

Passt das zum politischen Prozess? Ein Politiker, der ein Projekt erst ankündigt und es dann wieder zurücknehmen muss, wäre doch blamiert…
Das ist Stand heute sicher richtig. Deshalb muss auch die Öffentlichkeit lernen: Sie sollte die Bereitschaft entwickeln, der Politik mehr Zeit zu geben, über ein Projekt nachzudenken – und es möglicherweise auch nach der Planung ohne Gesichtsverlust wieder aufzugeben.

Herr Püstow, vielen Dank für das Interview.

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