Krankenhäuser Floppt Gröhes Pflegeprogramm?

Mit 660 Millionen Euro sollen die Krankenkassen 2016 bis 2018 neue Pflegestellen in Kliniken subventionieren. Doch im ersten Jahr wurden nur 52 Millionen Euro von den Krankenhäusern abgerufen.

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Private Klinikketten waren besonders zurückhaltend bei der Beantragung von Fördergeldern. Quelle: dpa

Berlin Viele Kritiker hatten diesen Teil der Krankenhausreform vom Gesundheitsminister Hermann Gröhe schon vor der Einführung kritisiert. Sein gesetzlich fixiertes Angebot an die Krankenhäuser, den Pflegenotstand durch zusätzliche Hilfsgelder zu lindern, sei kaum mehr als weiße Salbe. Bei der Deutschland Krankenhausgesellschaft hieß es, viele Häuser würden freiwillig auf das Geld verzichten, weil die dauerhafte Finanzierung der zusätzlich geschaffenen Planstellen für Pflegekräfte ihnen zu unsicher sei. Nun liegen erstmals Zahlen vor – und sie sind ernüchternd.

Insgesamt 600 von fast über 1500 anspruchsberechtigten Krankenhäusern haben im ersten Projektjahr Geld aus dem Pflegestellen-Förderprogramm in Anspruch genommen und wollen 1600 zusätzliche Pflegestellen aufbauen, teilte der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen mit. Die Krankenkassen hätten in den ersten zwölf Monaten des Programms dafür 52 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, heißt es im Projektbericht, den der Verband für das Bundesgesundheitsministerium erstellt hat. Davon flossen nur 5,3 Millionen Euro an Kliniken in privater Trägerschaft, die unter besonderem Druck stehen, Überschüsse zu erwirtschaften. 27,9 Millionen Euro erhielten Häuser in öffentlicher Trägerschaft und 19,1 Millionen Euro freigemeinnützige Krankenhäuser.

Insgesamt ist es weniger als die Hälfte der für 2016 bereit stehenden Summe von 110 Millionen Euro. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass das Geld nur fließt, wenn die Häuser 10 Prozent der zusätzlichen Personalkosten selbst tragen. Zudem könnte eine Rolle spielen, dass die bisher nicht abgeflossenen Gelder nicht verloren sind, sondern zusätzlich zu den für dieses Jahr bereit stehenden 220 Millionen Euro ausgezahlt werden können. Für 2018 sollen dann noch einmal 330 Millionen Euro zur Verfügung stehen.

Ob es am Ende tatsächlich 1600 Pflegekräfte zusätzlich geben wird, ist nicht sicher. Denn das kann laut Bericht des Kassen-Spitzenverbands erst nachträglich festgestellt werden. Hierfür müssen die Krankenhäuser den Krankenkassen das Testat eines Jahresabschlussprüfers vorlegen. Die liegen bislang noch nicht vor.

Die Krankenkassen sind hier gebrannte Kinder. Denn es gab schon einmal ein ähnliches Pflegeförderprogramm von 2009 bis 2011. Auch damals wurden bis zu 90 Prozent der Kosten von Neueinstellungen von den Krankenkassen finanziert. Das Programm war mit 1,1 Milliarden Euro sogar größer angelegt. Es lässt sich aber nicht nachweisen, dass es zu einer nachhaltigen Verbesserung der Pflegesituation in den Kliniken führte.

Zwar nahmen pro Jahr damals mindestens 1125 Krankenhäuser am Pflegesonderprogramm teil, also deutlich mehr als bislang am neuen Angebot. Von den 15.300 offiziell geförderten zusätzlichen Pflegestellen gab es jedoch nur für 13.600 am Ende eindeutige Belege, dass sie auch zusätzlich geschaffen wurden. Ob sich damit die Qualität der pflegerischen Versorgung insgesamt verbessert, kann zudem bezweifelt werden. Ein Abgleich mit Daten des statistischen Bundesamts ergab nämlich, dass in geförderten Kliniken zusätzlich eingestelltes Personal durch Personalreduzierungen in anderen Krankenhäusern kompensiert wurde. Am Ende gab es 9200 Pflegekräfte mehr. Wie viele davon heute noch einen Job haben, ist nicht bekannt.

Trotzdem warnt selbst der skeptische Spitzenverband der Krankenkassen davor, dass Förderprogramm schon jetzt als Flop abzustempeln. So fehlten bislang noch die Meldungen für 20 Prozent der Krankenhäuser, für die die Budgetverhandlungen bei der Erstellung des Berichts noch nicht abgeschlossen waren. Zudem könnten etliche Krankenhäuser von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Fördergelder für 2016 und 2017 erst in diesem Jahr abzurufen. Es müsse daher die weitere Entwicklung „der Inanspruchnahme in den Folgejahren abgewartet werden.“

Schon jetzt ist aber klar, dass auch die Bundesregierung sich nicht länger auf Sonderprogramme verlassen will, wenn es um die Verbesserung der Personalsituation bei der Krankenhauspflege geht. Kurz vor der Sommerpause hat der Bundestag noch ein Gesetz verabschiedet, das Krankenkassen und Kliniken verpflichtet, für die Zukunft feste „Personaluntergrenzen“ zu vereinbaren – zumindest für pflegeintensive Bereiche. Die Verhandlungen sollen bis Juli 2018 abgeschlossen sein und die neuen Untergrenzen zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Ob die eingehalten werden, soll erstmals 2020 überprüft werden. Wenn nicht, sind Strafzahlungen geplant. In diesem Zusammenhang soll auch untersucht werden, ob die Krankenhäuser die über das Förderprogramm subventionierten zusätzlichen Stellen wieder abgebaut haben, und zwar bis einschließlich 2021. Sollte sich dabei herausstellen, dass die Kliniken die Stellen wieder abgebaut haben, müssen sie die Fördergelder zurückzahlen. Zugleich sieht das Gesetz vor, dass die Zuschüsse aus dem Förderprogramm dauerhaft über einen Pflegezuschlag auf die Krankenhausvergütung den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden.

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