Krebstherapie Gröhe gibt Drängen der Apothekerlobby nach

Die Behandlung von Krebspatienten ist für Apotheken ein lukratives Geschäft. Seit kurzem versuchen die Krankenkassen, die hohen Kosten durch Rabattverträge zu senken. Das will ihnen der Gesundheitsminister nun verbieten.

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Weil es bei Krebskranken fast immer um Leben und Tod geht, rückt die Frage nach den Kosten oft in den Hintergrund. Apothekern und Pharmaherstellern spielte das bisher in die Hände. Quelle: obs

Berlin Der Versuch verschiedener gesetzlicher Krankenkassen, das Preiskartell zwischen Arzneimittelherstellern, Apotheken und Ärzten bei der Behandlung von Krebspatienten mit in Spezialapotheken individuell hergestellter Chemotherapie durch europaweite Ausschreibungen zu brechen, findet demnächst ein abruptes Ende. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe will den Krankenkassen die erst 2007 eingeführte Möglichkeit, Exklusivverträge mit Apotheken zu schließen, die bereit dazu sind, diese Medikamente billiger abzugeben, wieder nehmen. Dies ergibt sich aus dem dem Handelsblatt exklusiv vorliegenden neugefassten Entwurf des Ministers für ein Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz. Es soll am kommenden Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Gröhe reagiert damit auf massiven Druck des Deutschen Apothekerverbands und der Lobby der Krebsmediziner. Sie hatten vor einer Verschlechterung der Therapie der meist schwer kranken Krebspatienten gewarnt, sollten sie in Zukunft gezwungen werden, sich nur noch in Apotheken behandeln zu lassen, die einen Exklusivvertrag mit ihrer Krankenkasse haben. „Die Versorgung von krebskranken Patienten baut auf einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und dem behandelnden Arzt auf. Patienten müssen darauf vertrauen können, dass die an ihrer Versorgung beteiligten Heilberufe gut zusammenwirken, damit die ihnen zu verabreichenden Zubereitungen therapiegerecht in der Arztpraxis zur Verfügung stehen“. Dies setze voraus, dass der Versicherte die „versorgende Apotheke“ frei wählen könne, heißt es denn auch zur Begründung im Gesetzentwurf.

Diese Begründung ist nicht ohne Ironie. Denn das „gute Zusammenwirken“ von Arzneimittelherstellern, die die meist generischen Zutaten für die Zytostatika-Zubereitungen, im Volksmund Chemotherapie genannt, verkaufen, der rund 600 Spezialapotheken die daraus nach Vorgaben des Arztes die Chemotherapie mischen und der Ärzte, die sie dem Patienten am Ende verabreichen, wird auch dafür verantwortlich gemacht, dass die ambulante Krebstherapie in Deutschland besonders teuer ist. So liegen die offiziellen Preise, die die Hersteller für ihre Ausgangsprodukte fordern, deutlich höher, als die Preise, die Apotheker am Ende dafür zahlen müssen. Die Apotheker nutzten das auch, um die behandelnden Ärzte mit so genannten „Kick-Back-Zahlungen“ dafür zu belohnen, dass sie ihre Zytostatika dort anfertigen lassen. Solche Kick-Backzahlungen anzunehmen, war niedergelassenen Ärzten in der Vergangenheit erlaubt. Im vergangenen Jahr kostete die überteuerte Versorgung die Krankenkassen 2,85 Milliarden Euro.
Entsprechend verärgert reagierten die Krankenkassen. „Wer den Krankenkassen die Möglichkeit nimmt, mit Apotheken exklusive Verträge zur individuellen Versorgung Krebskranker mit Zytostatika abzuschließen, verhindert Qualitätsverbesserungen in diesem sensiblen Versorgungsbereich“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Christoph Straub. Er hatte zusammen mit weiteren Kassen gerade erst eine entsprechende Ausschreibung gestartet. Betroffen von dem Gesetz ist auch die DAK, die im Verbund mit anderen Kassen als erste eine bundesweite Ausschreibung gestartet hatte. Davor hatte es nur regionale Ausschreibungen verschiedener Ortskrankenkassen gegeben. Ausdrücklich bestreiten die Krankenkassen, dass Exklusivverträge zu einer Verschlechterung der Versorgung führen würden. Das Gegenteil sei richtig: „Zum ersten Mal könnten wir mit unseren Ausschreibungen zahlreiche rechtsverbindliche Qualitätskriterien für die Versorgung mit Zytostatika definieren, die die Apotheken erfüllen müssen, um an der Ausschreibung teilnehmen zu dürfen.“ So müsse eine Apotheke beispielsweise innerhalb von maximal zwei Stunden nach Eingang einer Anforderung das Arzneimittel liefern.

Völlig absurd finden die Kassen das Argument, das Verbot der Exklusivverträge sei nötig, um den Versicherten die freie Apothekenwahl zu sichern. „Diese Behauptung ist allein deswegen haltlos, weil nur ein Prozent der Apotheken in Deutschland eine Berechtigung zur Herstellung von Zytostatika haben.“ Zudem liege beim bisherigen Versorgungsgeschehen die Apothekenwahl gar nicht beim Patienten, sondern ausschließlich beim behandelnden Arzt, sagte Straub: „Es gibt gute Gründe für Ausschreibungen in diesem Versorgungsbereich. Sie laufen alle darauf hinaus, die Versorgung Krebskranker besser zu machen.“

Allerdings will auch Gröhe das lukrative Geschäftsmodell der 600 Zyto-Apotheken nicht völlig ungeschoren lassen. So sieht sein Gesetzentwurf vor, dass die Apotheken den Krankenkassen künftig verlässlicher als bisher mitteilen müssen, was sie tatsächlich für die von ihnen für die Herstellung der Zytostatika eingesetzten Produkte zahlen mussten. Diese Daten sollen Grundlagen für eine Zweite mit dem Spitzenverband der Krankenkasse auszuhandelnde Preisliste für die eingesetzten Medikamente sein. Zudem sollen die Krankenkassen das Recht erhalten, auf Landesebene für alle Kassen einheitliche Rabattverträge mit den Herstellern der Zutaten für die in den Apotheken hergestellten Krebsmittel erhalten. Dies soll ihnen die Möglichkeit geben, die hohen Profite für Onkologen und Zyto-Apotheken bereits an der Quelle abzuschöpfen. Die Hersteller, so die Idee dahinter, sollen die Rabatte die sie bislang den Apotheken auf die ein oder andere Weise gewährt haben, in Zukunft den Krankenkassen geben.

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