„Krisenstaat ohne Perspektive“ Politik stellt sich auf Endloshilfe für Griechenland ein

Die EU-Kommission sieht Griechenland vor einem Mini-Comeback – zumindest, was das Wachstum betrifft. Die Schuldenentwicklung nimmt dagegen bedrohliche Ausmaße an. Das sorgt für Unruhe in der Berliner Politik.

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Eine griechische, eine deutsche und eine europäische Flagge: Athen wird auch in Zukunft auf EU-Hilfe angewiesen sein. Quelle: dpa

Berlin Als die EU-Kommission am Dienstag ihre Konjunkturprognose veröffentlichte, herrschte allenthalben große Zuversicht und Entspannung. Der positive Überschwang hat jedoch auch eine Kehrseite.  Wenn Brüssel der Euro-Zone nach zwei Rezessionsjahren wieder einen Aufschwung zutraut, dann ist das vor allem dem deutschen Konjunkturmotor zu verdanken. Die Kommission räumt auch selbst ein, dass der gemeinsame Währungsraum getrieben von der größten Volkswirtschaft langsam in Schwung kommt. Selbst die meisten Krisenländer könnten zu Wachstum zurückkehren – darunter auch Griechenland.

Trotz der erwarteten Besserung überwiegen jedoch die schlechten Nachrichten aus dem Mittelmeerland. Die Arbeitslosigkeit dürfte demnach mit 26 Prozent 2014 und auch 2015 mit 24 Prozent vergleichsweise hoch bleiben. Die Verschuldung bleibt ebenfalls problematisch: Sie soll dann immer noch bei fast 172 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen. In diesem Jahr werden 177 Prozent erwartet.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch geht deshalb davon aus, dass Griechenland auch in ferner Zukunft auf finanzielle Hilfe der EU-Partner angewiesen sein wird. Seine Einschätzung begründet das Mitglied im Wirtschaftsausschuss auch mit Überlegungen der Bundesregierung, im Fall eines dritten Rettungspakets weniger kleinteilige Reformauflagen zu verlangen und Athen stattdessen mehr Freiheiten einzuräumen.

„Dass man auf die griechische Weigerung, die vereinbarten Strukturreformen umzusetzen, dergestalt reagiert, dass man zukünftig mit bloßer Reformprosa zufrieden sein will und auf die Vorgabe konkreter vorzunehmender Maßnahmen verzichtet, belegt, dass man sich auf die dauerhafte Alimentierung Griechenlands einstellt“, sagte Willsch Handelsblatt Online. Für nicht akzeptabel hält der CDU-Politiker zudem, dass sich die Geldgeber nach Ausreichung von 240 Milliarden „Insolvenzhilfe“ an Griechenland inzwischen auch noch anhören müssten, wenn nicht weitergezahlt werde, würden dort extremistische Parteien gewählt. „Das zeigt, wie weitgehend die verfehlte Bailout-Politik die selbstverschuldeten Probleme Griechenlands inzwischen zum Problem der Euro-Zone insgesamt gemacht hat“, sagte Willsch.


„Wiedererlangung der Kreditfähigkeit nicht absehbar“

Auch der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick zeigte sich besorgt über die fehlende Schuldentragfähigkeit Griechenlands. „Die öffentliche Verschuldung Griechenlands ist zu hoch, als dass sich das Land aus eigener Kraft aus seiner wirtschaftlichen Schieflage befreien könnte. Doch das wurde bisher konsequent ignoriert und eine weitere Schuldenentlastung abgelehnt“, sagte Schick Handelsblatt Online. Dem Land mehr Freiheiten bei den Reformen zuzugestehen hält er, anders als Willsch, für wichtig. „Aber es fehlt nach wie vor eine wirtschaftspolitische Perspektive für das Land“, fügte er hinzu. „Anstatt weiter auf Austerität zu setzen, müssen Zukunftsinvestitionen ermöglicht werden.“

Willsch und Schick teilen die in die Woche veröffentlichte Analyse des Freiburger Centrums für europäische Politik (CEP) zur Kreditfähigkeit der Euro-Staaten. Zur Griechenland hatten die Forscher erklärt: „Trotz aller gegenteiligen Behauptungen der griechischen Regierung: Griechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone.“ Die Kreditfähigkeit des Landes verfalle weiter - und zwar „deutlich schneller“ als die aller anderen Euro-Länder. „Die Wiedererlangung der griechischen Kreditfähigkeit ist nicht absehbar.“

Damit festigt sich der Eindruck, dass sich die Lage in Griechenland nicht bessert, sondern sich das Land eher zu einem immer größeren Fass ohne Boden entwickelt. Der Freiburger Think Tank CEP berücksichtigt in seinem sogenannten „Default-Index 2014“ nicht nur die Verschuldung des privaten und des öffentlichen Sektors, sondern auch die Investitionstätigkeit in dem jeweiligen Land. Schließlich sei die Solidität der gesamten Volkswirtschaft ausschlaggebend, heißt es in der Studie. Denn die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auf den Weltmärkten beeinflusse die Kreditfähigkeit eines Landes. Die kapazitätssteigernden Investitionen dienen den Forschern als Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaft.


„Keine Entwarnung an der Euro-Front“

In Griechenland gibt es laut CEP, anders als es offizielle Angaben aus Athen suggerieren, keinerlei Besserungstendenzen. Die Kreditfähigkeit des Landes erodiere seit 2000. Diese Entwicklung habe auch im ersten Halbjahr 2013 angehalten. Im Vergleich zu 2012 habe sich der CEP-Indexwert sogar auf einen Wert wie zu Beginn der Krise verschlechtert. „Die Konsolidierung im Jahr 2012 setzte sich folglich nicht fort“, konstatieren die Experten. Ihr Fazit: „Während alle anderen Staaten, die Finanzhilfen erhalten haben oder noch erhalten, ihren Indexwert deutlich verbessern konnten, bleibt diese Entwicklung in Griechenland aus.“

Als besonders problematisch  sehen die Forscher, dass Griechenland deutlich über seine Verhältnisse lebt. Die Konsumquote – gemessen in Prozent des verfügbaren Einkommens – sei die höchste nicht nur im Euro-Raum, sondern in der gesamten Europäischen Union. Seit 2002 liege sie ausnahmslos über 100 Prozent. Im ersten Halbjahr 2013 sei sie gegenüber 2012 sogar wieder leicht gestiegen. „Eine Wiedererlangung der Kreditfähigkeit ist für Griechenland nur möglich, wenn die Konsumquote drastisch sinkt“, so die CEP-Ökonomen. Hierfür gebe es aber keine Anzeichen.

„Dankenswerterweise zeigt das CEP auf, das entgegen den offiziellen Verlautbarungen von Entwarnung an der Euro-Front keine Rede sein kann“, sagte der CDU-Politiker Willsch. „Die Verschuldungsstände der mediterranen Länder entfernen sich weiter von der Maastricht-Grenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.“ So hätten sie sich, wie Willsch darlegt, in Griechenland von 156,9 Prozent (2012) auf 177,3 Prozent (trotz Schuldenschnitt) erhöht, in Italien von 127,0 Prozent auf 132,7 Prozent, in Spanien von 86,0 Prozent auf 94,3 Prozent. Für die Jahre 2014 und 2015 seien hier sogar 98,9 Prozent beziehungsweise 103,3 Prozent prognostiziert. „Die Liste ließe sich problemlos fortsetzen“, so Willsch.

Aber auch die Situation „seither vergleichsweise solider Länder“ wie Finnland oder Niederlande mache Sorge, sagte der CDU-Politiker weiter: Dort habe sich der Schuldenstand von 53,6 Prozent auf 57,2 Prozent beziehungsweise von 71,3 Prozent auf 74,3 Prozent erhöht.

Das hält auch der Grünen-Experte Schick für bedenklich. Insbesondere  die CEP-Analyse zu Finnland habe ihn überrascht. Schicks Fazit: „Insgesamt bleibt die Euro-Zone aufgrund der falschen Wirtschaftspolitik hinter ihren ökonomischen Möglichkeiten zurück.“

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