Kritik an der Bundesregierung Warum der Bund der Steuerzahler (oft) keine Ahnung hat

Knapp 20 Milliarden Euro Steuern hat die Bundesregierung verschwendet. Das meint zumindest der Bund der Steuerzahler. Doch die Einschätzungen der Lobbygruppe sind mit Vorsicht zu genießen.

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Bei welchen Ausgaben der Staat sparen könnte
Sparschweine Quelle: Fotolia
Biergläser Quelle: dpa
Fisch auf den Philippinen Quelle: REUTERS
Hunde- und Katzenfutter Quelle: dpa
Soziale Netzwerke: Facebook und Whatsapp Quelle: AP,AP
KLeidungsfirma Bangladesh Quelle: dpa
6. Drogenbekämpfung in Myanmar Quelle: dpa

Knapp eine Million Euro für ein Konsortium, das neue Methoden für den Innenausbau von Luxus-Yachten entwickelt? Eine weitere Million für die energieeffizientere Trocknung von Fleisch, wohlgemerkt Tiernahrung? Und 38.000 Euro Zuschuss für eine Klassenreise von fünfzehn Berliner Schülern nach New York? Bezahlt hat das die Bundesregierung.

Für den Bund der Steuerzahler ist das ein Skandal, wie deren Präsident Reiner Holznagel am Montag in Berlin sagte. Jedes Jahr stellt der Lobbyverband bei seinem „Frühjahrsputz“ Fälle vor, bei dem die Bundesregierung Steuergelder verschwendet haben soll. Jedes Jahr ist das mediale Echo groß. Jedes Jahr wird nach Konsequenzen gerufen und anschließend zu wenig getan, was dann im Jahr darauf wieder kritisiert wird.

Doch wer ruft und kritisiert da eigentlich? Und ist die Kritik berechtigt? Mit 250.000 Mitgliedern hat der Lobbyverband jedenfalls eine ernstzunehmende Größe.

Die Ziele: Im Namen der Steuerzahler die Steuerlast reduzieren, das System vereinfachen und steuerliche Verschwendung aufdecken. 

Steuergelder: 10 Steuersünden, die der Bund der Steuerzahler abschaffen will

Der Steuerzahler ist aber immer weniger bereit, den Verband dabei zu unterstützen, denn er verliert Mitglieder – seit 2008 rund 40 Prozent. Doch damit nicht genug der Probleme. Die Mitgliederbasis altert und die langjährige Kritik, der Verband sei überdurchschnittlich mit Selbstständigen und Unternehmern besetzt, greift nach wie vor. Der Anspruch, alle Steuerzahler zu repräsentieren wird deshalb auch immer seltener geäußert.

Und der entscheidendste Punkt: Zu lange hat man sich zu sehr über die Verschwendungskritik definiert. Der Verband genießt den Ruf, mehrmals im Jahr lauthals durch die Bundesrepublik zu krakeelen.

Das wird sich auch Verbandspräsident Reiner Holznagel gedacht haben, der seit vier Jahren im Amt ist. Statt auf Lautstärke möchte er auf qualitative Informationen setzen. Statt plakativ gegen einzelne Projekte vorzugehen, sagt er, solle mehr fundierte Kritik, vor allem an der Staatsverschuldung, geäußert werden. Auf den „Frühjahrsputz“ und das „Schwarzbuch“, welches der Verein im Herbst jeden Jahres herausbringt, will Holznagel aber  nicht verzichten – zu groß ist die Medienwirksamkeit.

Beispiel Filmförderung. Sicher, „Fack ju Göthe 2“ war ein Film, der nicht alle Geschmäcker traf – trotzdem war er im Kino ein Kassenschlager. Sollte deswegen die deutsche Filmförderung nicht mehr auf staatliche Unterstützung hoffen? 

Diese Meinung kann man vertreten. Oftmals kritisiert der Steuerzahlerbund aber auch klassische Industriepolitik. Mit mehreren Millionen sind Bundesministerien beispielsweise an der Förderung von Elektromobilität und automatisiertem Fahren beteiligt. Der Bund der Steuerzahler kritisiert, dass davon lediglich die Privatunternehmen profitierten, die die Subventionen erhalten. Doch was ist mit potentiellen Co2-Einsparungen, die sich in der Zukunft daraus ergeben? Sind es die nicht wert? Diese Fragen scheint sich der Steuerzahlerbund nicht mal zu stellen.

Lobbyismus-Experte Rudolf Speth kritisiert, dass der Verein viele Themen gar nicht einschätzen kann. „Viele Subventionen sind hochpolitisch. Wenn es um Klima- oder Energiepolitik geht, fehlt dem Steuerzahlerbund die Expertise.“

Hier schmeißt der Staat das Geld zum Fenster raus
Das Schwarzbuch 2017/18, herausgegeben vom Bund der Steuerzahler Deutschland. Quelle: dpa
Münchner Maximilianeum Quelle: dpa
Schutzwürdige Bäume in Hameln Quelle: dpa
Wohncontainer für Flüchtlinge Quelle: dpa
Bundestag Quelle: dpa
Frankfurt am Main Quelle: dpa
Ehrenbürg-Gymnasium in Forchheim Quelle: dpa

Dabei ist es durchaus sinnvoll, neben den Rechnungshöfen eine zusätzliche Prüfinstanz zu haben, die ein Auge auf die Steuerverwendung hat. Schließlich verlieren manche Politiker bei ihren Projekten den finanziellen Überblick. Ausgabenberatung sei deswegen bei den Ministerien sehr gefragt – auch der Bund der Steuerzahler könnte hier helfen, meint Speth. Dafür braucht der Steuerzahlerbund aber dringend mehr Fachkenntnis. Die könnte unter anderem vom ehemaligen FDP-Frontmann und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle kommen. Brüderle unterstützt den Steuerzahlerbund seit letztem Jahr. Ehrenamtlich wohlgemerkt. Zumindest die Verschwendung von Mitgliederbeiträgen ist damit ausgeschlossen.

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