Kritik an Enthüllung der Steuerbeichte Rückendeckung für Alice Schwarzer

Steuersünderin Alice Schwarzer erhält Rückendeckung von der Steuergewerkschaft und dem Bund der Steuerzahler. Beide Verbände kritisieren, dass der Fall durch eine Indiskretion öffentlich wurde und warnen vor den Folgen.

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Frauenrechtlerin Alice Schwarzer: Ihre Steuerbeichte sorgt für heftige Diskussionen. Quelle: dpa

Berlin Der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, fürchtet, dass die Enthüllung der steuerlichen Selbstanzeige der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer negative Auswirkungen nach sich ziehen wird. „Der Schwarzer-Fall wird jetzt bei denen Angst auslösen, die die Selbstanzeige schon hinter sich haben. Und sicher andere von einer Selbstanzeige abhalten“, sagte Eigenthaler Handelsblatt Online. „Man sieht daran: Geldanlagen in der Schweiz sind einfach in jeder Hinsicht problematisch.“

Eigenthaler betonte zugleich, dass er in diesem Fall nicht viel von einem „Hinterher-Moralisieren“ halte, zumal Schwarzers Selbstanzeige offenbar wirksam sei. „Alles wurde bezahlt plus 6 Prozent Zinsen pro Jahr“, sagte der Steuergewerkschafter. „Wenn das deutsche Recht die Möglichkeit der Selbstanzeige gibt, dann muss man das akzeptieren.“ Ähnlich äußerte sich der Bund der Steuerzahler. „Frau Schwarzer hat das legitime Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige genutzt und damit den Weg in die Steuerehrlichkeit  gefunden“, sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel Handelsblatt Online.

Schwarzers Anwalt, der Medienrechtler Christian Schertz, hat nach der ungewollten Veröffentlichung des Themas juristische Konsequenzen angekündigt. Geprüft würden etwa strafrechtliche Schritte, weil das Steuergeheimnis verletzt worden sei. Schertz sah eine „unerträgliche Verletzung des Steuergeheimnisses und der Persönlichkeitsrechte von Alice Schwarzer“, nachdem zuerst „Der Spiegel“ über den Fall berichtet hatte.

Auch Schwarzer selbst hatte auf ihrer Internetseite „das Recht auf Privatsphäre und das Steuergeheimnis“ angemahnt. Sie sprach von einem „Dammbruch für die Medien“ und vermutet den Versuch einer bewussten Rufschädigung.

Holznagel warnte derweil vor einer Abschaffung der Selbstanzeige, weil die weder den ehrlichen Steuerzahlern noch dem Fiskus nutzen würde. „Ohne dieses Instrument würden viele Steuerhinterzieher nie entdeckt“, sagte er. „Da ihnen in jedem Fall eine Strafe droht, haben sie keinen Anreiz, sich zu stellen, sondern hoffen darauf, unentdeckt zu bleiben.“ Es dürfe zudem nicht vergessen werden, dass der Fiskus mit dem Instrument der Selbstanzeige ohne viel Aufwand an die hinterzogenen Steuern komme.


Steuerrecht gehört auf die „politische Anklagebank“

Eigenthaler plädierte für eine Verschärfung der Möglichkeit für eine Selbstanzeige. „Persönlich halte ich die Möglichkeit einer Selbstanzeige für Fälle über 50.000 Euro Hinterziehung problematisch“, sagte er. Abgesehen davon sei für ihn die Antwort auf die Frage „viel wichtiger“, wie es dazu komme, „dass so viele Reiche und Prominente unbemerkt Geld ins Ausland verschieben“. Und hier gehöre, so Eigenthaler, das deutsche Steuerrecht auf die „politische Anklagebank“.

Eigenthaler sprach von einem „hoch komplizierten“  Steuerrecht, dessen Wirksamkeit kaum kontrolliert werde. So würden beispielsweise mittelgroße Betriebe statistisch nur alle 15 bis 16 Jahre mit einer steuerlichen Prüfung konfrontiert. Außerdem gebe es „Prüfungsdefizite“ bei Millionären, sagte Eigenthaler mit Verweis auf den Bundesrechnungshof.

Die Bundesbehörde hatte auch schon darauf hingewiesen, dass Einkommens-Millionäre oft zu wenig Steuern zahlten, weil die Finanzämter sie zu selten überprüfen. Pläne der Koalition, das Steuerverfahrensrecht in Richtung eines Selbstveranlagungsverfahrens weiterzuentwickeln bezeichnete der Steuergewerkschafter in diesem Zusammenhang als „falsches Signal“.

Die Diskussion um Schwarzer ging am Montagmorgen in sozialen Netzwerken weiter, etwa bei Twitter. In etlichen Meinungsbeiträgen wurde Schwarzer Doppelmoral vorgeworfen, nachdem sie zugegeben hatte, über viele Jahre ein Schweizer Konto vor den deutschen Steuerbehörden verheimlicht zu haben. Auch die Frage nach der Sinnhaftigkeit der straffreien Selbstanzeige von Steuersündern wurde wieder aufgeworfen.

Angesichts teils heftiger Twitter-Attacken auf Schwarzer wies auch der Grünen-Politiker Volker Beck auf deren Rechte hin. „Ich habe mit #AliceSchwarzer wegen mangelnder Fairness auch persönlich eine Rechnung offen. Aber manches geht zu weit!“, twitterte er.

Schwarzer hatte sich am Sonntag dazu bekannt, seit den 80er Jahren ein Schweizer Konto gehabt und es erst im vergangenen Jahr beim Finanzamt angezeigt zu haben. Für die vergangenen zehn Jahre habe sie insgesamt etwa 200 000 Euro an Steuern nachgezahlt - plus Säumniszinsen.

Schwarzer, die in den vergangenen Monaten mit ihrer Anti-Prostitutionskampagne oft im Fernsehen zu Gast war, wird jetzt selbst zum Talkshow-Thema. So lautet der Titel der ARD-Sendung „Hart aber fair“ am Montagabend: „Was, die auch - kein Recht auf Steuergeheimnis für Alice Schwarzer?“

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