Kritik an Merkel SPD-Chef Gabriel hat's mit TTIP nicht eilig

Schwerwiegende Entscheidungen brauchen Zeit. So sieht es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Bezug auf das Freihandelsabkommen TTIP. Er rückt vom Eiltempo der Kanzlerin ab – und positioniert sich gegen die AfD.

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German Chancellor Angela Merkel and Economy Minister Sigmar Gabriel leave after a news conference at the German government guesthouse Meseberg Palace, Germany, May 25, 2016. REUTERS/Hannibal Hanschke Quelle: Reuters

Berlin Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat den Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei den Freihandels-Verhandlungen der EU mit den USA kritisiert und vor Eile gewarnt. „Es war falsch, dass die Bundeskanzlerin im Überschwang vor dem Obama-Besuch in Deutschland gesagt hat, wir können die Verhandlungen in jedem Fall in diesem Jahr abschließen - und das jetzt noch mal wiederholt hat“, sagte der Vize-Kanzler den Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland. Zeitdruck führe zu einem schlechten Abkommen. Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs warf dem Wirtschaftsminister am Sonntag vor, gegen die Interessen der deutschen Wirtschaft und der Arbeitnehmer zu handeln.

Merkel hatte am Donnerstag beim G7-Gipfel in Japan gesagt, die EU wolle das umstrittene TTIP-Abkommen mit den USA noch in diesem Jahr fertig verhandeln.

Gabriel sagte, es sei unklar, ob es sich überhaupt lohne, mit den USA weiter zu verhandeln. Einem schlechten Abkommen werde die SPD nicht zustimmen: „Ich werde niemals einem Abkommen zustimmen, wenn es bei den intransparenten privaten Schiedsgerichten bleibt.“ Er werde auch keiner Vereinbarung zustimmen, die nicht mindestens den Standards entspreche, die gerade mit Kanada verabredet worden seien, sagte der SPD-Chef.

Der CDU-Politiker Fuchs warf Gabriel vor, er beuge sich wider besserer Überzeugung der Stimmung in seiner Partei, "um diese notdürftig zusammenzuhalten". Statt die Beziehungen zum wichtigsten Exportmarkt Amerika zu vertiefen, rede Gabriel lieber über die Annäherung zu Russland.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte Anfang Mai umfangreiche TTIP-Verhandlungsunterlagen mit Stand April veröffentlicht, die bislang geheim gehalten worden waren. Darin wurden massive Meinungsverschiedenheiten zwischen Europäern und Amerikanern deutlich, zum Beispiel bei den Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzrechten, der Marktöffnung oder den Verfahren für eine außergerichtlichen Streitschlichtung von Investoren.

Derweil will die in Wahlumfragen abgestürzte SPD mit dem Schwerpunktthema soziale Gerechtigkeit Wähler von der rechtspopulistischen AfD zurückholen. SPD-Chef-Sigmar Gabriel nannte die AfD am Wochenende "zu feige", um sich mit den wirklich Mächtigen anzulegen: "Stattdessen stürzt sie sich auf Minderheiten und Sündenböcke." In der jüngsten Emnid-Umfrage für "Bild am Sonntag" liegt die SPD nur noch bei 21 Prozent. Das ist der tiefste Stand in einer Emnid-Erhebung seit sieben Jahren. Die AfD käme bei einer Bundestagswahl demnach derzeit auf 14 Prozent.

"Wenn es am Geld fehlt, um Schulen zu sanieren, anständige Renten auszuzahlen und mehr Polizisten einzustellen, dann liegt das nicht an Zuwanderung oder an Muslimen, sondern beispielsweise an der Steuerhinterziehung von jährlich 150 Milliarden Euro", sagte Gabriel den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Von einer Dämonisierung der AfD rate er ab. Daraus würde die Partei nur Profit schlagen. Die AfD fürchte sich aber vor einer Debatte über ihre Politikvorschläge: "Also müssen wir sie inhaltlich stellen, wo immer es geht."

Der Emnid-Umfrage zufolge verlor die SPD zur Vorwoche einen Punkt, die AfD legte einen Zähler zu. Damit würde die AfD derzeit als drittstärkste Kraft in den Bundestag einziehen - vor den Grünen, die unverändert bei zwölf Prozent liegen, und den Linken mit unverändert neun Prozent, die auch nach einem Konzept gegen die AfD suchen. Die CDU/CSU gewann einen Prozentpunkt auf 33 Prozent, die FDP blieb bei sechs Prozent.

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