Lafontaine und Wagenknecht Die Rot-Rot-Grün-Verhinderer

Oskar Lafontaine beschimpft die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton als Terroristin, Sahra Wagenknecht attackiert die Nato. SPD und Grüne sind empört. Schwinden damit die Chancen für Rot-Rot-Grün im Bund?

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Gemeinsam gegen Deutschlands Bündnispartner: Oskar Lafontaine, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke im Saarland, und Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag. Quelle: dpa

Berlin Rot-Rot-Grün könnte im Herbst 2017 eine Alternative zur Großen Koalition sein. Zumindest sehen einige Vertreter von SPD, Linken und Grünen durchaus Chancen für eine solche Machtoption. Doch abfällige Äußerungen von Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht über die Nato und die US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton könnten die Hoffnungen auf ein Linksbündnis jäh zunichtemachen. „Lafontaine und Wagenknecht sind die größten Hindernisse für Rot-Rot-Grün“, sagte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, dem Handelsblatt.

Ähnlich äußerte sich der ehemalige Bundestagsfraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin. „Man kann nicht sonntags von Rot-Grün-Rot schwärmen und alltags den historischen Irrtum der Sozialfaschismusthese als saarländische Farce wiederaufführen“, sagte Trittin dem Handelsblatt.

Der saarländische Linksfraktionschef Oskar Lafontaine hatte zuvor auf seiner Facebook-Seite Hillary Clinton als „die vermutlich nächste Terroristin im Weißen Haus“ beschimpft. Er begründete dies damit, dass nach deutschem Recht diejenige eine Terroristin sei, die rechtswidrig Gewalt anwendet, um politische Ziele durchzusetzen. „Das trifft auf Hillary Clinton, die auch „Killary“ genannt wird, in vollem Umfang zu“, so Lafontaine.

Auch Lafontaines Ehefrau, die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, machte gegen Deutschlands Bündnispartner mobil. In der Bundestagsdebatte zum Nato-Gipfel machte sie die Nato für eine erhöhte Kriegsgefahr in Europa verantwortlich und sprach von Kriegstreiberei. Der EU warf sie zudem vor antidemokratisch und unsozial zu sein.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann konterte Wagenknechts Attacke auf die EU-Kommission umgehend mit scharfer Kritik. „Dass Sie eben von den Antidemokraten in Brüssel gesprochen haben, das ist, dass erstmals hier im Bundestag jemand den Sprachgebrauch der AfD eingeführt hat“, sagte er.

Scharfe Kritik kam auch von Frank Schwabe, einem der Sprecher der „Denkfabrik“ in der SPD-Bundestagsfraktion. Die „Denkfabrik“ lotet gemeinsam mit Politikern von Linkspartei und Grünen Möglichkeiten für ein rot-rot-grünes (kurz: R2G) Regierungsbündnis auf Bundesebene aus. „Solche Kraftmeierei von Lafontaine und Wagenknecht sind natürlich in der Sache unangemessen und sicher auch Störmanöver für Rot-Rot-Grün. Letztere sehe ich aber gelassen und würde es nicht überbewerten“, sagte Schwabe dem Handelsblatt. Er sieht die „rhetorischen Ausfälle“ Lafontaines und Wagenknecht auch taktisch bedingt. Sie sollten dazu dienen, „noch einmal zu checken, ob R2G-Entwicklungen wieder einzufangen sind.“ Er bezweifle aber, dass sich die Akteure damit einen Gefallen tun. „Weil das Ergebnis nicht sein wird, dass es ein Zurück gibt.“

Trittin sagte, die Linkspartei müsse endlich klären, was sie außen- und europapolitisch wolle. „Will sie mit Podemos, mit Syriza, mit Gewerkschaften und Grünen für mehr Investitionen und ein Ende der Austerität in Europa streiten, oder will sie die Gemeinschafts-Institutionen Europas im Vokabular von Rechtspopulisten verunglimpfen?“ Solle Europa zusammengehalten werden - oder solle sich die Renationalisierung durchsetzen? „Will sie Trump oder Hillary – denn ein Drittes gibt es nicht.“ Deshalb hätten sich amerikanische Linke wie Bernie Sanders hinter Clinton gestellt, die als Siegerin aus den Vorwahlen hervorgegangen ist.


„Grundlegende Differenzen in der Außenpolitik“

Stefan Liebich, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, verteidigte Lafontaine und Wagenknecht. Rot-Rot-Grün als Regierungsalternative zu Schwarz-Rot sieht er damit noch nicht al erledigt an. „In unserer Partei, wie auch bei SPD und Bündnis 90/Die Grünen, gibt es eine Bandbreite von Positionen und Politikstilen“, sagte Liebich dem Handelsblatt. „Ob eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit auf Bundesebene möglich ist, hängt davon ab, ob wir uns auf eine gemeinsame Politik verständigen können und wollen.“ Wagenknecht und Lafontaine seien „dafür aufgeschlossen“.

Liebich ist einer der maßgeblichen Protagonisten der so genannten „R2G“-Gruppe (zweimal Rot, einmal Grün). Gemeinsam mit anderen Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen treffen sie sich schon seit einigen Jahren regelmäßig in einer Kneipe in der Thüringer Landesvertretung in Berlin, um die Möglichkeiten einer Kooperation abzuklopfen. Ihrem Ziel einer alternativen Regierungsoption sind die „R2G“-Akteure bisher nicht nähergekommen. Doch zuletzt, so schien es, eröffneten sich neue Chancen, nachdem SPD-Chef Sigmar Gabriel in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ ungewöhnlich deutlich mit einem Mitte-Links-Bündnis liebäugelte.

„Die rot-rot-grüne Option ist längst kein Schreckgespenst mehr“, zeigte sich etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe überzeugt. Und auch die Grünen-Bundestagsabgeordnete Agnieszka Brugger plädierte dafür, die Gunst der Stunde nicht verstreichen zu lassen: „Damit die Große Koalition nicht zum Regelfall wird, sollte auch die Option Rot-Rot-Grün ernsthaft diskutiert und geprüft werden.“

Brugger, die in ihrer Fraktion für außen- und sicherheitspolitische Fragen zuständig ist, wie jedoch auch auf „einige große Differenzen“ zwischen den Parteien hin. Das mache daher „erst recht den frühen Dialog notwendig“, fügte sie jüngst im Gespräch mit dem Handelsblatt hinzu. Gemeinsamkeiten gibt es nach Ansicht Bruggers jenseits der großen Kontroversen um Auslandseinsätze und Rüstungsexporte bei vielen Themen, die die Stärkung von Solidarität und Zusammenhalt in der Gesellschaft betreffen. „Auch in der Umwelt- und Bürgerrechtspolitik gibt es in großen Teilen grundsätzlich eine gemeinsame Linie“, sagte sie.

Dass eine rot-rot-grüne Koalition funktionieren kann, weiß Astrid Rothe-Beinlich. Sie ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Thüringer Landtag. Seit Ende 2014 wird das Bundesland erstmals von einer rot-rot-grünen Koalition unter einem linken Ministerpräsidenten regiert. „Um ein solches Bündnis auch auf Bundesebene zu realisieren, müssten allerdings grundlegende Differenzen, etwa in der Außenpolitik überwunden werden“, sagt Rothe-Beinlich. „Ich halte dies nicht für generell unmöglich, meine aber, dass es bis dahin noch ein sehr, sehr weiter Weg ist - insbesondere bei der Linken im Bund.“


Lafontaines „wesentlichen Bausteine“ für Rot-Rot-Grün

Wie schwer eine rot-grüne Annäherung an die Linken ist, zeigen auch jüngste Äußerungen Lafontaines zu Gabriels Gedankenspielen für ein Mitte-Links-Bündnis. Lafontaine bezog sich auf die auf das schleichende Erstarken der Rechten und der AfD gemünzte Aussage des SPD-Chefs, wonach Deutschland jetzt ein Bündnis „aller progressiven Kräfte“ brauche. „Wer würde diesem Vorschlag nicht zustimmen? Aber die entscheidende Frage bleibt: Was ist progressiv?“, schrieb Lafontaine auf seine Facebook-Seite. Dann erläuterte er seine Vorstellungen – und sparte dabei nicht mit harter Kritik an der SPD.

„In den vergangenen Jahren gab es nur - leider auch unter Beteiligung der SPD – eine regressive (zurückschreitende) Politik“, konstatierte der Linken-Politiker. So sei nicht nur die Demokratie durch eine zunehmende Vermögenskonzentration und internationale Verträge, etwa die Vereinbarungen zu den Freihandelsabkommen Ceta und TTIP, „ausgehöhlt“ worden. Auch der Sozialstaat sei „schrittweise abgebaut“ worden. „Die europäische Einigung erlitt durch Merkels Alleingänge einen schweren Rückschlag und die Ausdehnung der Nato bis an die Grenzen Russlands machte die erfolgreiche Ost- und Entspannungspolitik Willy Brandts zunichte“, konstatiert Lafontaine.

Aus seinem Befund leitet Lafontaine dann seine „wesentlichen Bausteine“ für eine progressive Politik ab:

• Der Aushöhlung der Demokratie muss durch einen Abbau der Vermögenskonzentration und einen Ausbau der betrieblichen Mitbestimmung (Belegschaftsbeteiligung) entgegengewirkt werden.

• Der Sozialstaat muss wieder aufgebaut werden. Man könnte mit der Rente beginnen. (Wiederherstellung des Niveaus von 53 Prozent und Rücknahme aller Kürzungsfaktoren)
• Deutschland muss Vorschläge zu einer Neuordnung der europäischen Finanzverfassung machen, die den einzelnen Mitgliedsstaaten demokratische Entscheidungsspielräume zurückgibt. Die jetzige Finanzverfassung Europas lässt zu, dass die demokratisch nicht legitimierte Europäische Zentralbank (EZB) mit einem Knopfdruck (siehe Griechenland) die Demokratie beenden kann.
• Progressiv wäre es, an die besten Traditionen einer eigenständigen europäischen Außenpolitik anzuknüpfen, wie sie für Frankreich Charles de Gaulle und für Deutschland Willy Brandt entwickelt haben.


SPD soll an Friedenspolitik Willy Brandts anknüpfen

Die jüngsten Russland-Äußerungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sind denn auch ganz nach dem Geschmack Lafontaines. Steinmeier hatte am Wochenende davor gewarnt, „durch lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul die Lage weiter anzuheizen“. Beim Koalitionspartner Union löste er damit heftige Kritik aus.

Lafontaine erklärte zu dem Thema in eine weiteren Facebook-Eintrag: „Wenn Steinmeier und mit ihm die SPD-Führung nicht nur verbal, sondern tatsächlich wieder an diese erfolgreiche Politik des Friedensnobelpreisträgers (Willy Brandt) anknüpfen würde, dann wäre dies ein erster Schritt zu einer friedlichen deutschen Außenpolitik.“

Brandt habe gewusst, dass es ohne die ehemalige UdSSR keinen Frieden in Europa geben würde. Und Helmut Schmidt habe in dieser Tradition gesagt: „Für den Frieden in der Welt geht von Russland heute viel weniger Gefahr aus, als etwa von Amerika.“ „Und in der Tat“, so Lafontaine: „Putin hat – soweit man weiß – nicht vor, Truppen in Kanada oder Mexiko zu stationieren und von weiteren Raketenbasen in Kuba ist auch nichts bekannt.“

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