Lahmes Internet Telekom-Anbieter wehren sich gegen Vorwürfe

Die Telekomunternehmen versprechen Internet-Geschwindigkeiten, die sie häufig nicht einhalten. Zu diesem Schluss kommt die Bundesnetzagentur. Die Anbieter wehren sich – und greifen den Test an.

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Fast ein Drittel aller Kunden, die Internet über das Festnetz nutzen, bekommen nicht einmal die Hälfte der versprochenen Geschwindigkeit. In dieser unfreiwilligen und wenig schmeichelhaften Rangliste schafft es Unitymedia auf den Spitzenplatz. Quelle: AFP

Berlin, Düsseldorf In dieser unfreiwilligen und wenig schmeichelhaften Rangliste schafft es der Kabelnetzbetreiber Unitymedia auf den Spitzenplatz. Rund ein Drittel der Internetkunden erhalten nicht die Geschwindigkeit, die sie laut Vertrag bekommen sollten. Das sollte für Empörung sorgen, aber in der Telekommunikationsbranche ist das seit Jahren normal.

Grundlage für die Liste ist eine Breitbandmessung der Bundesnetzagentur, die ein Jahr lang, bis September 2016 durchgeführt wurde. Rund 160.000 Messungen wurden in dieser Zeit durchgeführt, im Festnetz und im Mobilfunk. Das Ergebnis: Fast ein Drittel aller Kunden, die Internet über das Festnetz nutzen, bekommen nicht einmal die Hälfte der versprochenen Geschwindigkeit. Im Mobilfunk ist das Ergebnis noch deutlicher: Dort erhalten sogar mehr als zwei Drittel der Kunden weniger als die Hälfte der vertraglich vereinbarten Datenübertragungsrate.

Nun könnten die Telekom-Anbieter ihre Kunden um Verständnis bitten. Erklären, die Leitungen gäben eben manchmal nicht mehr her, der Wettbewerb sei hart und Geschwindigkeit ein gutes Verkaufsargument. Die meisten tun das aber nicht. Als Grund für das schlechte Ergebnis verweisen die Anbieter auf Nachfrage des Handelsblatts, nicht auf ihre Leistung, sondern auf den Test der Bundesnetzagentur. So sagt Unitymedia etwa, man glaube nicht, dass ein Missverhältnis zwischen Vertrag und Leistung vorliegt. „Unsere eigenen Messungen über den Netzbereich, den wir selbst verantworten, zeigt Zuverlässigkeitswerte von über 90 Prozent“, sagt ein Sprecher. Dabei schließe Unitymedia einige Faktoren, wie Übergänge in fremde Netze als Störquelle aus, weil das Unternehmen darauf keinen Einfluss habe. Das Messverfahren der Bundesnetzagentur sei aus ihrer Sicht nicht zuverlässig.

Zu dieser Bewertung kommt auch die Deutsche Telekom, wo laut Bundesnetzagentur gerade einmal vier Prozent der Kunden die volle Internet-Geschwindigkeit erhalten. „Insgesamt halten wir die Erhebung nicht für repräsentativ“, sagte ein Unternehmenssprecher. In vielen Regionen seien nicht alle Anbieter aufgeführt, in manchen nur sogar nur einer. Ähnliche Bedenken geben auch andere Unternehmen an.

Die Messung der Bundenetzagentur selber, erhebt nicht den Anspruch repräsentativ zu sein. Die Autoren der Studie erklären selbst, die Auswahl der Kunden sei zufällig, weil sie sich selber für die Teilnahme an dem Test entscheiden. Durch diese Selbstselektion, könne das Ergebnis nicht auf alle Telekommunikationskunden in Deutschland übertragen werden. Allerdings sei es nicht zu erwarten, dass bei dem einem Anbieter nur sehr unzufriedene, bei dem anderen nur besonders zufriedene Kunden teilnehmen. Die Agentur erklärte auf Nachfrage zudem, sie haben nur Messungen in die Auswertung aufgenommen, die nach Angaben der Nutzer in einer optimalen Testumgebung vorgenommen wurden und die Messungen umfassend validiert. Natürlich enthielten Studien dieser Art im Detail leichte Unschärfen, sagte ein Sprecher, „wir halten die Ergebnisse aber für ein gutes Gesamtbild.“

Doch schon die Ausgestaltung der Breitbandmessung sorgt für Kritik. So spricht die Bundesnetzagentur etwa von der „maximalen vertraglich vereinbarten Datenübertragungsrate“. Die Telekom sagt hingegen, sie gebe nicht Mindestbandbreiten sondern Bandbreitenkorridore an. Auch das norddeutsche Unternehmen EWE Tel erklärt, alle Kunden erhielten vor Vertragsabschluss die bei ihnen verfügbare Bandbreite angezeigt. Anbieter 1&1 erklärt, grundsätzlich hätte jeder Kunde die Möglichkeit seinen Internetanschluss einen Monat lang zu testen. Wenn er nicht zufrieden sei, könne er seinen Anschluss ohne Angabe von Gründen kündigen. Alle Unternehmen geben an, ihre Verträge seien transparent. Die Kunden wüssten, was sie bekommen. 

Diese Einstellungen teilt man im politischen Berlin indes nicht. Der Digitalpolitiker Martin Dörmann (SPD) sagte, die Ergebnisse hätten bestätigt, was alle vermutet hätten: Die Unternehmen hielten nicht, was sie den Kunden versprechen. „Der Verbraucher muss eine ehrliche Leistung erhalten“, sagte er. Auch für die Unternehmen sei es wichtig, dass die Leistung mit dem übereinstemme, was versprochen werde, da es ansonsten zu Wettbewerbsverzerrungen im Markt komme.

Wie das Handelsblatt aus Koalitionskreisen erfuhr, wird der Wirtschaftsausschuss am Mittwoch die Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) abschließend beraten. Sie soll dann nach wahrscheinlich nach Ostern im Bundestag beschlossen werden. Darin sind allerdings keine Bußgelder für Unternehmen vorgesehen, wie sie etwa die Grünen fordern. „Wenn nicht einmal ein Viertel der Nutzer die vertraglich versprochene maximale Bandbreite erhält, dann grenzt das an systematischen Kundenbetrug, sagt die medienpolitische Sprecherin der Grünen, Tabea Rößner. Daher müsse die Politik die Unternehmen „endlich in die Pflicht nehmen“.

SPD-Politiker Dörmann sagte, er hätte sich auch strengere Regeln und Bußgelder gewünscht. Dies finde sich aber nicht mehr im Entwurf. „In der nächsten Wahlperiode werden wir nachschärfen“, sagte er. Bis dahin hätten die Unternehmen Zeit, ihre Angebote realistischer abzubilden. Die Verbraucher indes hätten nun die Möglichkeit, Messungen vorzunehmen und „gerichtsfest“ zu speichern, um im Zweifel die Anbieter dazu zu zwingen, die vereinbarte Leistung auch zu liefern. Es sei jetzt ein „dynamischer Prozess“.

Der zuständige Berichterstatter der Unionsfraktion, Hansjörg Durz (CSU), erklärte, die Bundesnetzagentur solle ermächtigt werden, „Mindestqualitätsanforderungen zu definieren“. Ein Sonderkündigungsrecht werde es für Kunden nicht geben, vielmehr sollten sie nach zertifizierten Messungen entweder mit dem Anbieter nachverhandeln, die Schlichtungsstelle anrufen oder vor Gericht gehen. CDU-Politiker Thomas Jarzombek begrüßte diese Möglichkeit. Zugleich warnte er davor, die Ergebnisse der Breitbandmessung zu verallgemeinern. Auch lehnte er die Forderung der SPD ab, Sonderkündigungsrechte einzuräumen, wenn Bandbreiten nicht erreicht werden. Die Kunden könnten das Nutzen um bei einem Anbieterwechsel Neukundenrabatte zu nutzen, was eine „Subventionsschlacht um Neukunden“ auslösen könne. Die Unternehmen sollten ihr Geld aber nicht in Rabatte stecken, sondern in den Breitbandausbau.

Die Unternehmen betrachten derartige Überlegungen ohnehin mit Skepsis. Unitymedia glaubt, dass die „Kräfte des Wettbewerbs greifen“,  sobald die Regeln der Transparenz-Verordnung, überall umgesetzt sei. Diese sieht unter anderem vor, dass Kunden einen Rechtsanspruch auf Informationen zu der konkreten Übertragungsrate haben. Zusätzliche gesetzliche Regeln brauche es dafür erst einmal nicht, meint der Kabelanbieter. Auch Wettbewerber Vodafone erklärt, das Unternehmen halten es nicht für richtig, die Vertragserfüllung nur an den Maximalbandbreiten festzumachen, die korrekterweise in den Verträgen mit „bis zu“ angegeben würden.

„Stattdessen sollten die „normalerweise“ zur Verfügung stehenden Geschwindigkeiten zu Grunde gelegt werden“, erklärte eine Sprecherin. Andere Anbieter im Markt halten sich bei der Frage nach einer politischen Regelung dezent zurück.

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