Landesparteitag in Hessen Die AfD redet Tacheles

Nazi-Vorwürfe, falsche Doktortitel und Amtsenthebungen: Nach dem Chaos bei der AfD-Hessen gab es auf dem Parteitag eine Aussprache. Die anwesenden Medienvertreter wurden rausgeworfen. Doch nicht alle verließen wirklich den Saal.

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Quelle: dpa, Montage

Volker Bartz saß in der allerletzten Reihe beim Landesparteitag der hessischen „Alternative für Deutschland“ in Gießen-Allendorf – und stand doch im Mittelpunkt. Bartz war am 15. Dezember 2013 zu einem von drei Sprechern des Landesverbands gewählt worden. Es folgten Wochen der Unruhe, als bekannt wurde, dass Schatzmeister Peter Ziemann vor einer „Unterwanderung der Gesellschaft mit kriminellen Migranten“ gewarnt und dem Staat das gleiche Schicksal wie dem Ostblock vor 20 Jahre gewünscht hatte. Bartz nahm Ziemann in Schutz, nannte dessen Aussagen „philosophisch interessant“. Tage später kursierte das Gerücht, Bartz habe seine Amtstitel gekauft.

AfD-Bundessprecher Bernd Lucke griff ein, forderte Bartz zum Rücktritt auf und initiierte schließlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Hessen-Chef. Auf dem Parteitag am Samstag in Gießen, dem dritten innerhalb weniger Wochen, sollte es zur Aussprache der AfD-Mitglieder kommen – und ein Parteiausschlussverfahren gegen Bartz zur Abstimmung stehen. Dies war zeitlich nach einer kurzen, uninspirierten Rede von Parteimitgründer Konrad Adam und einer erstaunlichen Rede von Lucke, der unter anderem Ex-Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger für sein Coming-Out kritisierte, geplant.

Das Wichtigste der Lucke-Rede

Während die Medienvertreter, unter anderem von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Frankfurter Rundschau, der Nachrichtenagentur dpa und dem Hessischen Rundfunk, der Rede Luckes lauschen durften, überraschte der AfD-Sprecher unmittelbar vor der Aussprache mit einem Vorschlag zur Änderung der Tagesordnung. Um „offen sprechen zu können und alles auf den Tisch zu bringen“, schlage er vor, so Lucke, die Presse aus dem Saal zu werfen. Die Mitglieder applaudierten und johlten. Der Vorschlag wurde diskutiert.

Es gab sinnvolle Einwände, wonach man doch die Medienvertreter im Raum lassen solle, schließlich habe „man nichts zu verbergen“ und die Gespräche kämen eh an die Öffentlichkeit. Ein anderes AfD-Mitglied schlug allen Ernstes vor, die Journalisten nicht rauszuwerfen, sofern der Parteitag diese verpflichten würde, „die Wahrheit zu schreiben“. Lange Rede, kurzer Sinn: Mit deutlicher Mehrheit wurde Luckes Antrag angenommen und die Journalisten, die bis dato auf den Presseplätzen saßen, aus dem Raum geworfen.

Die WirtschaftsWoche roch den Braten, verließ frühzeitig den Presseplatz und setzte sich ans andere Ende des Saals, ganz in der Nähe der AfD-Mitglieder des Kreisverbandes Offenbach-Land – und erlebte, wie die Partei Tacheles redete.

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