Landesverrat Generalbundesanwalt ermittelt gegen Netzpolitik-Journalisten

Ermittlungen gegen Journalisten wegen Landesverrats kommen äußerst selten vor. Doch genau diesen Vorwurf erhebt der Generalbundesanwalt gegen den Blog Netzpolitik.org. Der Deutsche Journalistenverband zeigt sich empört.

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Wegen Landesverrats erhebt der Generalbundesanwalt Anklage gegen den Gründer des Blogs Netzpolitik.org, Markus Beckedahl (Foto), sowie den Netzpolitik-Autor André Meister. Quelle: dpa

Berlin Der Generalbundesanwalt wirft Journalisten des Blogs Netzpolitik.org Landesverrat vor und ermittelt. Darüber informierte die oberste Ermittlungsbehörde die Blogger in einem Brief, den Netzpolitik.org am Donnerstag veröffentlichte. Es geht um die Veröffentlichung von Informationen und Dokumenten des Bundesamts für Verfassungsschutz. „Wir lassen uns nicht einschüchtern“, schrieben die Blogger. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sprach von einem Angriff auf die Pressefreiheit.

Netzpolitik.org hatte in zwei Artikeln die Pläne des Verfassungsschutzes zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben. Dazu veröffentlichte der Blog Auszüge von Dokumenten des Inlandsgeheimdienstes. Der Verfassungsschutz selbst habe Anzeige erstattet, heißt es in dem Schreiben des Generalbundesanwalts. Die Bundesanwaltschaft war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar. Dem veröffentlichten Schreiben zufolge ermittelt die Behörde gegen den Gründer von Netzpolitik, Markus Beckedahl, sowie gegen Autor André Meister.

Netzpolitik.org ist einer der bekanntesten deutschsprachigen Blogs und wurde 2014 mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Die Blogger setzen sich für digitale Bürgerrechte ein. Sie berichten unter anderem in Echtzeit aus dem Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Bundestages.

Der DJV verurteilte die Ermittlungen scharf. Das Vorgehen sei ein „unzulässiger Versuch, zwei kritische Kollegen mundtot zu machen“, erklärte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Er forderte den Generalbundesanwalt auf, die Ermittlungen unverzüglich einzustellen.

Der Fall weckt Erinnerungen an die „Spiegel-Affäre“. Das Nachrichtenmagazin hatte 1962 unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit“ Informationen veröffentlicht, wonach die Bundeswehr für einen Atomkrieg nicht gerüstet sei. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) schäumte, gegen das Magazin wurde wegen Landesverrats ermittelt. Der Bundesgerichtshof lehnte ein Verfahren schließlich ab, und der „Spiegel“ ging gestärkt aus der Affäre hervor.

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