Landtagswahl im Saarland Kramp-Karrenbauer bremst den Schulz-Zug

An der Saar gibt es keinen Machtwechsel. Die CDU hat die Landtagswahlen im Saarland deutlich gewonnen. Das Ergebnis ist ein deutlicher Dämpfer für Martin Schulz und die SPD.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, rechts) im Wahlkampf. Quelle: dpa

Saarbrücken „So“, sagt Anke Rehlinger und schnauft noch einmal kurz durch, als müsste die ehemalige Leistungssportlerin gleich eine besonders schwere Diskusscheibe schultern. Dann steigt vom Podium herunter. Eine Faust aus Journalisten und Fernsehkameras schließt sich um die, tja, SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl im Saarland, die wohl weiter nur Wirtschaftsministerin bleiben wird.

Kurz vorher hatte sie noch mit den Tränen gekämpft, als auf der Wahlparty der SPD in der Saarbrücker Congresshalle etwa 500 Genossen Anke! Anke! riefen und minutenlang Beifall klatschten. „Es ist nicht ganz einfach, hier jetzt zu stehen, sagt sie mit tiefer Stimme, wir haben es leider nicht geschafft, unser Wahlziel zu erreichen. Wir wollten auf Sieg, nicht auf Platz spielen“. Sie verzog auch keine Miene, als der Parteifreund und Bundesjustizminister Heiko Maas neben ihr betonte, „Anke hat alles Menschenmögliche getan, für die SPD im Saarland“.

Es hat trotzdem nicht geklappt. Der viel beschworene Schulz-Hype konnte Rehlingers Konkurrentin, die CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer nicht aus dem Amt fegen. Im Gegenteil: Die seit 18 Jahren im kleinsten Flächenland der Republik regierende CDU erzielte Traumwerte und verbesserte ihr Ergebnis im Vergleich zur Landtagswahl 2012 noch einmal um 5,5 Prozentpunkte.

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kamen die Christdemokraten am Sonntag auf 40,7 Prozent, die SPD erreichte 29,6 Prozent und schnitt etwas schlechter ab als 2012, als sie auf 30,6 Prozent der Stimmen gekommen war. Dahinter folgt die Linke mit 12,9 Prozent, die AfD zog mit 6,2 Prozent erstmals in das saarländische Parlament ein, in dem künftig statt fünf nur noch vier Parteien vertreten sein werden. Bei einer hohen Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent überwanden weder die Grünen noch die FDP die Fünf-Prozent-Hürde.

Der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, zeigte sich aber dennoch überzeugt, dass seine Partei im Bund stärkste Kraft werden könne. Mit Blick auf die Bundestagswahl sagte er: „Das ist ein Langstreckenlauf und kein Sprint.“ Er verwies darauf, dass die SPD im Januar im Saarland noch bei 24 Prozent gelegen habe und seitdem „deutlich aufgeholt“ habe. Doch bei den Genossen in Saarbrücken kann sich über solche Parolen gerade niemand so recht freuen.

Zwei Glasflaschen mit roten Rosen stehen einsam auf der Bühne, daneben schweben rote Luftballons in Herzform auf denen „Anke“ steht. „So“ sagt Rehlinger noch einmal, stellt ihr Bierglas weg und erklärt den Journalisten, warum es nicht gereicht hat. Auf die Frage, ob es ein Fehler gewesen sei, sich so klar Richtung Linkspartei zu positionieren, sagt sie. „Wir haben uns nicht klar dazu geäußert, das sollten die Wählerinnen und Wähler entscheiden“. Allerdings räumt sie ein, sei diese Haltung bei einigen „vielleicht falsch angekommen“. Sie könne nicht ausschließen, dass das die Wahl entschieden haben könnte.

Das glaubten auch die Jusos, die sich um einen Stehtisch versammelt haben. Bedröppelt schauen sie in ihre Pils-Gläser. Der 23-jährige Dominik Fabian Buß, schwarze Hornbrille, graues Jacket, sucht die Schuld bei den anderen Parteien. Die hätten einen Angstwahlkampf gegen die SPD betrieben. „Die FDP sprach wochenlang von DDR 2.0 oder dass das Saarland ‚verrotet’“. Tapfer trägt er seinen roten „Anke-Anstecker“ am Revers, die schwarze Krawatte hängt etwas schief.

Im Vorfeld der Wahlen hatte Unions-Fraktionschef Volker Kauder den Sozialdemokraten vorgeworfen, sich Bündnissen mit der Linken zu öffnen. „Die Schulz-SPD scheint bereit zu sein, sich den Kommunisten an den Hals zu werfen“, sagte der CDU-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung. 2013 habe sich die SPD noch gegen diese Option ausgesprochen. „Für die Macht scheint sie nun bereit, ihre Grundsätze zu opfern“, meinte Kauder.

Auch Günther Hüter, 69 Jahre, und seit er denken kann Genosse, glaubt, dass die CDU mit Angstmache viele Menschen mobilisieren konnte. „Sie hat wie so oft den Hammer ‚Freiheit oder Sozialismus’ ausgepackt und war damit erfolgreich“. Außerdem, glaubt Hüter, habe die Drohung von Kramp-Karrenbauer verfangen, sich bei einer Niederlage komplett aus der Politik zurückzuziehen. „Die Leute mögen sie einfach“.

Das gilt für die Menschen im Saarland, besonders aber für die Gäste der Luminanz, ein Eventlokal in Saarbrücken. Dort feiert die CDU ihren Wahlsieg. Um kurz vor sechs, noch bevor die ersten Hochrechnungen über den Bildschirm liefen, war der Saal schon gepackt voll. Fernsehkameras richteten sich auf Anzugträger mit Gel in den Haaren, auf Frauen in Kostümen. Man trank mehr Wein als Bier. Später floss dann Champagner.

Auch der 25-jährige Timo Moldau und seine Parteikollegin Laura Krämer (21) sind unter den Gästen. Moldau, sorgsam rasierter Vollbart, dunkles Jacket, umklammert eine Flasche Pils. Er ist Mitglied der Jungen Union (JU) und Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten im Saarland (RCDS). Gemeinsam mit Krämer ist er für Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer in den Wahlkampf gezogen, hat an Türen geklingelt, diskutiert, Menschen überzeugt.


Champagner bei der CDU

„Wir haben in den letzten Wochen richtig Gas gegeben, Annegret muss das Rennen einfach machen“, hoffte Moldau, als der Abend noch jung und die Unsicherheit hoch war. Der viel beschworene Schulz-Effekt sei ihm „ziemlich egal“, der spiele im Saarland keine Rolle. „Aber fragen sie Laura, die war die Aktivste von uns allen“.

„Annegret ist im Bundesland beliebt, ob in der Stadt oder auf dem Land“, sagt Laura Krämer im luftigen Blumenoverall. Schwierig sei es allerdings gewesen, den Leuten klar zu machen, zwischen der Bundes- und der Saar-CDU zu unterscheiden. Denn einige, die die Frau mit dem unfallträchtigen Namen gut fanden, wollten sie für Merkels Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen abstrafen, erzählt die Politikstudentin.

Als dann gegen sechs die ersten Ergebnisse auf der Leinwand erscheinen, bricht ein Höllenlärm im Saal los. Als der schwarze CDU-Balken immer weiter wächst und bei 40,8 Prozent stehen bleibt, fangen Erwachsene plötzlich an zu kreischen wie Kinder. Männer liegen sich in den Armen, springen wie Gummibälle auf und ab. Ein minutenlanges Klatschkonzert dröhnt in den Ohren. „Wie geil!“ ruft auch Moldau und klatscht mit seinen Parteifreunden ab. „So sieht’s aus“, rufen andere.

All denen, die so richtig ausflippten, merkte man an, dass die zuvor demonstrierte Gelassenheit viel Fassade war. Denn laut der Prognosen hätte es auch für eine rot-rote Mehrheit gereicht.

„Mir fällt ein Riesenstein vom Herzen“, gibt Moldau zu. Zu groß war seine Sorge vor einem rot-roten Regierungswechsel. All’ die Wahlversprechen, die SPD und der Linke gemacht hätten, etwa gebührenfreie Kitas. "Das wäre nicht finanzierbar gewesen. Das Geld, das Annegret für die junge Generation im Länderfinanzausgleich mühsam erstritten hat, wäre gefährdet gewesen. Jetzt kann die Party starten“ ruft er seinen Kollegen zu.

Als Innenminister gegen sieben Uhr Klaus Bouillon den Raum betritt, rufen die CDU-Anhänger „Bulli, Bulli, Bulli“! Über den Schulz-Effekt, der im Saarland verpufft sei, sagt Bouillon dem Handelsblatt: „Es freut mich sehr, dass die keinen Erfolg haben, die das Blaue vom Himmel versprechen, die einfach nicht konkret werden.“ Man könne viel erzählen, aber am Ende müssten Reformen bezahlbar sein. „Wir sind keine Märchenerzähler, wie versprechen nur, was wir auch halten können.“

Bein den Jusos auf der SPD-Wahlparty, wo der Trubel gegen 22:30 etwas abgenommen hat, bleibt man trotzdem kämpferisch. Ein Kollege von Buß, ein junger Politikwissenschaftler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagt: „Was heute im Saarland passiert ist, ist kein Gratmesser für die Bundestagswahl“. Das zeigten Umfragen, in denen die Schulz-SPD mit 44 Prozent abschneide. „AKK ist erzkonservativ, ihre Positionen passen nicht in unser freiheitliches Menschenbild“. Ihr regider Sparkurs als Wissenschaftsministerin habe die Unis nicht „verroten“ sondern „verrotten“ lassen, schimpft er. „Ich bleibe dabei, wir sprechen uns im September wieder“.

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