Landtagswahl Lernen von der Saar

Die CDU gewinnt, die Piraten ziehen in den Landtag ein, die FDP fliegt raus. Was die Ergebnisse der Saarlandwahl für die Bundespolitik bedeutet. Eine Analyse.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Annegret Kramp-Karrenbauer, Spitzenkandidatin der CDU bei der Landtagswahl im Saarland, Quelle: dpa

Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz. Mehr Alternativen hatte es für die Bürger bei der Landtagswahl im Saarland von Anfang an nicht gegeben. Da wundert es wenig, dass die Wahlbeteilung an diesem Sonntag höchst bescheiden blieb. Schon seit Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer am Dreikönigstag das regierende Jamaica-Bündnis beendet und sich beim Werben um die SPD ein wenig verzockt hatte, war klar, dass es bei Neuwahlen nur auf eine große Koalition hinauslaufen konnte. Die spannendste Frage blieb dabei noch, ob die am Ende von der CDU oder der SPD angeführt würde. Oder noch kürzer: Ob es künftig noch eine Ministerpräsidentin oder einen Ministerpräsidenten geben würde.

Jubel bei der CDU in Saarbrücken

Sie oder er – darauf ließ sich alles zurückführen. Nun ist klar: Nach dem vorläufigem amtlichen Endergebnis liegt die CDU mit 35,2 Prozent der Wählerstimmen weit vor der SPD, die 30,6 Prozent für sich einigen konnte. Demnach wird die Staatskanzlei im Saarland künftig weiter von Annegret Kramp-Karrenbauer geführt. Ihr Juniorpartner in der großen Koalition wird Heiko Maas heißen. Alle anderen Optionen waren von Anfang an aussichtslos: Union, Grüne und FDP hatten sich allzu tief in Gezänk und Gezerre verhakt, um ihre Koalition noch einmal aufleben zu lassen. Ohnehin hätte niemand darauf gewettet, dass es die Liberalen überhaupt noch einmal in den Saar-Landtag schaffen würden. Die SPD wiederum schloss jede Koalition mit der Linkspartei aus, so lange deren Chef Oskar Lafontaine heißt. Blieb also nur Schwarz-Rot oder Rot-Schwarz. Man könnte es auch die langweiligste Wahl des Jahres nennen.

Die konservative Annegret Kramp-Karrenbauer bleibt Ministerpräsidentin im Saarland. Die Ergebnisse und Sitzverteilungen.

Dabei macht das Saarland den Auftakt zu einer Dreierkette von Landtagsentscheidungen in diesem Jahr. Das Jahr 2012 gilt als Testlauf für die Bundestagswahl 2013. Allerdings lassen sich die Wahlergebnisse des Saarlandes nur schwer auf die Bundespolitik übertragen. Zu winzig ist das Land, dessen Einwohnerzahl kaum an einige nordrhein-westfälische Landkreise oder eine Großstadt wie Köln heranreicht. Zu verquer und verquast sind die Verhältnisse an der Saar, als dass man sie einfach auf andere Länder oder gar das gesamte Bundesgebiet übersetzen könnte. Vom Saarland geht ein Zeichen aus, gewiss. Aber richtig aufregend wird es in der Berliner Parteienpolitik erst, wenn im Mai die Bürger in Schleswig-Holstein und vor allem NRW wählen. Man darf getrost vermuten, dass die Bundeskanzlerin dann ein paar schlaflose Nächste haben wird.

Die kleinen Parteien im Saarland

Was das Saarland vom Rest der Republik unterscheidet, zeigt sich vor allem beim Blick auf die kleinen Parteien:

Die FDP: Keine Keine zwei Prozent der Stimmen konnten die Liberalen mehr gewinnen – im Vergleich zur letzten Wahl verloren sie damit fast acht Prozentpunkte und fliegen damit aus dem Landtag. Wundern wird sich darüber niemand. Wenn die Liberalen im Bund schon stümpern, so entsetzten sie die Wähler im Saarland geradezu mit einer Reihe von Pannen und Peinlichkeiten. Die gipfelten im Parteiaustritt des Fraktionsvorsitzenden Christian Schmitt, dessen designierter Nachfolger gleich in eine Dienstwagenaffäre schlitterte. Mehr muss man zur Saar-FDP eigentlich nicht sagen. Will man auch nicht. Selbst in Berlin hatte keiner der Parteifreunde damit gerechnet, dass es die Saar-FDP noch einmal in den Landtag schaffen könnte. Natürlich werden die Liberalen auch in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Liberalen hart mit der Fünf-Prozent-Hürde kämpfen müssen, Scheitern nicht ausgeschlossen. Aber in beiden Ländern gibt es wegen der prominenten Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki und Christian Lindner zumindest winzige Chancen auf den Wiedereinzug in den Landtag.

Die Linkspartei: Rund 16 Prozent der Stimmen konnte die Linkspartei erzielen. Im Saarland ist die Gleichung einfach. Lafontaine ist die Linkspartei, die Linkspartei ist Lafontaine. Nirgendwo sonst im Bundesgebiet kann die Linke einen Spitzenkandidaten aufbieten, der in der potenziellen Wählerklientel derart populär ist wie der ehemalige Ministerpräsident von der Saar – selbst wenn sein Nimbus schrumpft. Und strukturell tickt das Saarland noch immer weiter links außen als die meisten anderen Bundesländer im Westen. Das vehemente Nein zur Schuldenbremse kommt in anderen Teilen der Republik längst nicht so gut an wie an der Saar - von der populistischen Forderung nach einem Spitzensteuersatz von 75 Prozent ganz zu schweigen.

Die Grünen: Im Saarland schwächelt die Partei, auch in Umfragen krebste sie in den vergangenen Wochen stets im einstelligen Bereich herum, musste sogar fürchten, an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Im ganzen Bundesgebiet schadet die Debatte um die Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl zwar der Partei, außerdem suchen die Grünen noch immer vergeblich nach einer Strategie, um für junge Wähler attraktiv zu bleiben, die derzeit lieber zu den Piraten strömen. Was im Saarland hinzukommt: Den Einzug in die Jamaica-Koalition mit CDU und FDP hatten viele Stammwähler aus dem Fundi-Flügel den Saar-Grünen nicht verziehen. Auch die Berliner Parteispitze war über den Schachzug nie beglückt.

Die Piraten

Anhänger der Piratenpartei jubeln am Sonntag (25.03.2012) in Saarbrücken bei der Wahlparty nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen. Quelle: dpa

Die Piratenpartei: Die Piraten ziehen mit fast 8 Prozent der Stimmen in den Landtag ein, ein riesiger Erfolg, gerade an der Saar. Das Land ist ländlich geprägt, seine Bevölkerung im Bundesschnitt relativ alt. Das klassische Piraten-Biotop der jungen Netzgemeinde ist daher relativ klein. Dazu kam der schnelle Kamikaze-Wahlkampf vor der Neuwahl, der die Partei vor ungeahnte Herausforderungen stellte – zum Beispiel die, schnell noch ein Programm zu klöppeln. Dass die Piraten dennoch so viele Stimmen erzielten, lässt darauf schließen, dass sie sich dauerhaft im Parteienspektrum etablieren werden. Berlin war kein Einzelfall. Gerade im kleinen Saarland, in dem viele Bürger Parteipolitik über Jahre vor allem als Dickicht aus Filz und Kungelei wahrnehmen, konnten die Piraten mit ihrem Ansatz maximaler Transparenz punkten. Die etablierteren Parteien müssen mit dieser Konkurenz künftig rechnen, überall. Vermutlich werden die Piraten in Schleswig-Holstein und vor allem im medien- und informationsaffinen NRW noch höhere Werte erzielen.

Die großen Parteien allerdings können etwas lernen. Die Union hat sich im Wahlkampf sehr an die SPD gelehnt. Man könnte auch sagen: herangewanzt. In ihrem Wahlprogramm sprach sie sich für Mindestlöhne, strengere Regeln für die Leiharbeit und Tariftreuegesetze aus, in Interviews forderte ihre Spitzenkandidatin Annegret Kramp-Karrenbauer eine gesetzliche Frauenquote. Von der SPD sind die Konservativen an der Saar kaum zu unterscheiden. Und damit hatte sie sogar Erfolg. Man kann davon ausgehen, dass CDU-Chefin Angela Merkel vor der Bundestagswahl 2013 über diesen Sachverhalt nachdenken wird. Mehr, als den Wirtschaftspolitikern lieb sein dürfte.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%