Landtagswahlen 2016 AfD wird Ost-Volkspartei, FDP läuft sich für Bundestag warm

Der Erfolg der AfD ist vor allem für CDU und SPD ein Problem. Die SPD wird in ihren Juniorrollen immer schwächer und die CDU bekommt Konkurrenz von rechts. Nur einer kann sich ausgelassen freuen: FDP-Chef Christian Lindner. Eine Analyse in fünf Punkten.

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AfD-Wahlparty. Quelle: dpa Picture-Alliance

1. AfD könnte kleine Volkspartei im Osten werden

Ursprünglich hatten die Gründer um den früheren Parteichef Bernd Lucke eine „Alternative für Deutschland“ in Sachen Euro-Politik im Sinn. Drei Jahre später geht es immer noch um Alternativen – nun allerdings für die Flüchtlingspolitik. In Sachsen-Anhalt ist die AfD so stark wie Sozialdemokraten, Linke und FDP zusammengerechnet und kann über ein Fünftel der Wählerstimmen auf sich vereinen, das zweitbeste Ergebnis hinter der CDU. Zweistellige Ergebnisse holt die AfD auch in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Ja, eine Stimme für die AfD in einem der drei Bundesländer ist eine Stimme gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Dass die Skepsis vor Zuwanderern im Osten höher ist als im Westen überrascht nicht. Die AfD hat im Osten nun die Möglichkeit zu einer kleinen Volkspartei zu werden. Die SPD ist in vielen neuen Bundesländern bereits zur linken Kraft zweiter Wahl hinter der Linkspartei geworden. Die AfD wird nun versuchen, die CDU im rechten Spektrum anzugreifen.

 2. Fiasko für die CDU

Noch vor vier Wochen schien ein Wahlsieg von Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz so gut wie sicher. In Umfragen lag die CDU einst zehn Prozentpunkte vor der SPD. In den vergangenen Tagen holte SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer dann auf. Nun liegen die Sozialdemokraten mit rund fünf Prozentpunkten deutlich vor der CDU, Dreyer bleibt Ministerpräsidentin.

Und selbst in Baden-Württemberg, einst Stammland der Christdemokraten, wurde die CDU deklassiert. Die Grünen unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann konnten ihren historischen Erfolg von 2011 nicht nur wiederholen. Die Öko-Partei ist nun stärkste Kraft im Ländle, die CDU muss sich mit dem zweiten Platz zufriedengeben. Kretschmann könnte nun versuchen, eine grün-schwarze Koalition mit ihm als Regierungschef an der Spitze zu bilden. Die CDU als Juniorpartner der Grünen? Die Union wird sich an ihre neue Rolle erst noch gewöhnen müssen.

Jubel und Tränen bei den Wahlpartys
Die Grünen, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Baden-Württemberg Quelle: AP
AfD, Baden-Württemberg Quelle: dpa Picture-Alliance
SPD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
CDU, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance
AfD, Rheinland-Pfalz Quelle: dpa Picture-Alliance

Die Kanzlerin wird sich für das schlechte Abschneiden ihrer Partei nicht verantwortlich fühlen. Die CDU-Spitzenkandidaten in Baden Württemberg (Guido Wolf) und Rheinland-Pfalz (Julia Klöckner) hatten in den vergangenen Wochen versucht sich von der Flüchtlingspolitik abzusetzen. Wer mir nicht folgt, wird bestraft – so dürfte die Haltung der Kanzlerin sein. Klöckner und Wolf wären in dieser Logik für ihr Scheitern selbst verantwortlich.

Warum die SPD das Kanzleramt vergessen kann

 3. SPD kaum noch Volkspartei

Vierte Kraft in Sachsen-Anhalt und in Baden-Württemberg. Hätte Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz nicht in einem beachtlichen Schlussspurt den Wahlsieg geholt – die SPD wäre der große Verlierer dieser Wahl gewesen. Dreyer macht den Sozialdemokraten Mut. Doch zeigt sie auch das größte Problem der Partei auf. Dort, wo die SPD Regierungsverantwortung trägt, kann sie Wahlen gewinnen. Dort, wo die SPD Juniorpartner ist, wird sie immer schwächer. Das gilt für Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt und natürlich auch für die Große Koalition in Berlin. Spätestens jetzt weiß SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die SPD wird nicht den nächsten Kanzler stellen, egal wer Kanzlerkandidat wird.

 4. Die FDP ist wieder da

Die Liberalen haben beste Aussichten, in eineinhalb Jahren in den Bundestag zurückzukehren. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ist die FDP sicher in den Landtagen vertreten. In Mainz kehren die Liberalen gar ins Parlament zurück und könnten in einer Ampel-Koalition Regierungsverantwortung übernehmen. Für den anstehenden Bundestagswahlkampf haben die Liberalen nun den nötigen Unterbau, um wahrgenommen zu werden.

Für FDP-Parteichef Christian Lindner noch wichtiger: Seine Partei konnte sich behaupten – trotz AfD. Die Stärke der Petry-Partei geht nicht auf Kosten der Liberalen. Offenkundig hat es die FDP unter Lindner geschafft, eine wirtschaftsliberale Wählerklientel für sich zu begeistern, die weder der AfD noch der CDU ihre Stimme geben mag.

 5. Keine linken Mehrheiten in Deutschland

Die etablierten Parteien lehnen eine Koalition mit der AfD ab. Die Partei wird also in keinem der drei Bundesländer Regierungsverantwortung übernehmen, ordnet das deutsche Parteiensystem aber gänzlich neu. Linke Mehrheiten sind in der aktuellen politischen Gemengelage nicht länger möglich.

Für die SPD bedeutet dies, dass sie sich vorerst keine Hoffnung mehr auf das Kanzleramt machen braucht, selbst wenn sie sich zur Linken hin öffnen würde. Für die Union ist das aber nicht zwangsläufig eine positive Nachricht. Die AfD wird von rechts weiterhin Druck machen. Die Zeit des Ignorierens und Totschweigens ist vorbei. Und wenn Union und SPD im Bund zunehmend schwächer werden, drohen österreichische Verhältnisse. Dann müssten Union und SPD um die Mehrheit der Großen Koalition bangen.  

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