Landtagswahlen 2016 Die verwirrte Republik

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FDP mit einem Comeback

Und die FPD scheint auf dem Weg zu einem Comeback und einer (alten) neuen Rolle als Königsmacherin. Doch ist ihr Abschneiden wirklich Ausdruck einer neuen Sehnsucht nach einem modernen Liberalismus? Oder nutzte Parteichef Christian Lindner geschickt die Gelegenheit, sich vom oft als idealistisch empfundenen Flüchtlingskurs der Kanzlerin und der scheinbaren Sozialdemokratisierung der Großen Koalition abzusetzen? Und: Wird dieser Trend anhalten, sollte die Flüchtlingskrise weniger wichtig werden?

Schließlich: die Alternative für Deutschland (AfD), sensationeller Wahlsieger, aber deswegen schon eine neue Volkspartei? Was geschieht, wenn sich bei der Parlamentsarbeit herausstellt, dass es nicht nur reicht, Probleme zu benennen statt Lösungen anzubieten?

So scheint sicher nur eine Lehre: unser altes Denken im herkömmlichen Parteienstaat, das nicht nur die Bonner Republik, sondern auch die Berliner Republik so lange prägte, gehört der Vergangenheit an. Eine Große Koalition besteht nicht mehr automatisch aus den beiden großen Volksparteien, aus Union und Sozialdemokraten. Und bei der (in den Ländern möglicherweise langwierigen) Koalitionssuche werden wir uns an ganz neue Konstellationen gewöhnen müssen.

Deutschland holt damit nach, was sich in Staaten, die früher und heftiger von der Euro-oder Finanzkrise gebeutelt  – in anderen EU-Mitgliedsländern, aber auch in den USA - bereits seit längerem abzeichnet: ein Trend zu einer weiteren Zersplitterung der Parteien, einer greifbaren  Unsicherheit, oft gepaart mit Ängsten vor neuen Verteilungskämpfe. Und auch das: ein rauerer Ton im politischen Umgang und mehr Raum für die scheinbar simplen Lösungsangebote der Populisten.  

 

Das ist nicht per se schlimm, es kann sogar zu mehr Demokratie führen. Die Wahlbeteiligung bei diesen Landtagswahlen lag deutlich höher als vor fünf Jahren. Darin spiegelt sich die Renaissance der

politischen Debatte hierzulande in den vergangenen Monaten – in der Öffentlichkeit, oft aber auch am heimischen Küchentisch.

Es kann aber schlimm werden, wenn sich der Umgang mit dieser neuen Verwirrung mit Hysterie paart, wie sie leider in den vergangenen Monaten in Deutschland oft zu beobachten war. Wie groß das Konfliktpotential ist, zeigt sich, wenn mehr als die Hälfte der Landtagswähler als Hauptangst angeben, der Einfluss des Islam werde zu stark oder die Kriminalität steige weiter. Dieser neuen Verwirrung mit Augenmaß zu begegnen, ist nicht allein Aufgabe der Medien, der Volksparteien, auch nicht der neuen Bewegungen wie der AfD: Es ist Aufgabe von uns allen, den Bürgern.

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