Landtagswahlen 2016 Lucke sieht für AfD größeres Wählerpotenzial

Ungewohnte Töne von AfD-Gründer Bernd Lucke: Falsch findet er es, seine frühere Partei zu verteufeln. Die derzeitige Stärke der Alternative für Deutschland hält er sogar für ausbaufähig – unter bestimmten Voraussetzungen.

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Der Bundesvorsitzende der Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa), Bernd Lucke. Quelle: dpa

Berlin Nach Meinung des Europaabgeordneten Bernd Lucke hat die von ihm mitbegründeten Alternative für Deutschland (AfD) ihr Wählerpotenzial noch nicht ausgeschöpft. „Die AfD hat zurzeit großen Zuspruch. Und, ehrlich gesagt: Würde sich die AfD manierlicher geben, wäre der Zuspruch noch erheblich größer“, sagte Lucke im Interview mit dem Handelsblatt. „Denn die Frustration in der Bevölkerung und die Enttäuschung über die Bundesregierung sind unglaublich weit verbreitet.“

Eine Umfrage stützt Luckes Einschätzung, zumal die AfD offen mit extrem rechten Positionen kokettiert, sich aber zugleich nicht als rechtsextrem bezeichnen lassen will. Insgesamt distanziere sich die Partei nicht genug von Rechtsextremen, bemängeln 60 Prozent der Deutschen in einer Emnid-Umfrage für den Sender N24. Nur 16 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich die AfD ausreichend von Rechtsextremen distanziert.

In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt werde am 13. März neue Landtage gewählt. Die AfD hat laut Umfragen gute Chancen, erstmals alle drei Parlamente einzuziehen.

Lucke sagte, viele Leute, denen er im Wahlkampf begegne, wollten aber keine radikale Partei wählen. „Diese Leute suchen nach einer wählbaren, bürgerlichen Alternative, die die AfD mal hätte sein können und die Alfa jetzt ist“, sagte der Bundesvorsitzende der Partei Allianz für Fortschritt und Aufbruch (Alfa).

Dessen ungeachtet lehnt Lucke eine Ausgrenzung der AfD ab. Die Partei als „Monster“ zu bezeichnen, wie das seine Parteikollege Hans-Olaf Henkel getan hat, halte er für „völlig überzogen“. „Es ist falsch, die AfD zu verteufeln“, sagte Lucke. Die heutige AfD vertrete Meinungen, die er nicht teile. Aber man dürfe diese Meinungen in einer Demokratie vertreten.

Lucke stand bis Juli 2015 an der Spitze der Partei, dann übernahmen radikalere Kräfte um Frauke Petry das Ruder und Lucke trat nach seiner Abwahl als Parteichef aus der AfD aus. Gemeinsam mit anderen AfD-Mitgliedern, die mit dem Rechtsruck der Partei nicht einverstanden waren, gründete er Alfa. Deutschlandweit hat die Partei Verbände gegründet. Sogar ein Parteiprogramm gibt es schon. 17 Arbeitskreise haben es über Monate ausgearbeitet. Nun soll es der Parteitag am Samstag in Ludwigshafen beschließen.


Lucke: ECR-Fraktion im EU-Parlament diskutiert AfD-Ausschluss

Hart ins Gericht ging Lucke er mit seiner Ex-Partei mit Blick auf die jüngsten fremdenfeindlichen Proteste in Sachsen. „Es ist beschämend, dass die AfD Stimmungen schürt, die Vorfällen wie denen in Clausnitz Vorschub leisten.“ Die Partei sei inzwischen „das Forum, wo Enttäuschte und teilweise wütende Bürger auf Demagogen treffen können“. Und das könne dann in den Extremismus führen.

Die jüngsten Aussagen der deutschen AfD-Spitze in Sachen Schusswaffengebrauch zum Schutz der Grenzen vor illegaler Einwanderung könnten sogar unangenehme Folgen für die AfD-Abgeordneten im Europaparlament haben. In der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) „wird derzeit darüber diskutiert, ob die beiden AfD-Abgeordneten noch dabei bleiben können“, sagte Lucke, der mit seiner Partei Alfa ebenfalls der ECR-Fraktion angehört. „Die Äußerungen zum Schusswaffengebrauch an der Grenze sind nicht vereinbar mit dem Wertefundament der ECR-Fraktion. Ich kenne keinen ECR-Abgeordneten, der das anders sieht.“

AfD-Chefin Frauke Petry hatte einen Schusswaffengebrauch im Notfall mit geltendem Recht befürwortet. Dies hatte zuvor auch schon ihr Lebensgefährte, der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell, so vertreten. Die AfD-Europaparlamentarierin Beatrix von Storch hatte den Schusswaffengebrauch auch für „Frauen mit Kindern“ für richtig befunden. Später korrigierte sie sich: Dies gelte nur für erwachsene Frauen, die vielleicht „mit Kindern“ unterwegs seien.

Wie Lucke weiter sagte, hat auch der Zusammenschluss der AfD mit der „Freiheitlichen Partei Österreichs“ (FPÖ) zu einer „Blauen Allianz“, „einer Allianz mit einer Partei, die zur rechtsradikalen Fraktion im Europaparlament zählt, (…) für großes Befremden“ in der ECR-Fraktion gesorgt. Er kritisierte zudem, dass die AfD eine Veranstaltung Mitte Februar in Düsseldorf mit einem ECR-Logo beworben habe, obwohl der Chef der FPÖ, Heinz-Christian Strache, als Gast mit dabei gewesen sei. „Und die FPÖ ist der Bündnispartner von Front National, nicht der der ECR“, sagte Lucke.

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