Leistungsschutzrecht Ruf nach Abschaffung des Leistungsschutzrechtes

Der Nutzen des Leistungsschutzrechts für Presseverleger ist umstritten. Deshalb wollte die Bundesregierung die Wirksamkeit des Gesetzes überprüfen. Wann ein Ergebnis vorliegt, lässt sie offen. Das stößt auf Kritik.

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In Deutschland wurde ein nationales Leistungsschutzrecht für Presseverlage im Internet im August 2013 eingeführt. Der Einführung war ein heftiger Streit zwischen Befürwortern und Gegnern über den Sinn und Nutzen eines solchen Gesetzes vorausgegangen. Quelle: dpa

Berlin Die Grünen haben eine Abschaffung des Leistungsschutzrechtes (LSR) gefordert, mit dem Presseverleger Geld für die gewerbliche Nutzung ihrer Inhalte einfordern können. „Es ist höchste Zeit, dass man begreift, dass dieses Gesetz die Finanzierung von Journalismus nicht sichern kann. Dafür müssen endlich andere Wege eingeschlagen werden“, sagte die medienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Tabea Rößner, dem Handelsblatt. Nötig seien „andere Geschäftsmodelle und ein Bewusstsein in der Bevölkerung, dass guter Journalismus auch bezahlt werden muss“.

Anlass für den Vorstoß ist die zögerliche Haltung der Bundesregierung zu dem Thema. Das Leistungsschutzrecht war im Sommer 2013 unter der damaligen schwarz-gelben Koalition nach einer kontroversen Debatte in Kraft getreten. Die Nachfolge-Koalition aus Union und SPD hatte dann aber im Koalitionsvertrag zugesichert, die Wirksamkeit der Bestimmungen zu überprüfen. Das ist bisher jedoch nicht geschehen. In einer dem Handelsblatt vorliegenden Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, erklärte das zuständige Bundesjustizministerium lediglich, dass die Evaluierung des Gesetzes derzeit noch durchgeführt werde und über die weitere Durchführung, den Anschluss und den Zeitpunkt der Veröffentlichung der Ergebnisse „noch nicht entschieden“ worden sei.

Es werde derzeit vielmehr die „reichhaltige“ in- und ausländische Literatur gesichtet und untersucht, „welche rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers berührt, und welche praktischen Erfahrungen bisher vorliegen“. Rößner nannte die Antworten der Bundesregierung eine Unverschämtheit. „Wenige Monate vor Ende der Legislatur ist rein gar nichts von der versprochenen Evaluation oder irgendwelchen Erkenntnissen aus ihrer angeblichen Arbeit zu sehen“, sagte sie. „Mit keinem Wort kann die Bundesregierung nach Monaten der angeblichen Beschäftigung mit dem Thema darlegen, dass das anvisierte Ziel des Gesetzes auch nur ansatzweise sichergestellt werden konnte.“

Offensichtlich werde allein die „Untätigkeit und Hinhaltetaktik“ der Bundesregierung, kritisierte die Grünen-Politikerin. „Mitarbeiter durchstöbern vermeintlich umfangreiche Literatur – es gibt aber keine Erkenntnisse dazu oder zu praktischen Erfahrungen, es werden keine Schlüsse aus umfangreichen Konsultationen mit Stakeholdern gezogen“, bemängelte Rößner. „Das ist ein Armutszeugnis.“

Die Grünen sind überdies der Ansicht, dass die Bundesregierung bewusst auf Zeit spielt, um dem Ausgang der derzeitigen Debatte über ein EU-Leistungsschutzrecht nicht vorzugreifen. Die Regierung setzt sich damit allerdings dem Risiko aus, dass das Zustandekommen des deutschen Gesetzes womöglich als europarechtswidrig verworfen wird. Darauf deutet zumindest ein Urheberrechtsstreit zwischen Google und deutschen Verlagen vor dem Landgericht Berlin hin.


„Das Gesetz ist sehr schlecht gemacht und wirft viele Frage auf“

In dem Verfahren, mit dem die Verwertungsgesellschaft VG Media im Auftrag der Verlage Geld für Textausrisse und Vorschaubilder aus Verlagsinhalten eintreiben möchte, hatte der Richter Anfang Februar in einer Verhandlung die Frage aufgeworfen, ob Deutschland die Europäische Union nicht vor der Verabschiedung des LSR hätte informieren müssen.

Das Landgericht muss entscheiden, ob der US-Konzern Online-Inhalte der Medienhäuser nach dem umstrittenen Leistungsschutzrecht verwertet und wie von den Verlagen gefordert Geld dafür zahlen sollte. Wenn die Richter dies verneinen, könnte das viel kritisierte Gesetz faktisch gescheitert sein. Gibt das Gericht der Klage von Axel Springer, Handelsblatt & Co allerdings statt, würden die Pressehäuser Auskunft über die Google-Umsätze in Deutschland und dann Schadenersatz fordern. Am 9. Mai soll das Urteil verkündet werden.

Richter Peter Scholz hatte sich allerdings seinerzeit schon in der Verhandlung skeptisch zum Gesetz geäußert. „In meinen Augen ist das ein sehr schlecht gemachtes Gesetz, das viele Frage aufwirft.“ Es gebe Ungenauigkeiten und Unschärfen. Scholz kritisierte, dass die EU die Regelung hätte absegnen müssen. „Wir sind der Meinung, dass das Gesetz hätte notifiziert werden müssen.“

Hintergrund ist, dass zum Ende der schwarz-gelben Koalition im Bund das Justizministerium gegen die Einbeziehung Brüssels, die so genannte Notifizierung der EU-Kommission entschied. Auch weil es sonst kaum möglich gewesen wäre, das LSR noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 zu verabschieden. Die Mitgliedstaaten der EU müssen Gesetzentwürfe in Brüssel vorlegen, wenn diese „technische Vorschriften“ enthalten, die speziell auf „Dienste der Informationsgesellschaft“ zielen.

Das Bundesjustizministerium kommentiert naturgemäß solche Verfahren nicht. Grünen-Medienexpertin Rößner ist dies einmal mehr ein Indiz dafür, dass die Regierung angesichts der gravierenden Kritik nicht nur die Scheuklappen aufsetze, sondern scheinbar noch auf das „europäische Pferd“ setze. „Das ist aber schon halbtot geritten“, betonte Rößner. Denn das vom ehemaligen EU-Digitalkommissar Günther Oettinger ins Spiel gebrachte europaweite Leistungsschutzrecht werde mittlerweile sogar aus der eigenen Fraktion boykottiert.


„Das ist ein Eingriff in die Rechte der Urheber“

Damit der Oettinger-Vorschlag für eine Urheberrechtsreform in Kraft treten kann, müssen das EU-Parlament und der Rat der Mitgliedsstaaten zustimmen. Die maltesische Abgeordnete Therese Comodini Cachia, die im Rechtsausschuss des Parlaments die Federführung für das Thema hat, stellt sich aber dagegen: „Digitale Technologien zu nutzen, um den Zugang zu Nachrichten und Presseartikeln zu erleichtern, schadet nicht notwendigerweise unverhältnismäßig den finanziellen Interessen der Verlage“, heißt es ihrem Bericht zu dem Reformvorschlag.

Comodini will den Verlegern anders entgegenkommen: Sie sollen im eigenen Namen vor Gericht gegen die Verletzung von Rechten ihrer Autoren klagen können. Für die Verlage, aber auch für die Urheber von Texten bedeutet das einen Rückschlag. „Das ist ein Eingriff in die Rechte der Urheber, der sie entmündigt und ihren finanziellen Interessen schadet“, sagte dazu kürzlich der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall.

Die vorgeschlagene Regelung sei „untauglich und zudem extrem schädlich, weil sie Total-Buy-out-Verträge befördere“. Den angemessenen Preis für die Nutzung aufwändig hergestellter Inhalte müssten die Verlage jedenfalls gemeinsam mit den Urhebern einfordern, verlangt der DJV. „Deswegen müssten bei Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage nicht nur die Rechte der Urheber unberührt bleiben, sondern ihnen müsse auch ein bezifferter Anteil an den Erlösen aus dem Verlegerrecht zugestanden werden.“

Die Debatte um angemessene Erlöse für die Urheber aus der Verwertung ihrer Rechte und Leistungen birgt schon deshalb großes Konfliktpotenzial, da Oettinger den Verlagen weitgehende Rechte und damit eine starke Verhandlungsposition gegenüber Google und Co zugesprochen hatte. Sein Entwurf sieht vor, dass die produzierten Artikel ebenso wie kurze Textauszüge 20 Jahre EU-weit lang geschützt werden. Die Internet-Unternehmen werden dazu verpflichtet, mit den Verlagen Verträge über deren Nutzung abzuschließen.

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