Liberalismus Die Feinde der Freiheit

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Die Kultur-Betoner

Die Kultur-Betoner Quelle: Thomas Fuchs

Die Berliner Autorin Kathrin Passig hat jüngst in der "Zeit" vorgeschlagen, man solle Kultur "ähnlich wie Nachtischfragen" betrachten: Die Auswahl aus dem breiten Angebot sei Geschmacksache. Das ist hübsch liberal gedacht: Es gibt keine Autorität, die befugt wäre, über Wert und Bedeutung von Kulturprodukten zu entscheiden. Stimmt das, müsste man das deutsche Theatersystem abschaffen.

Es wird nur deshalb subventioniert, weil der Staat unter Berufung auf seinen Kulturauftrag dem Goethe-Stück oder der Nono-Oper einen besonderen Bildungswert zuspricht. Auch anspruchsvolle, schwierige Werke sollen ihr Publikum finden.

Liberalismus taugt nicht als Held

Dass es in Deutschland an die 150 öffentliche Theater gibt, ein Weltkulturunikum, das Ländern, Städten und Gemeinden jährlich gut zwei Milliarden Euro wert ist, liegt vor allem am deutschen Bildungsverständnis. Seit Friedrich Schiller die Schaubühne als „moralische Anstalt“ entdeckte, gelten Kunst und Theater als privilegierte Bezirke des Schönen, in denen das Publikum seine besseren Möglichkeiten erkennt.

Natürlich glaubt heute kein Regisseur mehr, das Theater könne die Zuschauer zu besseren Menschen machen.

Trotzdem gilt die Hochkultur nach wie vor als privilegiertes Medium der Erkenntnis, das vor den Zumutungen des Marktes geschützt werden müsse. Die sogenannten Kulturschaffenden, die von der subventionierten Kultur leben, geben sich zwar gern liberal bis zum Anarchischen, aber der Liberalismus gilt ihnen als Synonym für ökonomistische Verflachung, für ein Denken, das die Kunst an den Kommerz verrät, an das Allzunützliche. Daher sind sie als Redner auf dem Jahrestreffen des BDI bisher noch nicht aufgefallen. Es ist unwahrscheinlich, dass dies passieren wird. Denn der Liberalismus feiert zwar die Freiheit, trotzdem taugt er nicht zur Heroisierung. Er plädiert für Skepsis, für Nüchternheit, für Maß und Mitte – und überlässt der Kunst die Suche nach der blauen Blume.

Der Altlinkeste: Claus Peymann

Der Neurechteste: Botho Strauss

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